AI: Sie beschäftigen sich besonders mit Hochschulforschung- und Hochentwick-lung. Wie gut ist die FH OÖ im Bereich Geschlechtergerechtigkeit aufgestellt?
Martina Gaisch: Ich bin Professorin an der IT-Fakultät in Hagenberg, eingebettet im größten Softwarepark des deutschsprachigen Raums. Wir bieten 22 Studiengänge in der Informatik an und haben bei unseren Studierenden einen sehr guten Frauenanteil von über 30 Prozent, verglichen zum Durchschnittswert von 18 Prozent. Das liegt zum einen an der breiten Ausrichtung in Hagenberg, die neben Informatik auch auf Kommunikation und Medien setzt, zum anderen an den vielen Gender- und Diversity-Initiativen, um alle Studierenden an der Fakultät zu vermitteln, dass sie bei uns herzlich willkommen sind. Hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit bei den Professuren ist generell noch viel Luft nach oben. Während es im deutschsprachigen Raum in den Geisteswissenschaften immerhin 40 Prozent Frauen gibt, erweisen sich die Ingenieurwissenschaften mit unter 15 Prozent Frauen als Schlusslicht. Leider zeigt sich auch an der FH Oberösterreich ein sehr ähnliches Bild.
AI: Wie sind Sie eigentlich auf diesen Forschungsbereich gestoßen?
Gaisch: Während meines Studiums der Translationswissenschaften in Graz habe ich auch einige Semester im Ausland gelebt – in Edinburgh, Valenciennes, Montreux und Paris. 2009 begann ich als Englischlehrende an der FH Hagenberg, übernahm dann 2016 die wissenschaftliche Leitung für Diversity Management und konzipierte 2022 den Bachelorstudiengang „Design of Digital Products“. Meine Forschungsschwerpunkte sind ähnlich bunt wie meine Biografie. Aktuell absolviere ich gerade einen Universitätslehrgang zu Wirtschaftsethik und nachhaltiger Führung. Interdisziplinär zu forschen, hat den Vorteil, dass sich gemischte Teams oft bereichern und männerdominierte technische Bereiche von den Perspektiven anderer Disziplinen und Geschlechter profitieren.
Victoria Rammer: Nach meinem Studium im Bereich der Kommunikation und kreativen Technik habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FH OÖ im Bereich der Hochschulforschung und -entwicklung begonnen. Vor allem das Thema Frauen in MINT ist für mich über die Jahre hinweg zu einem Herzensprojekt geworden.
AI: Woran liegt es, dass noch immer so wenig Frauen in diese Bereiche gehen?
Rammer: Selbstzweifel und Versagensängste spielen gerade bei jenen Mädchen, die Interesse an einer MINT-Ausbildung haben, eine große Rolle. Fehlende Wertschätzung, Abraten durch Personen aus dem Umfeld und veraltete, aber immer noch fest verankerte Rollenbilder und Stereotype geben ihnen oftmals einen definierten Pfad in für Frauen geschaffene, soziale und kommunikative Bereiche vor. Dass MINT sehr viel mit Kreativität, Innovation und Kommunikation zu tun hat und eine große gesellschaftliche Relevanz hat, wird den jungen Frauen oftmals nicht aufgezeigt. Mit unserem Projekt MINT your Future versuchen wir unter anderem genau diese Stereotype aufzubrechen, Frauen aus dem MINT-Bereich vor den Vorhang zu holen, um so nahbare Vorbilder zu schaffen.
Gaisch: Ein interessantes Finding war auch, dass sich hinsichtlich weiblicher Role Models im MINT-Bereich zwar einiges getan hat, aber dass die Karrieren dieser Frauen meist unerreichbar scheinen. Es braucht also authentische Identifikationsfiguren, die Mathematikerin von nebenan, die IT-Projektkoordinatorin, es muss nicht immer rocket science sein!