Die Zukunftskonferenz der JOANNEUM RESEARCH hat sich zu einem Fixpunkt in der Kongressplanung der Scientific Community in Österreich entwickelt. Aber auch über unsere Landesgrenzen hinaus gilt der Event als wegweisend. Kein Wunder daher, dass ich heuer mehr als 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einfanden und sich einen Eindruck aus erster Hand über die neuesten Entwicklungen holten. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pribyl, Geschäftsführer JOANNEUM RESEARCH, war hochzufrieden: „Damit haben wir eine Rekordzahl erreicht und konnten uns seit dem letzten Jahr nochmals um fast 200 Besucher steigern“.
Auch die Politik war mit Dr.in Sandra Holasek, Abgeordnete zum Landtag Steiermark, sowie dem Kärntner Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser prominent vertreten.
Licht für autonome Fahrzeuge
Autonome Fahrzeuge Level 5 werden sich künftig ohne Eingriffe des Fahrers, bzw. völlig fahrerlos sicher durch den Verkehr bewegen. Eine besondere Herausforderung stellt der gemischte Verkehr dar, also autonome Fahrzeuge und manuell gesteuerte Fahrzeuge im gleichen Verkehrsraum. Die Fahrzeuglichttechnik hatte bis heute die Priorität die Ausleuchtung besonders ergonomisch und vollkommen auf das menschliche Auge abgestimmt zu gestalten.
Höchste Entwicklungsstufe ist heute das Matrixlicht, also blendfreies Fernlicht ohne Mechanik, das kameragesteuert vorausfahrenden Verkehr sowie Gegenverkehr aus der Fernlicht-Lichtverteilung segmentweise ausblendet. Ein autonomes Fahrzeug benötigt diese Lichtqualität voraussichtlich nicht. Genügen somit einfache Positionslichter? Eher nicht. Die Lichttechnik wird in Zukunft vorwiegend Kommunikationsaufgaben übernehmen müssen, um etwa den fehlenden Augenkontakt zwischen Fahrer und Fußgänger zu kompensieren.
Einfache Lösungen wie mehrfarbige Signalleuchten wurden bereits in verschiedenen Konzeptfahrzeugen gezeigt. Welche technischen Lösungen sind in der Entwicklung? Gibt es Restriktionen durch den Gesetzgeber? Dr.-Ing. Wolfgang Huhn, Leiter der Abteilung „Entwicklung Licht und Sicht“ mit mittlerweile rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Audi AG, gab auf diese Fragen in einer viel beachteten Keynote zum Thema „Licht für autonome Fahrzeuge” Antworten. In seinem Bereich geht es vor allem darum, die Sicherheit zu verbessern – und natürlich auch darum, die Beleuchtung optisch ansprechend zu gestalten. Huhn und sein Team arbeiten u. a. an der Entwicklung von Scheinwerfern, Heckleuchten, Innenleuchten, Xenon-, Leuchtweiteregelungs- und AFS Steuergeräten, LED Treibermodulen, Licht-/Regensensoriken, die Funktionsverantwortung für Night Vision Systeme.
„Der nächste Schritt sind hochauflösende, digitale Scheinwerfer mit einer Million Pixel, die auch Projektionen auf die Straße werfen können – zum Beispiel, um Sicherheitshinweise zu geben. Klar ist jedenfalls, dass das autonome Fahren eine andere Art der Kommunikation erfordert. Das Auto muss den anderen Verkehrsteilnehmern Signale senden können. Aber auch Laser und organische LEDs, also OLEDs, werden an Bedeutung gewinnen. Letztere könnten zum Beispiel als Folien auf das Heck des Autos geklebt werden und leuchten dann von selbst“, sagt Huhn über die Zukunft der Automobilbeleuchtung.
Die Sessions
In den sechs Sessions, die von den einzelnen Forschungseinheiten bespielt wurden, präsentierten Expertinnen und Experten der JOANNEUM RESEARCH ihre aktuellen Projekte. Ziel der Sessions war es, offene Dialoge und Diskussionen zu den jeweiligen Themen zu führen, um den aktuellen Bedarf und die Anforderungen der Wirtschaft und Industrie zu bewerten. Diskutiert wurden folgende Themen: „Innovative Technologien für hoch automatisiertes Fahren – mehr als nur ein ‚Hype‘?“ (DIGITAL), „Licht: was die Zukunft bringt!“ (MATERIALS), „Welche Mobilität für die kohlenstoffarme Wirtschaft und Gesellschaft der Zukunft?“ (LIFE), „Automatisierte Mobilität: Politische, technische und gesellschaftliche Herausforderungen“ (POLICIES), „Robot Mobility, Mobile Manipulation und Sicherheit“ (ROBOTICS) und „Dem Altern auf der Spur“ (HEALTH).
Die Ausstellung
Die Forschungseinheiten präsentieren ihre Erfolgsprojekte: DIGITAL stellte die Plattform ULTRACAM Mustang des Partners Vecxel-Imaging vor und erläuterte die Erhebung und Analyse von hochgenauen Umgebungsdaten für automatisiertes Fahren. MATERIALS präsentierte anhand eines 3D-MEOD-Demonstrators flexible Bedienoberflächen mittels plastisch verformbarer PyzoFlex®-Sensortasten. ROBOTICS war mit mobilen Robotern vor Ort. LIFE präsentierte seinen neuen Standort „Science Tower“, in den das Zentrum für Klima, Energie und Gesellschaft in Kürze übersiedeln wird. POLICIES analysierte Fragen zu Licht und Mobilität und HEALTH erläuterte, wie man sich durch Ernährung jung halten kann. Welche Vorteile eine bewusste Ernährung haben kann, zeigte sich gleich vor Ort, wenn man den ebenfalls ausgestellten Altersanzug probierte.
Neue Kooperationen
Im Pressgespräch anlässlich der Zukunftskonferenz wurde deutlich, wie wichtig landes- und grenzüberschreitende Kooperationen sind. Landeshauptmann Peter Kaiser freute sich über die 15-prozentige Beteiligung des Landes an der JOANNEUM. Das Institut ROBOTICS habe sich innerhalb kürzester Zeit einen etablierten Platz in der Kärntner Forschungsszene erworben. Kaiser betonte auch die Bedeutung der Entwicklung forschungsfreundlicher Rahmenbedingungen. Es gehe darum, die Erkenntnisse und Ergebnisse der Digitalisierung anzuwenden und daraus entsprechenden wirtschaftlichen Nutzen zu generieren – aber auch darum, die passenden Bildungsmöglichkeiten anzubieten: „Politik und Wirtschaft müssen die Menschen an der Hand nehmen und sie behutsam in dieses neue Zeitalter der Digitalisierung führen.
JOANNEUM-Geschäftsführer Wolfgang Pribyl meinte nicht ohne Stolz, dass man eigens für die Zukunftskonferenz einen Audi Q7 mit einem speziellen Vermessungsgerät für die Erfassung von Straßen Wegen bereitgestellt habe. „Damit legen wir eine wichtige Basis für das Straßennetz, die für das autonome Fahren benötigt wird“, so Pribyl, „denn die Grundlage dafür sind sehr gute Karten.“ Audi-Experte Wolfgang Huhn betonte, dass es Aufgabe der Lichtforschung sei, die Sicherheit maßgeblich zu verbessern, etwa bei Nachtfahrten. Dennoch dienen die Lichtquellen auch den speziellen Fahrzeugsignaturen, definieren also auch entscheidende Parameter für das Design eines Autos. Das neue Matrixlicht werde künftig „breitbandig“ auch in weiteren Bereichen zum Einsatz kommen. Nicht zuletzt werde auch der Datenaustausch von Fahrzeug zu Fahrzeug massiv an Bedeutung gewinnen.
Allerding sind in der weltweiten Entwicklung und entsprechenden technologischen Ausrollung durchaus Hürden zu überwinden. „In den USA ist das Matrix-Licht noch nicht erlaubt, es gibt auch keine eigene Industrie dazu dort“, weiß Huhn. Erneut ein Beweis dafür, wie dringend die USA europäische Technologien benötigen.