Mit Schwerpunkt-Setzungen in den Bereichen E-Mobilität, vernetzte Kommunikation und Connected Vehicles ist die FH Oberösterreich in Hagenberg in Themenfeldern tätig, die für die Zukunft der Gesellschaft, der Wirtschaft und auch des Zusammenlebens von zentraler Bedeutung sind. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung von Methoden, um beispielsweise Verkehrsflüsse zu optimieren, aber auch den Verkehr insgesamt sicherer, planbarer und umweltfreundlicher zu gestalten. Die Research Group Networks & Mobility fokussiert in diesem Zusammenhang auf Informationsgewinnung, Datenanalyse, Modellierung und Simulationsmethoden.
„Wir modellieren beispielsweise das menschliche Fahrverhalten in Korrelation mit seinem Einfluss auf den Verkehrsfluss“, beschreibt FH-Prof. DI Dr. Gerald Ostermayer, Professor für Nachrichtentechnik am FH OÖ Campus Hagenberg, „wir messen in diesem Zusammenhang unter anderem, wie sich Verkehrsteilnehmer ablenken lassen und welche Auswirkungen auf das Gesamtsystem dadurch entstehen können.“ Ablenkungszeitraum, Häufigkeit, aber auch der Einfluss solcher Einwirkungen auf Beschleunigungs- und Bremsverhalten ergeben interessante Aspekte, die in dieser Form bisher noch nicht evaluiert werden konnten. „Die entsprechenden Modellierungen sind uns ganz gut geglückt, das ist in gewisser Weise noch Neuland“, beschreibt Ostermayer, „denn wir gehen damit über die vorhandenen Modelle hinaus.“ So werden beispielsweise Fragen, wie sehr ein unangepasster Fahrer den Verkehrsfluss beeinflussen und stören kann, im Projekt „aDrive“ untersucht.
Wege zur Optimierung des Verkehrsflusses
Der zweite Bereich betrifft die Fahrzeuge selbst. Im Forschungsfeld Connected Vehicles sucht man Wege zur Optimierung des Verkehrsflusses, die auf Wissen zur Position der Autos bzw. ihrer geplanten Route basieren. Ein wenig kennt man solche Anwendungen schon, etwa dann, wenn moderne Navigationssysteme Staumeldungen erhalten und von sich aus Alternativrouten anbieten. Doch im Gegensatz zum FH Oberösterreich-Modell sei das nur die Reaktion auf aktuelle Situationen, sozusagen eine leicht verzögerte Echtzeit. „Die Informationen der Navigationssysteme beruhen auf der Verarbeitung aktueller Situationen“, erklärt Ostermayer, „uns geht es darum, Modelle zu entwickeln, die Prognosen erstellen können.“ Einfach gesagt: Ein Algorithmus weiß, wohin alle Autoreisenden zu einem bestimmten Zeitpunkt fahren wollen. Und wenn das wirklich alle zur gleichen Zeit tun, dann wird es an neuralgischen Punkten in 10-15 Minuten zu Staus kommen. Daraus lässt sich ein dynamisches Bild der Verkehrslage erstellen. „Unser Re-Routing basiert also nicht auf tatsächlichen Gegebenheiten, sondern auf Prognosen, wann es wo zu zeit- und verkehrskritischen Situationen kommen wird“, betont Ostermayer. Man kann sozusagen in die Zukunft schauen und frühzeitig die Autos auf andere Routen umlenken, um Staus zu vermeiden. Ein interessanter Ansatz, der derzeit im niederrangigen Straßennetz auf seine Machbarkeit evaluiert wird. Das Projekt läuft seit einem Jahr und ist bis Mitte 2019 anberaumt. Die Wurzeln dazu liegen aber in einem Tool, das bereits ab 2012 entwickelt wurde und das nun im nächsten Schritt verfeinert wird. Geklärt werden soll dabei vor allem, an welchen Stellschrauben man drehen müsste, um die genannten Häufungspunkte oder kritischen Verkehrssituationen zu vermeiden. Dies wird nun im Rahmen von Simulationen analysiert. „Wer ein Zeitfenster zur Fahrt verfügbar hat, dem kann genau vorgeschlagen werden, wann der optimale Zeitpunkt ist“, ist Prof. Ostermayer überzeugt. Beeinflusst werden könnten auch Ampelschaltungen.
Dekarbonisierung vorantreiben
Letzten Endes geht es neben der Optimierung des Verkehrsflusses auch um das große Thema Dekarbonisierung. „Staus verursachen Kosten und belasten die Umwelt“, weiß Ostermayer, „jeder Stau, den wir vermeiden können, hilft also auch in der gesamtgesellschaftlichen Vollkostenrechnung. Wir wollen also eine Steigerung der Verkehrseffizienz erreichen, gleichzeitig aber eine Unterstützung für die täglichen Lebens- und Arbeitswelten ermöglichen. Denn die Frage ist ja, müssen wirklich alle Pendler in eine Stadt gleichzeitig wegfahren, oder entwickeln wir Tools, die zeitverzögertes Abfahren empfehlen?“ Auf Basis dieser Modelle ließen sich auch Apps für Abfahrtszeiten entwickeln und in eine Vermarktung überführen. Wenngleich Ostermayer anmerkt: „Unsere Aufgabe ist es, eine verkehrsoptimale Lösung zu entwickeln. Wie man diese dann kommerziell nutzen kann, ist erst der nächste Schritt, der auch nicht Teil unseres Projekts ist.“
Modellierungswerkzeuge entwickeln
Im Bereich Connected Vehicles arbeitet das Team am FH OÖ Campus Hagenberg auch auf einem weiteren Forschungsfeld. „Im zweiten Bereich erstellen wir Modellierungswerkzeuge für nicht-lineare Kanäle und neue digitale Modulationsverfahren“, erklärt Ostermayer. Das heißt, die Fahrzeuge geben Informationen bekannt – beispielsweise in Bezug auf Position und Zeit – und können in einem weiteren Entwicklungsschritt auch untereinander kommunizieren (V2x-Kommunikation). Sie können über WLAN interagieren und sich gegenseitig Informationen übermitteln. Nicht-lineare Kanäle führen jedoch zu Interferenzen, die andere Funkstandards beeinträchtigen können. „Diese Dinge modellieren und designen wir derzeit“, sagt Ostermayer, „wenngleich man sagen muss, dass die derzeit in Verwendung stehenden digitalen Modulationsverfahren gewisse Schwierigkeiten im Bereich von nicht-linearen Sendern und Empfängern aufweisen. Wir arbeiten daher unter anderem daran, künftig in diesen Bereichen auch eine vernünftige Abdeckung zu erzielen. Wichtig ist daher, die gesamte Kette aus Sender, Kanal und Empfänger zu berücksichtigen.“
Sicherheit im System
Und nicht zuletzt forscht die Research Group Networks & Mobility an der Sicherheit beim Einsatz vernetzter Verkehrs- und Mobilitätssysteme. Ostermayer gibt hierzu ein praktisches Beispiel: „Wir müssen sicher sein, dass niemand, der auf das System Auto zugreifen kann, damit etwas Böses tun kann – also beispielsweise Gas geben zu befehlen, statt zu bremsen. Solche Forschungen sind wichtig. Und letzten Endes werden wir einen Kompromiss aus Sicherheit und Schutz haben – aber dieser muss so nahe wie möglich an einer optimalen Lösung sein, um den Einsatz ganz neuer Technologien in der breiten Anwendung zu ermöglichen.“
Die Forschungen werden von der öffentlichen Hand unterstützt. So ist die Arbeit im Bereich aDrive eine von der FFG geförderte, industrienahe Dissertation. Und der Bereich Connected Vehicles wird mit Mitteln aus der IWB 2020 im EFRE-Rahmenprogramm gefördert und vom Land Oberösterreich unterstützt.