Um zu verstehen, worin die Forschungsleistung von Thomas Gassler sowie des Teams rund um Prof. Diethard Mattanovich von der BOKU Wien besteht, sollte man zunächst einmal zwei dafür relevante Grundbegriffe auseinanderhalten: autotroph und heterotroph. Ersteres bedeutet, dass ein Lebewesen sich von Kohlenstoff aus CO2 „ernährt“. Beispielsweise sind alle Pflanzen autotroph, wobei sie die Energie für diese Lebensweise aus Licht beziehen. Dabei wird das CO2 in die Biomasse der Pflanzen eingebaut, wodurch diese wachsen, blühen und gedeihen können. Im Gegensatz dazu ernähren sich heterotrophe Lebewesen wie etwa Tiere, eine Vielzahl von Bakterien oder wir Menschen aus anderen organischen Verbindungen. Anders gesagt, wer ein Schnitzel zu sich nimmt, ist heterotroph, wer hingegen sonnenbadet, kann zwar auch ein Mensch sein, ist aber in der Regel eine Pflanze und damit autotroph.
Ein wesentlicher Unterschied kommt noch hinzu: Autotrophe Lebewesen nutzen das CO2 für ihr Weiterleben, geben es aber nicht wieder zur Gänze ab. (Bäume beispielsweise sind große CO2-Speicher, denn sie binden dieses in ihrer Biomasse.) Heterotrophe hingegen tun das sehr wohl, man denke nur an den elementaren Vorgang des Atmens, bei dem wir Menschen und die Tierwelt bei der Einatmung Sauerstoff aufnehmen und – als Folge diverser Stoffwechselabläufe – mit der Ausatmung CO2 abgeben. Das ist nicht weiter schlimm und trägt jedenfalls nicht zum klimaschädigenden CO2-Ausstoß bei. Anders ist das bei vielen industriellen Prozessen, unter anderem bei der biotechnologischen Umwandlung von Zucker oder anderen organischen Substraten in höherwertige Produkte: Da sie auf heterotrophen Stoffwechselvorgängen beruhen, entstehen dabei eben nicht nur neue Produkte, sondern es wird im Zuge des Prozesses auch CO2 an die Umwelt abgegeben.
Kombinierte Auto- und Heterotrophie
Wie wäre es nun, die Vorzüge der Autotrophie mit jenen der Heterotrophie zu kombinieren? Das wäre eine Win-win-Situation, denn auf der einen Seite wäre CO2 nicht nur gebunden, sondern könnte auch sinnvoll verwertet werden; auf der anderen Seite wiederum könnten verschiedene organische Substrate miteinander verbunden werden, um dadurch neue und höherwertige Produkte entstehen zu lassen – aber eben ohne CO2-Ausstoß. Tatsächlich käme für die Industrie weltweit wohl nichts gerufener, als Prozesse zu entwickeln, mit deren Hilfe sich das lästige CO2 auf biotechnologischem Weg verwerten ließe. Nur, wie ließe sich eine solche Kombination von Vorteilen bewerkstellen? Beispielsweise dadurch, dass man einen heterotrophen Organismus auf autotroph umstellt. Ein Team unter der Leitung von Prof. Diethard Mattanovich von der BOKU Wien (Institut für Mikrobiologie und Mikrobielle Biotechnologie) hat genau das unternommen, und der maßgeblich daran beteiligte Thomas Gassler widmete dem Thema seine Dissertation. Damit sorgte er – siehe Infobox – für einige Furore in Form von Wissenschaftspreisen und konnte seine Publikation als Erstautor im renommierten Fachjournal Nature Biotechnology platzieren.
Die Hefeart Pichia pastoris
Der Organismus, der zur Umprogrammierung ausgewählt wurde, ist die vielbeforschte industrielle Hefeart Pichia pastoris, die bei der Herstellung von Enzymen für die Nahrungsund Futtermittelindustrie sowie von Pharmazeutika verbreitet eingesetzt wird. Sie ist heterotroph in einem engeren Sinne, nämlich methylotroph, das heißt, sie verwendet Methanol als Kohlenstoff- und Energiequelle für ihr Wachstum. „Durch gentechnische Integration von acht artfremden – sogenannten heterologen – Genen aus Pflanzen, Bakterien und anderen Hefearten sowie Ausschaltung dreier eigener Gene gelang es uns erstmals, den zentralen Stoffwechselweg der Pichia pastoris von heterotroph auf autotroph, umzudrehen, sodass CO2 (statt Methanol) als Kohlenstoffquelle genutzt werden kann”, erklärt Thomas Gassler. Mit anderen Worten, Pichia pastoris wächst jetzt mit CO2 als seiner einzigen Kohlenstoffquelle und nutzt Methanol lediglich als Energielieferant. Nicht nur das, mit Hilfe einer Technik namens „Adaptive Laboratory Evolution” konnte das autotrophe Wachstum der synthetischen Zellen sogar noch gesteigert werden. Dank dieser neuartigen Hefetechnologie kann CO2 nun in hochwertige Produkte wie zelluläre Biomasse, Chemikalien, Proteine und Enzyme umgewandelt werden. Es wird „gebunden”, statt – wie das bei einem heterotrophen Stoffwechselweg der Fall wäre – in die Erdatmosphäre ausgestoßen zu werden und diese weiter zu belasten.
„Der potenzielle Nutzen ist sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht – durch Wegfall von teuer herzustellenden Ausgangsstoffen – enorm”, sagt Thomas Gassler. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt zeichnen sich zwei konkrete Anwendungen der autotrophen Hefeart ab: zum einen als CO2-fixierender und eiweißreicher Zusatz in der Futtermittelherstellung (einschließlich Fischfutter) als Alternative zu Fischmehl und zum ressourcenintensiven Sojamehl – man denke an die weltweit praktizierte Rodung von Waldgebieten für den Sojaanbau. Und zum anderen als Ausgangsstoff für die Erzeugung von biologisch abbaubaren Polymeren, die als Plastikersatz dienen können. Wir rechnen damit, dass sich diese Anwendungen in den kommenden fünf bis zehn Jahren konkretisieren werden.”