Die Breite der Themenfelder, in denen der FWF tätig ist, zeigt sich bereits an zwei Beispielen. Alice Vadrot beschäftigt sich mit Biodiversität. Hier arbeitet und forscht sie an der Schnittstelle Wissenschaft und Politik. Vadrot wird im Rahmen ihres ERC Projekts „The Politics of Marine Biodiversity Data: Global and National Policies and Practices of Monitoring the Oceans“ (MARIPOLDATA) Verhandlungen über ein Abkommen zum Schutz der Hohen See nutzen, um das Zusammenspiel von Macht und Wissenschaft in der internationalen Umweltpolitik zu erforschen. Trotz vorhandenen wissenschaftlichen Wissens über die dramatischen Folgen von Meeresverschmutzung, Klimawandel und Überfischung für die marine Biodiversität einigte sich die internationale Staatengemeinschaft erst im April 2018 auf die Etablierung eines neuen Abkommens, in dem man sich bis 2020 auf die Errichtung von Meeresschutzgebieten und in Fragen geistiger Eigentumsrechte an genetischen Ressourcen und des Zugangs zu wissenschaftlichen Daten und Forschungstechnologien einigen möchte. Vadrot entwickelt in ihrem Projekt einen neuen multiskalaren und interdisziplinären Ansatz, der ihr erlaubt, die (geo-)politische Rolle globaler und nationaler Forschungs- und Dateninfrastrukturen zu erforschen und das Ineinanderwirken von Wissenschaft und Politik im Zeitalter der Digitalisierung neu zu denken. Für sie ist der FWF auf diesem Weg eine wichtige Unterstützung. „Das Vertrauen des FWF in meine Arbeit war sehr wichtig“, sagt Vadrot, die von 2015 bis 2018 Erwin Schrödinger Stipendiatin des FWF war und während ihres zweijährigen Forschungsaufenthalts am Centre for Science and Policy an der University of Cambridge inhaltliche und methodologische Ansätze ihres künftigen ERC-Projekts erforschte.
Zukunftskollegs zeigen Wirkung
Ein schönes Beispiel für die weitreichende Wirkung der FWF-Aktivitäten ist auch die Arbeit von Muammer Ücal, Medizinische Universität Graz. 2018 bewilligte der FWF Projekte im Umfang von 13 Mio. Euro für innovative und fächerübergreifende Zusammenarbeit hervorragender Nachwuchswissenschaftler*innen – die Zukunftskollegs (ZK). In diesem Programm, das gemeinsam mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) entwickelt wurde, arbeiten Nachwuchstalente (Postdocs) in kreativen Teams fachübergreifend zusammen. Die Zukunftskollegs werden für eine Periode von maximal vier Jahren mit durchschnittlich 1,9 Millionen Euro pro Team aus Mitteln der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung (NFTE) und Mitteln des FWF gefördert. Das Projekt „LOGOS-TBI: Licht-kontrollierte organische Halbleiter-Implantate bei SHT“ wird von Muammer Ücal koordiniert und in Partnerschaft mit der TU Graz durchgeführt. Hierbei geht es um die Behandlung von Schädel-Hirn-Traumata. Ein Schädel-Hirn-Trauma ist eine Verletzung neuronaler Strukturen im Gehirn aufgrund von äußerer Krafteinwirkung. In den vergangenen Jahren wurde die elektrische Stimulation von Nerven getestet, um verlorengegangene synaptische Verbindungen im Gehirn zu ersetzen und die Regeneration eines neuronalen Netzwerkes anzuregen. Derzeitige Methoden der Elektrostimulation benötigen jedoch eine umfassende Verkabelung oder eine genetische Modifikation im Gehirn. In diesem Projekt soll ein grundlegend neues Konzept entwickelt werden, um Nervenzellen mit lichtaktiven Halbleiterstrukturen (sog. Photocaps) zu stimulieren. „In unserem Team finden sich sehr unterschiedliche Kompetenzen“, beschreibt Ücal die Interdisziplinarität der Forschungsgruppe. Die Zukunftskollegs sind für ihn ein wichtiger Schritt in der wissenschaftlichen Karriereplanung. Übrigens zeigte Ücal einige Hartnäckigkeit, denn sein Projekt wurde erst nach mehreren Anläufen bewilligt. Was weniger an der Qualität seiner Arbeit liegt, sondern daran, dass der FWF mehr Mittel benötigen würde, um alle Anfragen und förderungswürdigen Projekte unterstützen zu können.
Mehr Geld wäre nötig
2018 hat der FWF 684 Projekte mit einem Volumen von 231 Mio. Euro gefördert, das ist ein Plus von 6,5 Prozent gegenüber dem Jahr davor. Doch es wäre mehr möglich mit einem noch größeren (politischen) Bekenntnis zur Grundlagenforschung. FWF-Präsident Klement Tockner betont in diesem Zusammenhang die hohe Hebelwirkung von im Wettbewerb vergebener Mittel. Nur auf diese Weise könne man höchste Qualität garantieren und Österreich als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort an die Weltspitze heranführen. „Unabhängige Studien belegen eindrucksvoll den höheren Output von Forschungsprojekten, die über den Wettbewerb finanziert werden“, so Tockner. Die Qualität der vom FWF geförderten Projekte sind auf Augenhöhe mit Innovation Leadern wie Schweden oder Israel. Aktuelle Zahlen weisen dem FWF eine hervorragende Input-Output-Wirkung aus: „Mit zwei Prozent aus den gesamten F&E-Ausgaben entstehen 50 Prozent der österreichischen Top-Publikation. Besser kann man einen Euro nicht einsetzen“, betont Tockner. Der FWF-Präsident weist auf auch auf den internationalen Wettbewerb um die besten wissenschaftlichen Talente hin. Es müsse gelingen, die besten Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher sowie die vielversprechendsten Nachwuchstalente zu gewinnen, zu fördern und mit ausreichend Mitteln auszustatten. Dieser aufstrebenden Generation müsse man die bestmögliche Perspektive geben – sonst ziehen sie weg.