Wien ist zwar nicht Singapur. Dafür erhielt die schon oft als lebenswerteste Stadt der Welt ausgezeichnete Metropole nun auch den Singapur-Preis für ihre nachhaltige und smarte Stadtentwicklung verliehen. Das geschah kürzlich im Rahmen des World Cities Summit 2022 in Singapur. Der „Lee Kuan Yew World City Prize“ würdigt seit 2010 alle zwei Jahre die Leistungen und Beiträge, um Städte lebenswerter und nachhaltiger zu gestalten. Die wertvolle Goldmedaille und das Preisgeld in der Höhe von 200.000 Euro konnte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig nun endlich direkt entgegennehmen. Ausgezeichnet wurden damit Projekte wie die Seestadt, die Donauinsel, das Nordbahnviertel sowie die Grätzl-Strategie samt ihrer sozialen Inklusion und die neue „Smart Klima City Strategie“. Denn bei diesem Preis geht es um langjährige Entwicklungen und nicht ein alljährliches Ranking. Zudem wird der World Cities Summit 2025, an dem mehr als 150 Bürgermeister*innen und zahlreiche Industrieexpert*innen teilnehmen, in Wien stattfinden.
Burgenland, Niederösterreich, Wien
Smart und Nachhaltig - Innovatives Österreich Teil 4: Region Ost
Wien wird in Singapur ausgezeichnet, das IST Austria wirbt 100 Millionen Euro ein und Forschung Burgenland baut aus. Die innovative Region Ost wächst kräftig und setzt auf Nachhaltigkeit, Energie und Umwelttechnik, Lebenswissenschaften, Medizin und Digitalisierung.
Milliarden für Erneuerbare
Eine nachhaltige Energieversorgung und der Weg zur Klimaneutralität sind nicht nur seit der Energiekrise weltweit das große Thema. Wien hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 CO2-neutral zu sein, wozu zahlreiche Projekte gestartet wurden wie ein 1,2 Milliarden Euro schweres Photovoltaik-Ausbauprogramm, große wie auch kleine lokale Geothermieprojekte, die Nutzung der Abwärme aus den Kanälen (siehe S. 22), der Aufbau einer lokale Wasserstoff-Wertschöpfungskette und einiges mehr. All dies kommt zugleich zahlreichen Forschungsprojekten in der gesamten Region und den lokalen Innovationsstandorten zugute. Massiv in die Energiewende wird auch in Niederösterreich und im Burgenland investiert. So startet in Schnellladern im Bezirk Oberpullendorf ein innovatives Stromspeicherprojekt. Burgenland, das bis 2030 klimaneutral werden will, produziert heute schon 150 Prozent des eigenen Strombedarfs durch Wind- und Sonnenenergie. Um die Energie immer zur Verfügung zu haben, wird im Zuge einer Entwicklungspartnerschaft ein neuartiger organischer Großstromspeicher (Organic Solid-Flow Batterie) des deutschen Batterieherstellers CMBlu im Feldversuch erprobt. Das innovative Unternehmen startete 2011 als Forschungsprojekt und bildet für ihre Lösung den Citratzyklus des menschlichen Körpers nach, um damit organische High-Performance-Energiespeichermoleküle zu entwickeln. Falls im Pilotprojekt alles klappt, würde diese günstige, sichere, langlebige und nachhaltige Batterie bis 2025 eine Speicherleistung von rund 300 Megawatt zur Verfügung stellen, was leicht reichen würde, um das Burgenland selbst bei längerer Windstille und bedecktem Himmel übergangsweise zu versorgen. Sehr innovative Energiegewinnungsprojekte gibt es viele, so etwa auch die Stromboje, ein schwimmendes Kleinkraftwerk für Flüsse, dass das niederösterreichischen Start-up Aqua Libre entwickelt hat.
"Smart Klima City Strategie“
„Innovation und Klimaschutz gehen Hand in Hand, wenn es darum geht, die hohe Lebensqualität in Wien zu erhalten. Mit der im Frühjahr präsentierten „Smart Klima City Strategie“ haben wir ein gutes Instrument geschaffen, um in den verschiedenen Bereichen eine nachhaltige und fortschrittliche Entwicklung der Stadt zu gewährleisten“, so die Wiener Innovationsstadträtin Ulli Sima. Wichtige Themen sind beispielsweise ein smartes Verkehrsmanagement, die klimafreundliche Energiegewinnung bis hin zum Ausbau der digitalen Services des Magistrats oder einer vorausschauenden Gestaltung des öffentlichen Raums. Ein spannendes Pilotprojekt ist BRISE (Building Regulations Information for Submission Envolvement), das als europäisches Leuchtturmprojekt Bauverfahren dank Digitalisierung papierlos, schneller, nachhaltiger und transparenter machen will, wozu auch Building Information Modeling (BIM), Künstliche Intelligenz (KI) und Augmented Reality (AR) zum Einsatz kommen. Als Partner dienen die TU Wien – bi.ibpm, FB Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik, Stadt Wien, ODE und die ZT-Kammer für Wien, NÖ und Burgenland. Bis März 2023 soll das Projekt umgesetzt sein.
Zu all den stadtrelevanten Themen wird auch intensiv im Rahmen der smarten Klimastrategie geforscht. „Wien geht seine vielfältigen Herausforderungen aktiv an und setzt dabei auf innovative Konzepte, um die Stadt klima- und zukunftsfit zu machen“, so Sima.
Innovation und Klimaschutz gehen Hand in Hand - Ulli Sima
74 Einzelziele
Die jüngst überarbeitete „Smart Klima City Strategie“ löst die alte „Smart City Strategie“ ab und definiert elf Handlungsfelder mit 74 konkreten Einzelzielen, damit Wien bis 2040 CO2-neutral werden kann. Neben Energie und Mobilität sind hier auch Themen wie Kreislaufwirtschaft wichtig, aber ebenso soziale Inklusion und kulturelle Teilhabe. Bei allen Aktivitäten sollen die Bürger*innen möglichst gut eingebunden werden, um damit auch die nötige Unterstützung zu bekommen. Zur Klimaanpassungsstrategie gehören auch sogenannte „Supergrätzl“. Eines entsteht gerade in Favoriten (Gudrunstraße-Leebgasse-Quellenstraße-Neilreichgasse) auf 9,5 Hektar. Konkret soll durch Verkehrsberuhigungen, Begrünung und Kühlung die Straßen in dichten bebauten Gebieten wieder als Lebensraum dienen und generell das Klima verbessern. Als Vorbild dient das Superblock-Konzept aus Barcelona.
Starke Forschungseinrichtungen
Für internationales Aufsehen sorgen regelmäßige Wiens, Niederösterreichs und Burgenlands Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Dank klarer Schwerpunktbildung wie etwa im Bereich Lebenswissenschaften mit dem Vienna Biocenter, Medizin, Elektronik, IT, Energie und Technik sowie dem Ausbau der Forschungsinfrastruktur bei vielen Forschungseinrichtungen wie dem AIT (siehe S. 10) oder den Fachhochschulen sowie dem laufenden Ausbau der F&E-Aktivitäten zahlreicher Unternehmen entwickelt sich die Region Wien, Niederösterreich und Burgenland zu einem weltweit gefragten Innovationsstandort.
100 Millionen Euro für IST Austria
Eine wirklich internationale Erfolgsgeschichte im Bereich Spitzenforschung ist das Institute of Science and Technology Austria. Das schon gut mit öffentlichen Finanzmittel ausgestattete Institut startete Ende Juni eine groß angelegte Capital Campaign, um innerhalb von fünf Jahren rund 100 Millionen Euro für die Grundlagenforschung einzuwerben. Das ist ein neuer Weg in Österreich, den renommierte Universitäten in den USA, der Schweiz und Israel schon lange gehen. Mit der Capital Campaign will ISTA-Präsident Thomas Henzinger anders als bei Stiftungsprofessuren einen Kapitalstock aufbauen, aus dessen Erlösen Forschung langfristig finanziert wird. Bei der feierlichen Gala zum Start der Kampagne im Wiener Stadtpalais Liechtenstein gab es gleich eine Spende in der Höhe von 25 Millionen Euro aus der Hinterlassenschaft der Unternehmerin Magdalena Walz. Damit wird die erste „Magdalena Walz Professor for Life Sciences“ Widmungsprofessur gestartet, die an den Neurowissenschaftler Peter Jonas geht.
Forschungsvielfalt
Daneben gibt es in Niederösterreich renommierte Universitäten wie etwa die Donau-Universität Krems für Weiterbildung und Fachhochschulen wie die FH Wiener Neustadt, die IMC Fachhochschule Krems oder die Fachhochschule St. Pölten. Weiters sind die vier Technopolstandorte in Tulln, Krems, Wiener Neustadt und Wieselburg und die sechs Technologie- und Forschungszentren der Wirtschaftsagentur ecoplus, darunter das neue „Haus der Digitalisierung“, wichtige Bausteine für das Innovationssystem, die laufend ausgebaut werden wie jüngst das TFZ Wiener Neustadt, in dem forschungsaffine Unternehmen wie beispielsweise die auf Blutanalysen spezialisierte Fianostics GmbH zu Haus sind. Öfters gibt es für die Forschung auch Preise. So hat etwa das IMC Forschungsprojekt „REEgain – nachhaltiges biologisches Recycling von umweltbedenklichen Stoffen (Rare Earth Elements) aus Elektronikabfall und Abwässern“ den österreichweiten Sustainability Award 2022 für Hochschulen in der Kategorie Forschung gewonnen.
Vernetzung
Um F&E sowie die digitale Transformation in die Wirtschaft und Gesellschaft zu bringen, gibt es zahlreiche Initiativen wie das Haus der Digitalisierung. Aber auch regional haben sich Innovationsnetzwerke gebildet wie PFI – Plattform für Innovation, ein führendes Netzwerk für Innovation und Innovationsmanagement in Österreich, das Teil der net for future GmbH ist, einem unabhängigen Firmennetzwerk mit rund 350 Mitgliedern und zahlreichen Aktivitäten. Wichtig sind in Niederösterreich auch Plattformen wie jene für Bioökonomie, Gesundheitswirtschaft und Luft- und Raumfahrt. Letztere sorgen für Exporte weit ins Weltall. So ist Technik von Beyond Gravity Austria (vormals RUAG Space Austria) etwa im neuen NASA James Webb Weltraumteleskop. Die Thermalisolation für die Antenne stammt aus dem Werk aus Berndorf.
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