„Cross-Virtuality Analytics“ – ein Begriff, den man sich merken sollte. Dahinter verbirgt sich eine völlig neue Qualität der visuellen und räumlichen Wahrnehmung von Daten, aber auch eine enge Zusammenarbeit bzw. Symbiose zwischen Mensch und Algorithmus. Das soll bei Analyse, Modellbildung und Erkennung von Trends unterstützen sowie dabei helfen, Muster oder auch „Ausreißer“ rascher zu erkennen. Als naheliegende perspektivische Anwendungsgebiete ergeben sich für dieses Konzept datengetriebene Produktionsplanung, -steuerung, -optimierung und Qualitätssicherung, die sich damit grundlegend verbessern lassen. Auch die Entwicklung und Implementierung neuer digitalisierter Prozesse und Geschäftsmodelle könnte so sich erleichtern lassen.
„Generell werden im industriellen Umfeld, aber auch darüber hinaus, Datenanalysen immer wichtiger“, ist Christoph Anthes, Professor of Augmented and Virtual Reality und Head of Research Group "Human Interfaces and Virtual Environments" (HIVE) an der FH Oberösterreich überzeugt. Wobei diese Analysen üblicherweise nicht durch einzelne Expert*innen, sondern über Kollaboration entstehen. Auch die eingesetzten digitalen Tools und Devices sind in der Regel sehr vielfältig: Displays, Desktopsysteme, Handhelds, Smartphones, ja selbst noch Papier und Notizblöcke dienen als Austauschplattformen. Oftmals kommen auch 3D-Visualiserung, Augmented Reality oder Virtual Reality zum Einsatz. „In der Regel werden diese Systeme aber relativ isoliert voneinander verwendet“, weiß Anthes, „wir wollen Möglichkeiten finden, wie man einzelne Medien und Darstellungen in einem Mixed Reality Continuum miteinander verbinden kann – sowohl real als auch virtuell. Es soll möglich sein, nahtlos zwischen den Medien und Visualierungswelten zu wechseln. Das würde ganz neue Ansätze in der Collaboration ergeben und das Tempo im Prozess erhöhen“, ist Anthes überzeugt.
Benutzer-zentrierte Methoden im Fokus
Dazu arbeitet er mit einem Team der FH Oberösterreich an mehreren Standorten am Projekt X-PRO, das sich der Erforschung und Entwicklung benutzer-zentrierter Methoden für Cross-Virtuality Analytics von Produktionsdaten widmet. Ziel ist es, nicht nur neue Methoden der Informatik zu entwickeln und erforschen, die eine völlig neue Qualität der Mensch-Computer-Interaktion bei der interaktiven visuellen Analyse bieten. Es soll auch machbar werden, große Daten beispielsweise aus einem Produktionsumfeld plattform- und dimensionsübergreifend miteinander zu kombinieren und dann nahtlos zwischen den Medien zu wechseln, etwa vom zwei- in den dreidimensionalen Raum. „Aus dem Display heraus einen Datensatz in den 3D-Raum herausziehen“, beschreibt das Anthes.
Eine spannende Überlegung, die noch einiger Forschungsleistungen bedarf. Denn noch sind die dazu nötigen Übergänge nicht realisiert. „Es gibt Lösungen für 2D und 3D und Darstellungsmethoden in unterschiedlichen Problemfeldern“, meint Anthes, „aber schon allein die Displaygröße bietet Limitationen, während in der Virtual Reality extrem große Blickfelder verwenden werden.“ Die logische Folge: Oftmals entstehen beim Datenexport perspektivische Verzerrungen, die eine seriöse Analyse schwieriger und zeitaufwendiger machen.
Dimensionswechsel unter einem Dach
Das Forschungsteam setzt auf bereits vorhandenem Wissen aus früheren Projekten auf. „Wir wollen nicht die Welt neu erfinden, aber die bestehenden Möglichkeiten besser nutzen und vor allem unter ein Dach stellen“, erklärt Anthes, „die Verknüpfung und die vollumfängliche Darstellung auf allen Devices und Dimensionen soll eine bessere Orientierung geben und Prozesse nachhaltig beschleunigen und verbessern.“ Beispiel: Mit einer VR-Brille kann man fließend von der Realität in die Datenbrille hineinwechseln. „Man sieht also die virtuellen Netze im Raum, bleibt aber auch in der realen Welt“, sagt Anthes, „man kann ein Gespräch führen, auf einem Display etwas verfolgen und fließend zwischen Virtualität und Realität wechseln. Man greift auf das reale Display zu und extrudiert gleichzeitig aus dem Display Daten – und dabei sieht man stets das Display und kann parallel das Netzwerk virtuell einfangen, ohne ein eingeschränktes Blickfeld zu haben.“ Übrigens soll sich das Konzept künftig nicht nur auf lokale Präsenzen beziehen. „Vor allem im Bereich der Telekooperation sehen wir hier spannende Anwendungsbereiche“, ist Anthes überzeugt. Wobei ihm wichtig ist zu betonen, dass die FH Oberösterreich nicht an einer Produktentwicklung an sich arbeitet. „Wir wollen sicherstellen, dass offene Fragestellungen gelöst werden. Hier geht es darum, den Übergang nicht nur zu realisieren, sondern ihn nutzerfreundlich und vernünftig zu gestalten.“ Mögliche direkte Anwendungsfelder hat das Team der FH Oberösterreich auch schon ausgemacht: Derzeit laufen Tests in den Bereichen Werkstoffprüfung sowie Graphen-Netzwerk-Daten und Verbindungen zu individuellen Prozessen im Produktionsumfeld – gerade im Industrieland Oberösterreich ein bedeutendes Thema.