Alle elektrischen und elektronischen Geräte erzeugen aber auch selbst elektromagnetische Felder. Diese Felder nutzt man beispielsweise bei Funkanwendungen, aber es gibt auch ungewollte Auswirkungen, etwa im Auto: Ein Knacken oder Summen im Radio ist zwar lästig, aber nicht weiter bedrohlich. Würde hingegen ein Airbag aufgrund eines elektromagnetischen Felds irrtümlich auslösen, hätte das wohl fatale Folgen. „Deshalb muss bereits während des Designs bzw. der Produktion von elektronischen Geräten auf die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) geachtet werden“, betont Martina Schwaiger, Geschäftsführerin der Seibersdorf Labor GmbH (siehe Kasten).
Damit ist das Team in Seibersdorf in einem Bereich tätig, der alle Menschen betrifft: Denn die EMV berührt heute jeden Lebensbereich. Mehr noch, sie ist zu einer Schlüsseltechnologie in der Industrie geworden. So darf kein Produkt in Europa ohne Konformitätserklärung mit geltenden EU-Richtlinien (Stichwort CE-Kennzeichnung) auf den Markt gebracht werden. Für elektrische/elektronische Geräte und Systeme ist dabei die EMV-Konformität eine der wesentlichen Anforderungen. Die anzuwendenden Normen legen Anforderungen an die Störfestigkeit (Immission) und Grenzwerte für die Störaussendung (Emission) fest. „Die EMV als wesentliches Qualitätsmerkmal elektronischer Geräte und Systeme wird zukünftig auch noch mehr an Bedeutung erlangen“, ist Kurt Lamedschwandner, Fachbereichsleiter Elektromagnetische Verträglichkeit EMC & Optics überzeugt, „wegen der immer höheren Taktraten der Mikroprozessoren, der steigenden Integrationsdichte, der zunehmenden Anzahl potentieller Störquellen und der immer höheren Komplexität elektrischer/elektronischer Systeme.“
Stichwort Sicherheit: Bei sicherheitskritischen Anwendungen, wie etwa in der Automobil- oder Flugzeugindustrie, ist die Planung und Untersuchung der elektromagnetischen Verträglichkeit von höchster Bedeutung. Sicherheitskritische Systeme dürfen nicht ausfallen oder unkoordinierte bzw. undefinierte Betriebszustände einnehmen. Die Fachgruppe EMV der Seibersdorf Labor GmbH betreibt hierfür ein akkreditiertes Prüfzentrum und berät nationale und internationale Klienten. In eigenen Absorberhallen wird die Störfestigkeit mit Feldern und Messungen der gestrahlten Störaussendungen von Prüflingen getestet. Diese Absorberhallen, die es in Seibersdorf in unterschiedlichen Größen gibt, sind Faraday´sche Käfige (kennt man aus dem Auto), die an Wänden und Decke, teilweise auch am Boden, mit absorbierendem Material ausgekleidet sind. Diese Absorber verhindern störende Reflexionen. Durch die Schirmwände des Faraday´schen Käfigs ist sichergestellt, dass einerseits die elektromagnetischen Felder der Umgebung die Messergebnisse nicht beeinflussen und andererseits die im Inneren erzeugten Prüffelder nicht nach außen dringen und in benachbarten Laboren Störbeeinflussungen hervorrufen. Vergleichbar ist das mit einem schalldichten Raum. Das akkreditierte EMV-Prüfzentrum der Seibersdorf Labor GmbH verfügt seit Anfang 2018 über zwei normkonforme Absorberhallen mit umfangreichem messtechnischen State-of-the-Art-Equipment, welche im Parallelbetrieb für Messungen im Einsatz sind.
Einflüsse auf den Menschen
Elektromagnetische Felder treten aber auch in Wechselwirkung mit dem menschlichen Körper. Um gesundheitlich nachteilige Auswirkungen zu vermeiden, existieren daher Grenzwerte für die elektrische und magnetische Feldstärke. Aufgrund unterschiedlicher Wirkungsmechanismen sind diese Grenzwerte frequenzabhängig. Die Beurteilung von Expositionssituationen erfordert neben einer präzisen Messung der Feldstärken auch spezielles Know-how im Hinblick auf deren potenzielle biologische Wirkungen. Solche Messungen und Berechnungen elektromagnetsicher Felder und deren Beurteilung hinsichtlich der möglichen Schadwirkungen zählen zu den Kernkompetenzen der Seibersdorf Labor GmbH und basieren auf 25 Jahren Erfahrung in diesem Gebiet.
EMF bei Elektroautos
Die rasante technologische Entwicklung, auch getrieben durch die Digitalisierung, erfordert auch eine stetige Weiterentwicklung der Mess- und Bewertungsmethoden. Beispiel E-Mobilität: Bei allem Jubel um die umweltschonenden Fahrzeuge hat man sich bisher kaum Gedanken darum gemacht, dass die Fahrer*innen im Betrieb ständig in einem elektromagnetischen Feld sitzen. Zudem kommt der Mensch den Komponenten des leistungsstarken elektrischen Antriebssystems (Batterie, Motor, Verkabelung, Inverter etc.) sehr nahe – allerdings unterschiedlich je nach Konstruktion des Fahrzeugs. „Im Fahrgastraum eines E-Autos entstehen Magnetfelder mit komplexer räumlicher Verteilung und komplexem Frequenzspektrum. An Messverfahren, die auch hier eine Überprüfung der Grenzwerteinhaltung ermöglichen sollen, wird zur Zeit in internationalen Standardisierungsgremien gearbeitet“, sagt Gernot Schmid, Senior Applied Researcher EMC & Optics und Experte für Elektromagntische Verträglichkeit. Eine zentrale Anforderung wird dabei die Erfassung der räumlichen Feldverteilung im Fahrzeug sein. Mit dem gegenwärtig vom EMF-Team der Seibersdorf Labor GmbH entwickelten Multikanal-Magnetfeld Messsystem (MF EASY – Magnetic Field Exposure Assessment SYstem) werden derartige Messungen besonders effizient durchführbar sein. Es ermöglicht die simultane Messung und Bewertung von bis zu 15 Magnetfeld-Messkanälen. Wie sehen nun erste Testergebnisses aus? Müssen sich E-Autofahrer*innen fürchten? Nein, sagt Martina Schwaiger: „Erste Testmessungen in unterschiedlichen Elektro- und Hybridfahrzeugen zeigten Spitzenwerte der magnetischen Feldstärke im Bereich von ca. 20-50% der gegenwärtig in der EU geltenden Referenzwerte.“ Entwarnung also. Zudem treten diese Spitzenwerte auch nur kurzzeitig während starker Beschleunigungs- oder Bremsmanöver auf.
WLAN-Auswirkungen auf unseren Schlaf
Neben der Messung und Bewertung von Expositionssituationen auf Basis der gegenwärtigen Grenzwerte stellt auch die Forschung über mögliche weitere, bisher noch unbekannte biologische Effekte elektromagnetischer Felder einen Arbeitsschwerpunkt der Seibersdorf Labor GmbH dar. In wissenschaftlichen Arbeiten der jüngeren Vergangenheit finden sich beispielsweise Hinweise auf Effekte hochfrequenter elektromagnetischer Felder von Mobilfunksystemen auf den Schlaf. „Wobei für die endgültige Beurteilung dieser Hinweise noch viel Bedarf an experimentellen Studien besteht“, wie Gernot Schmid betont. Dabei wird man freiwillige Proband*innen unter kontrollierten Bedingungen vor dem Einschlafen und während des Schlafes elektromagnetischen Feldern ausgesetzten und potenziellen Auswirkungen auf den Schlaf (z.B. auf das Schlaf –EEG) untersuchen. Eine derzeit in der Abschlussphase befindliche Studie an der Charité Universitätsmedizin Berlin (finanziert von der Schweizer FSM – Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation) untersucht mögliche Effekte von WLAN-Exposition auf den Schlaf. Die dabei eingesetzte Expositionsanlage wurde von den Seibersdorf Labor GmbH speziell für diese Studie entwickelt und gefertigt. Um eine möglichst gleichmäßige und damit von der Kopfstellung möglichst unabhängige Exposition des Gehirns zu erreichen, wurden sechs Antennen in gleichmäßigem Abstand entlang einer Kreisbahn rund um das Kopfende des Bettes in einem Kunststoffträgerrahmen positioniert. Die Antennen werden mit einem realen WLAN-Signal bespeist, wobei die applizierten Hochfrequenzsignale repräsentativ für unterschiedliche realistische Datenübertragungsraten sind. Eine detaillierte Analyse der in unterschiedlichen, insbesondere für den Schlaf relevanten, Gehirnregionen absorbierten Strahlungsleistung erfolgte mittels Computersimulationen unter Verwendung eines hoch aufgelösten anatomischen Kopfmodells. Bis Jahresende sollte die abschließende Auswertung der Studie feststehen. Und Seibersdorf Laboratories wird damit einmal mehr in der zukunftsweisenden Forschung seinen footprint hinterlassen.