Seit Studientagen hat sich bei Simone Viola Radl eine ausgeprägte Faszination für die Entwicklung neuer Materialien etabliert: sie reicht von patentierten smarten Materialien, die sie mit KollegInnen innerhalb der Arbeitsgruppen an der Uni und dem PCCL entwickelte, bis hin zur (Weiter-)Entwicklung der Kerntechnologien in der Gummiindustrie im aktuellen Job beim Traditionsunternehmen Semperit AG Holding.
„Im Bereich der Zentralen Verfahrensentwicklung arbeite ich als Prozessingenieurin im Team mit vier weiteren Kollegen mit dem Ziel, die Produktions- und Entwicklungsprozesse der unterschiedlichen Businesssegmente kontinuierlich zu optimieren.“ Dazu gehören Berechnungen nach der sogenannten Finite-Elemente-Methode und Prozesssimulationen, sowie die Entwicklung neuer Prüfmethoden. „Ich bin Ansprechpartnerin für die Prozesse des Gummispritzgusses und der Vulkanisation, sowie für materialspezifische Fragestellungen innerhalb der Entwicklung unterschiedlicher Produktherstellprozesse. Sowohl die Versuche in der Produktion, als auch die Materialprüfungen an den Prüfmaschinen selbst und in Zusammenarbeit mit KollegInnen und KundInnen sind hierbei wesentlich.“ Zum Arbeitsalltag gehöre auch der laufende Austausch, die Vernetzung und Kooperation mit externen PartnerInnen aus wissenschaftlichen Institutionen.
Für Radl war relativ früh klar, dass „ich mein Studium in Richtung Naturwissenschaften und Technik, in der sich meine Begeisterung für Chemie, Materialwissenschaften und Mathematik wiederfinden und ausbauen lässt, ausrichten wollte“. Während der Masterarbeit entdeckte sie ihre Faszination zu intelligenten Materialkonzepten in der Chemie der Kunststoffe. Zum Zeitpunkt ihres Masterabschlusses erlebten diese Materialsysteme in der Grundlagenforschung gerade ihren Aufschwung und entwickelten sich entsprechend rasant.
In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich bereits mit Möglichkeiten, Kunststoffe durch äußere Einwirkung so zu verändern, dass die Herstellung von recycelbaren und selbstheilenden polymeren Werkstoffen möglich ist. Die von Radl in dieser Arbeit entwickelten Polymere konnten nicht nur durch ein verbessertes Recycling über gezieltes Lösen der Kunststoffe aus dem Verbund mit anderen Materialien – wie beispielsweise Glas, Carbon oder Kupfer – überzeugen, sondern darüber hinaus auch den Lebenszyklus von Kunststoffprodukten verlängern.
Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen sind sogar zwei Patente hervorgegangen: Das erste Patent beschreibt die Derivatisierung und Funktion eines photostrukturierbaren, elektrisch leitfähigen Polymers auf Basis von Polyanilin, was etwa für den Einsatz in organischen Leuchtdioden interessant ist. Kunststoffe sind üblicherweise nicht-leitfähige Materialien. Mit dem neuartigen Polymer ist es mit Hilfe von Licht möglich, elektrisch leitfähige Strukturen in das Material zu schreiben.
„Im zweiten Patent ist ein Herstellverfahren eines lichtempfindlichen Monomers und das Monomer selbst beschrieben, entstanden in meinen Forschungsarbeiten zur Dissertation“, so Radl. Mit jenem Monomer können Kunststoffe gestaltet werden, die sich unter Einwirkung von UV-Licht abbauen und damit recycelbar sind. Wertvolle Rohstoffe, die in hochvernetzten Kunststoffverbunden wie Mikrochips eingesetzt werden, können so mit geringem Aufwand und energieeffizient voneinander getrennt und rückgewonnen werden.