Wo sehen Sie derzeit den größten Bedarf in der IT-Ausbildung – und welche konkreten Schwerpunkte setzen Sie dazu?
Harald Kainz: Im Kontext von Smart Production oder Industrie 4.0 ist der Bereich Software und Data Management als ein zukunftsrelevantes Stärkefeld und zentrales Innovationspotenzial weiter ausbaufähig. Die TU Graz zählt bereits heute zu den führenden europäischen Forschungs- und Bildungseinrichtungen in Informatik und Software Engineering. Diese Stärke werden wir gemeinsam mit unseren Partnern aus Wirtschaft, Industrie und Academia noch weiter ausbauen. Aufbauend auf vielfältigen TU Graz-Initiativen im Bereich Softwareentwicklung und Data Management in Forschung, Lehre und in der unternehmerischen Ausbildung ihrer Studierenden werden wir unser fakultätsübergreifendes Ausbildungsangebote im Softwarebereich noch erweitern. Gemeinsam mit den beiden Grazer Fachhochschulen starten wir zudem eine gemeinsame Ausbildungsinitiative und vervielfachen das Kursangebot im Bereich Softwareentwicklung, App Entwicklung und Gaming. Zudem entwickelt die Steiermark eine Ausbildungs- und Trainings-Roadmap für den Software Bereich und startet eine Initiative zur Profilsteigerung des Karrierebildes von Software- und Datenspezialistinnen und -spezialisten. Wir unterstützen auch eine einhergehende Ausbildungsoffensive in allen Altersstufen an steirischen Schulen. Schon jetzt stärkt die TU Graz zahlreiche Studierendeninitiativen und -teams und wird zukünftig auch vermehrt Aktivitäten wie Hackathons, App-Challenges oder Codeathons durchführen.
Erfolgsbestimmende Komponente vom Smart Production ist auch der Umgang mit Big Data. Erfahrene Data Scientists können aus gesammelten Daten entscheidende Wettbewerbsvorteile für die Industrie generieren. Mit einer neu geschaffenen FFG-Stiftungsprofessur an der TU Graz gemeinsam mit dem Know-Center und Industriepartnern wird die große Relevanz von Data Science für die Industrie und die smarte Produktion untermauert.
Wie bewerten Sie die internationale Komponente in der Informatikausbildung?
HK: Ein zentrales strategisches Element der TU Graz auf dem Weg zu Österreichs führender Software-Schmiede ist die Internationalisierung im Bereich der Informatikausbildung. Seit dem Wintersemester 2016/17 werden alle Informatik-Masterstudien ausschließlich auf Englisch angeboten. So gelingt es der TU Graz exzellente internationale Studierende und Lehrende nach Graz zu holen und den Austausch mit weltweit führenden technischen Universitäten zu wie dem MIT oder der ETH Zürich zu fördern. Die englischsprachigen Masterstudien erlauben es der TU Graz auch, hochqualifizierte Studierende aus Südosteuropa nach Graz zu locken und so insgesamt die Anzahl der Absolventinnen und Absolventen zu steigern.
Welche Anforderungen werden aus Ihrer Sicht generell an IT- und Digitalisierungs-Experten der nächsten Zukunft gestellt, vor allem im Lichte von Industrie 4.0?
HK: Definiert man smarte Produktion als ein System, das über Digitalisierung und Vernetzung seiner Systemkomponenten, i.e. Auftragsdaten, Material, Produktionsmaschinen, Vorrichtungen, Werkzeuge, Qualitätssicherung und Logistik, intelligent mit den Menschen zusammenarbeitet, so werden Herausforderungen, Chancen und Anforderungen evident, denn: Selbststeuernde, hochflexible, benutzerfreundliche, nachhaltige Produktionssysteme basieren auf dem verlässlichen Zusammenspiel aller Komponenten. Die TU Graz setzt zur wissenschaftlichen Erforschung smarter Produktionssystem und deren Komponenten auf unterschiedliche Ansätze, die sie disziplinenübergreifend beforscht.
Wo liegt hier die konkrete Expertise der TU Graz?
HK: Sicherheit und Verlässlichkeit smarter Produktionssystem sind zentrale Themen. Eine multidisziplinäre Forschungsgruppe widmet sich in einem TU Graz-Leadprojekt der „Verlässlichkeit im Internet der Dinge“ und legt dabei einen zentralen Schwerpunkt auf die smarten Komponenten von Produktionsketten und die Gewährleistung von deren Sicherheit und Verlässlichkeit. Darüber hinaus wird an der TU Graz in einer Forschungs- und Lernfabrik wird die TU Graz demnächst der Einsatz modernster Informationstechnologien zur Flexibilitätssteigerung integrierter industrietypischer Wertschöpfungsketten erforscht. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der TU Graz sowie der Kernbereich des neuen Pro2Future Kompetenzzentrums mit TU Graz-Beteiligung ist es, Produkte und Produktionssysteme mit menschenähnlichen, kognitiven Fähigkeiten wie Wahrnehmen, Verstehen, Interpretieren, Lernen, Schlussfolgern und dementsprechendem Handeln auszustatten. Und nicht zuletzt ist der Umgang mit Big Data eine erfolgsbestimmende Komponente smarter Produktionssysteme. Erfahrene Data Scientists können aus gesammelten Daten entscheidende Wettbewerbsvorteile für die Industrie generieren.