Zur MIT Europe Conference 2023 unter dem Titel „A Changing World. How Technology Tackles Global Challenges”, die Ende März in der WKO in Wien abgehalten wurde, kamen heuer besonders spannende Forscher*innen. Sie präsentierten aus ihren Labors an der renommierten US-Universität Massachusetts Institute of Technology teils sensationelle technologische Entwicklungen. Und das nicht nur in den Vorträgen auf der Bühne, sondern auch in vertiefenden Sessions, die besonders zum Know-how-Transfer für Technologie-expert*innen und Unternehmer*innen gedacht waren.
Nachhaltigkeit, Biochemie und Energie
Im Fokus standen die Themen Nachhaltigkeit, Energie und Ernährung. John Fernandez, Professor of Building Technology, Department of Architecture, sprach etwa über „Building Technology“ und deren Aufgabe in Zeiten des Klimawandels. David Hardt, Professor and Director der Center for Science and Technology Policy, möchte gar das große Problem der Obdachlosigkeit lösen, von der weltweit Abermillionen Menschen betroffen sind. Seine Idee ist, auf Basis von recyceltem Plastik sehr günstige Häuser zu produzieren. Insbesondere dient das Plastik auch als sehr gut geeignetes Material für Fundamente.
Mit Ariel Furst, eine 34-jährige Chemikerin, die eine eigene Laborgruppe mit 24 Mitarbeiter*innen am MIT Department of Chemical Engineering leitet, hat Austria Innovativ ein Gespräch geführt. Sie beschäftigt sich besonders mit der Biochemie von Mikroben. „Wir sehen Mikroben als winzig kleine chemische Fabriken, die es im Grunde ermöglichen, alles herzustellen, was Sie wollen“, so die Forscherin.
Programmierbare Mikroben
Furst will damit eine universelle, sehr kostengünstige Plattform zur Diagnose allmöglicher Krankheiten entwickeln. Dazu dienen Mikroben mit besonderen elektrischen Eigenschaften, die im Lake Oneida im Bundesstaat New York entdeckt wurden. Sie werden biotechnologisch bearbeitet und können mittels Genschere (Cas9) als rasche, sehr kostengünstige Home-Tests einsetzt werden. In Laborversuchen haben sie sich als Sensoren für HPV schon bewiesen. Künftig sollen nur münzgroße Home-Tests alle möglichen Krankheitserreger wie etwa Grippe- und Coronaviren hochpräzise und schnell detektieren können. Benötigt wird nur die DNA bzw. RNA einer Virusprobe, die auf einem Mem-branprotein der Mikroben eingeschleust wird. Die Mikroben dienen quasi als beliebig programmierbares Biogerüst, das künftig für viele weitere Aufgaben eingesetzt werden kann. Der erste HPV-Test wurde auf einer Blattgold-Elektrode aufgebracht. Wenn nun eine positive Probe auftrifft, ergänzt es diese Guide-RNA und gibt ein elektrochemisches Signal ab, das die Infektion anzeigt.
Medizin für alle
Das Potenzial dieser neuen Methode ist riesig. Die Tests sollen nur 50 Cents kosten, sind rasch herstellbar und können einfach selbst angewandt werden. Damit können endlich auch Menschen in armen Regionen, die deutlich stärker von lebensbedrohlichen Infektionen wie etwa HPV oder HIV betroffen sind, eine entsprechende medizinische Vorsorge erhalten. Die ersten Tests sollen, dank Unterstützung des National Instituts of Health, der medizinischen Forschungsagentur der USA, schon in ein einem Jahr auf den Markt kommen. Die Forschung zum neuen medizinischen Diagnose-Test-System wurde ins gut geförderte NIH-Redox-Programm (Redox Biology Interest Group) aufgenommen.
Mikroben für die Umwelt
Die Mikroben sollen aber noch weit mehr ermöglichen. Etwa die Entwicklung von Antibiotika und mikrobiellen Brennstoffzellen. Besonders die Forschung im Umwelt- und Energiebereich wird aktuell in den USA sehr stark unterstützt. „Als wir mit den Mikroben angefangen hatten, lag der Anteil der Forschung auf ungefähr 90 Prozent Gesundheit. Nun liegt der Umweltanteil schon bei 70 Prozent“, so Furst. So werden die elektroaktiven Mikroben zum Aufspüren von Schadstoffen eingesetzt, während wiederum andere Mi-kroben Schadstoffe abbauen.
Sehr spannend ist auch eine weitere Entwicklung des Furst-Lab. Damit lebende Biotherapeutika auch wirklich an den Ort im menschlichen Körper gelangen, wo sie wirken sollen, wurde eine Schutzschicht für Mikroben entwickelt. Damit ist nicht nur der Einsatz viel effektiver, sondern die geschützten Biotherapeutika können auch bei weniger Kühlung gelagert und geliefert werden.