Bildung

Interview

„Wir werden der Hub für Transdisziplinarität“

Credit: Skokanitsch Fotografie
Rektor der Donau-Unisersität-Krems: Friedrich Faulhammer
Credit: Skokanitsch Fotografie

Es sind aufregende Zeiten für die Donau-Universität Krems: Mehr Ressourcen vom Land NÖ und dem Bund, Aufnahme in das Universitätsgesetz – Rektor Friedrich Faulhammer sieht nicht nur aus diesen Gründen die beste Zeit der Donau-Universität Krems erst kommen.

von: Harald Hornacek

AUSTRIA INNOVATIV:
Durch eine neue 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Land Niederösterreich stellt das Land NÖ der Donau-Universität Krems weitere Infrastruktur zur Verfügung und der Bund verpflichtet sich zur langfristigen Steigerung der finanziellen Bundesmittel. Am Campus Krems werden in Summe 63 Mio. Euro durch das Land investiert. Weiters soll die Donau-Universität Krems formal auch in den § 6 des Universitätsgesetzes 2002 aufgenommen werden, in welchem alle österreichische Universitäten aufgelistet sind, um die Zusammenarbeit und Kooperation mit den anderen öffentlichen Universitäten zu erhöhen. Viel Grund zur Freude also....

Friedrich Faulhammer:
.....und gleichzeitig eine Bestätigung unseres Weges. Die Donau-Universität Krems wurde bereits mit dem Gedanken gegründet, dass eine akademische Erstausbildung zu wenig ist. Eben daraus resultiert auch der Auftrag unserer Universität als Weiterbildungsuniversität - und das ist gleichzeitig auch unser Alleinstellungsmerkmal. Wir sind in Lehre und Forschung bestens organisiert für berufsbegleitende Studien. Hier haben wir eine Kompetenz entwickelt, die auch im österreichweiten Vergleich einzigartig ist. Es gibt zwar an vielen Universitäten Weiterbildungsaktivitäten, teil weise in ausgegliederten Gesellschaften, aber eine ganze Universität auf dieses Segment auszurichten mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten für Lehrende und Lernende, das haben nur wir. Und ich bin davon überzeugt, dass wir damit auch sehr, sehr gut aufgestellt sind für die Zukunft, in der lifelong learning noch mehr zur Pflicht und zur Routine werden wird.

 

AI:
Österreichs Universitäten verfügen über zahlreiche Kooperationsprojekte mit Bildungseinrichtungen auf der ganzen Welt. Wie einfach ist es für Sie als Donau-Universität Krems, internationale Kooperationen einzugehen?

FF:
Wir sind da auf einem guten Weg und haben beispielsweise mit der Konyang Universität in Südkorea eine Kooperation, die wir sehr gut nutzen in gemeinsamen Forschungsprojekten und in einem Double-Degree-Programm.

AI: Welche speziellen Anforderungen haben Ihre Studierenden, die ja in der Regel nicht Vollzeitstudierende sein können?

FF: Eine Universität, die sich dem berufsbegleitenden Studium verschrieben hat, muss Rücksicht auf die zeitlichen Möglichkeiten ihrer Studierenden nehmen. Allein aus diesem Aspekt heraus, gibt es bei uns viele blended learning Programme - d.h. eine Mischung zwischen Präsenzphasen und E-Learning. In den Präsenzzeiten legen wir großen Wert darauf, dass diese Einheiten besonders interaktiv, und inspirierend sind.

AI: Wie hoch ist der Anteil von Akademikern in Ihren Studiengängen?

FF: Rund 50 Prozent unserer Studierenden haben bereits vorakademische Ausbildung. Die andere Hälfte eine sogenannte gleichzuhaltende Qualifikation, beispielsweise langjährige relevante Berufserfahrung - und genau das ist es, was unser Bildungskonzept so spannend macht und unsere Universität gesellschaftlich wirksam, da Fragestellungen direkt von der Praxis in die Wissenschaft kommen und über unserer meist berufstätigen Studierenden direkt in die Gesellschaft zurück. Durch diese Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis, durch Brücken zwischen Grundlage und Anwendung sowie einzelnen Disziplinen verfolgen wir einen transdisziplinären Ansatz, der künftig - davon bin ich zutiefst überzeugt - noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Die Überwindung von Fächergrenzen, das Lernen voneinander, Profitieren vom Erfahrungs- und Wissensschatz des Gegenübers gewinnt insbesondere bei komplexen Fragestellungen massiv an Bedeutung. Der disziplinäre Ansatz allein ist nicht mehr geeignet, Antworten auf komplexe Herausforderungen zu liefern. Wir müssen künftig mehr danach trachten, das Wissen breiter Bevölkerungsgruppen und möglichst vieler Menschen für wissenschaftliche Entwicklungen zu nutzen. Ich sehe die Donau-Universität Krems als Hub für transdisziplinäre Forschung.

AI: Die Donau-Universität Krems verfügt über 3 Fakultäten mit 18 Departments. Wie verteilen sich die Studierenden auf die einzelnen Bereiche? Welche Ausbildungsangebote sind besonders gefragt?

FF: Traditionell war bei uns der Bereich Gesundheit und Medizin früher sehr groß mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent. In den letzten Jahren hat sich das verändert. Die Bereiche Wirtschaft, Digitalisierung, Management und IT oder auch der Datenbereich haben sich dynamisch entwickelt. Auch Kunst und Kulturwissenschaften gewinnen an Raum. Wir verbinden diese Angebote mit modernen digitalen Methoden, beispielsweise in der Bildwissenschaft, oder auch im Bereich Archivierung digitaler Kunst.

AI: Offenbar wirkt sich hier das große Kulturengagement der NÖ Landesregierung positiv aus.

FF: Ja, aber nicht nur dieses. Der Trend zum Kulturgüterschutz oder zum Denkmalschutz gewinnt eigentlich in ganz Europa an Bedeutung. Der Bogen ist hier sehr weit gespannt und reicht von Denkmalpflege über bis hin zu Sammlungswissenschaften. Es freut mich sehr, dass wir bereits die vierte Sparte in unserem Archiv der Zeitgenossen gegründet haben. Hier wurden uns die Vorlässe von Peter Turrini, Friedrich Cerha und Wolfgang Prix anvertraut. Zu diesen Vorlässen in Literatur, Musik und Architektur kam vor wenigen Wochen nun die Sparte Film hinzu. Peter Patzak hat uns sein filmisches Werk übertragen.

AI: Ihre rund 9.000 Studierenden kommen aus mehr als 90 Ländern. Wie schaffen Sie es, Ihre Universität so weit über Österreich hinaus bekannt zu machen?

FF: Konkret sind rund ein Viertel unserer Studierenden internationaler Herkunft, wobei sich ein großer Teil auf den deutschsprachigen europäischen Raum bezieht. Da ist eine gewisse bevorzugte Mobilität der Studierenden festzustellen. Was uns zugutekommt, ist, dass wir sehr engagiert in Erasmus Mundus Programmen sind. Hier koordinieren wir 2 Programme, die jeweils von vier Universitäten gemeinsam durchgeführt werden. Die Programme sind via Vollstipendien finanziert, bei denen die Studierenden jedes Semester an einer anderen Universität verbringen. Das bringt zusätzlich internationale Sichtbarkeit mit sich, die sehr wertvoll ist.

AI: Seit einiger Zeit bieten Sie auch PhD-Studien an, in den Bereichen Migration sowie regenerative Medizin. Wie groß ist hier die Nachfrage?

FF: Sehr groß. Vor allem deshalb, weil wir eine sehr fokussierte und besonders forschungsgeleitete Ausrichtung haben: Im Bereich der regenerativen Medizin beschäftigen sich unsere Teams z. B. mit tissue engineering und dem Wiederaufbau von geschädigten Zellen. Auch in der Sepsis-Forschung und Blutreinigung sind wir vorne mit dabei, auch in der Forschung. Hier gibt es ein Christian-Doppler-Labor, das sich mit diesem Thema gemeinsam mit uns beschäftigt. Vor wenigen Wochen haben wir eine neue core facility in Betrieb genommen, die vom Land NÖ mit rund drei Mio. Euro gefördert wurde. Da liegen wir im wissenschaftlichen Spitzenfeld. Mit dem zweiten großen Thema Migration adressieren wir ein Feld, das speziell in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Auch hier ist die Nachfrage enorm: Für eine Handvoll Stellenausschreibungen hatten wir mehr als 200 Bewerbungen.

AI: Wie streng sind die Aufnahmekriterien?

FF: Wir legen größten Wert auf hohe Qualifikation. Alle unsere PhD-Stellen sind nach aktuellen europäischen Vorstellungen ausgerichtet, das heißt, die Kolleginnen und Kollegen sind bei uns als early stage researcher über Drittmittel angestellt. Wir sind in der Selektion sehr sorgfältig. Derzeit haben wir über 15 PhD-Studierende im Haus.

AI: Wo sehen Sie künftige Themenfelder für die Donau-Universität Krems?

FF: Ein Bereich, der an Bedeutung gewinnen wird, ist die Hochschulforschung. Hier stehen wir in stetigem Austausch mit anderen Einrichtungen und dem BMBWF. Es soll eine Stärkung im Bereich Hochschulforschung geben, und wir wollen uns hier als Donau-Universität Krems stark positionieren. Wir planen eine eigene Professur für Hochschulforschung im nächsten Jahr zu etablieren. Ich sehe auch Möglichkeiten, dass sich unser Haus im Wissenschafts- und Forschungssystem noch stärker engagiert. Wir sind vor kurzem dem Complexity Science Hub beigetreten. Das ergänzt sehr gut unsere eigenen diesbezüglichen Arbeiten. Wir sind Mitglied der Allianz nachhaltiger Universitäten. Auch hier engagieren wir uns aktiv. Natürlich ist auch der große Bereich der Digitalisierung für uns ein zentrales Thema. Hier haben wir seit Jahren Aufbau- und Pionierarbeit geleistet und auch eine internationale Sichtbarkeit erreicht. Unser Professor Peter Parycek ist seit kurzem Mitglied im Deutschen Digitalisierungsrat - eine Auszeichnung, die nur sehr wenigen Menschen zuteil wird und er und sein Team sind führend im Bereich E-Government und E-Democracy.

AI: Sie halten einige interessante Beteiligungen, beispielsweise am Accent Gründerservice oder am WasserCluster Lunz. Was passiert in diesen Unternehmen?

FF: Durch den accent-Gründerservice erhalten Forschende und Studierende die Möglichkeit, Forschungsergebnisse und innovative Ideen unter professioneller Begleitung weiterzuentwickeln, in eine Start-up-Firma im Sinne der transferfähigen Forschung zu überführen und auf den Markt zu bringen. Wir haben im Vorjahr erstmals den Innovation Award vergeben, um gute Ideen auszuzeichnen, Der WasserCluster ist ein spannendes Forschungsfeld, in dem sich die Bundesländer Wien und NÖ gemeinsam einbringen. Hier werden wertvolle Erkenntnisse in der Gewässerökologie gewonnen, die weit über den Fachbereich hinausgehende Wirkung zeigen. Und die Beteiligung an der Paritätischen Akademie in Berlin ergab sich aus gemeinsamen Projekten, die sich gut entwickelt haben und daher eine gemeinsame rechtliche Verschränkung sinnvoll erscheinen ließen. Wir sind so in Berlin nahe am Geschehen. Gerade im Bereich social work oder social management ist diese Stadt ein Hot Spot.

AI: Sie waren vor kurzem auf der Konferenz "Österreich 22", eine Initiative, die vom steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ins Leben gerufen wurde und ExpertInnen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zum Gedankenaustausch einlädt. Welche Erkenntnisse haben Sie da mitgenommen?

FF: Ich finde das Konzept interessant, Wissen von Expertinnen und Experten zu nutzen, die ganz unterschiedliche Zugänge und Erfahrungen haben. Spannend war diesmal vor allem zu sehen, welche Veränderungen sich im Wissensschafts- und Bildungssystem in den letzten beiden Jahren ergeben haben. Zwar laufen die Verhandlungen zu den nächsten Leistungsvereinbarungen noch, aber der Trend ist klar: Es gibt mehr Geld für die Universitäten und für die Grundlagenforschung. Ein Plus von knapp 1,3 Mrd. Euro im Budget ist eine Stärkung der Universitäten und sehr positiv zu werten. Mit dem Bekenntnis zur Exzellenzforschung ist ein weiterer wichtiger Baustein zur positiven Entwicklung des Systems vorhanden. Da liegen wir in Österreich erfreulicherweise auch im Vergleich zu den deutschen Hochschulen voran, weil wir sozusagen antizyklisch agieren: Bei unseren Nachbarn habe ich kürzlich bei einem Treffen eher eine gewisse Unsicherheit über die weiteren finanziellen Gegebenheiten vernommen. Hier setzt die Regierung in Österreich im Vergleich gute Akzente.

AI: Dennoch werden sich auch die Universitäten von sich aus weiterentwickeln müssen.

FF: Daran besteht kein Zweifel! Wir als Donau-Universität Krems bringen uns sehr konsequent ein. Wir werden künftig deutlich mehr wissenschaftliche Weiterbildung zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen benötigen. Weltweit stellen wir eine zunehmende Akademisierungsrate fest, beispielsweise in Asien, wo enorme Anstrengungen - auch in finanzieller Hinsicht - unternommen werden, um die Menschen höher zu qualifizieren. Ich sehe in Österreich ein enormes Potenzial für die wissenschaftliche Weiterbildung Wir müssen bedenken, dass derzeit rund 14 Prozent der Bevölkerung an beruflicher Weiterbildung teilnehmen - aber nur 0,23 Prozent an wissenschaftlicher Weiterbildung. Es gibt also großes Potenzial und große Notwendigkeit, Schwellen zu überwinden und neue Blickwinkel zu öffnen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.

Lesen Sie das ungekürzte Interview in der aktuellen Ausgabe 6/2018 auf Seite 18-21.


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