Krieg in Europa, Hungerkrisen, Umweltkatastrophen und andere Hiobsbotschaften beherrschen die Schlagzeilen und schüren ein Gefühl der Angst und Unsicherheit. Doch die Krisen enden nicht an den Grenzen der Weltpolitik. Und wer denkt, dass die Lösung solcher Spannungen nur den politischen Eliten vorbehalten ist, irrt gewaltig. In Wahrheit lauern die gefährlichsten Konfliktherde oft direkt vor unserer Nase – auch in unserem privaten Umfeld und in Unternehmen brodelt es ständig.
Spannungen und Konflikte sind allgegenwärtig und sie fordern Führungskräfte heraus, weit mehr als nur ihre fachlichen Fähigkeiten einzusetzen. Ihre innere Haltung, Lebensphilosophie und Überzeugungen werden zum entscheidenden Faktor dafür, ob sie Konflikte meistern oder daran scheitern.
Spiegelbild von Einstellungen und Glaubensgrundsätzen
Konflikte am Arbeitsplatz sind keine Seltenheit – sie sind allgegenwärtig – und oft genauso unausweichlich wie das tägliche Meeting. Jeder spürt es, doch nur wenige sprechen es offen aus: Der Schlüssel zur Lösung liegt im Führungsverhalten der Vorgesetzten. Ihre Herangehens-weise bestimmt, ob Spannungen überhaupt entstehen, ob sie eskalieren oder konstruktiv gelöst werden.
Das Führungsverhalten ist ein Spiegelbild der tief verwurzelten Einstellungen und Glaubensgrundsätze, die im Charakter der Führungskraft verankert sind. Moralische und ethische Werte sowie die Grundeinstellung gegenüber anderen Menschen spielen dabei eine entscheidende Rolle. In der Praxis begegnen sich hier, unter einer Vielzahl von Führungsstilen und ihren Mischformen, zwei gegensätzliche Extreme: der kooperative und der autoritäre Führungsstil. Doch zwischen diesen beiden Polen gibt es einen entscheidenden Faktor, der die Dynamik am Arbeitsplatz maßgeblich prägt: der Umgang mit der Macht. Denn nur wer die Macht verantwortungsvoll nutzt, schafft eine Atmosphäre des Respekts und der Zusammenarbeit, die für das Wohlbefinden der Mit-arbeiter und den Erfolg des Unternehmens unerlässlich sind – die Konzepte von „overpower/under-power“ und „personal power“ spielen dabei eine zentrale Rolle.
Toxische Effekte von Machtkonzepten
Bei Menschen, die im „overpower/underpower“-Modus ticken, sind Machtverhältnisse häufig von einer klaren Hierarchie geprägt. Im „overpower“-Modus strebt man danach, sich in eine dominante Position zu bringen, um andere zu kontrollieren und sie in eine untergeordnete Rolle zu drängen und dort zu halten. Dies kann durch Manipulation, Isolation, Abwertung, das Erzeugen von Angst und Schuldgefühlen oder durch Zwang, Drohungen und Druck geschehen. Die Führungskraft versucht hier, ihre Macht zu maximieren, indem sie ihre Mitarbeiter unterdrückt.
Wo Übermacht herrscht, findet sich zwangsläufig Ohnmacht auf der anderen Seite. „overpower“ steht dabei „underpower“ als Gegenpol gegenüber. Im „underpower“-Modus befindet sich eine Person in einer unterdrückten und untergeordneten Position, in der sie wenig Einfluss und Kontrolle über ihre Situation hat, was zu einem Gefühl der Machtlosigkeit führt. Dieses Gefühl kann unterschiedliche Reaktionen hervorrufen, abhängig von der Persönlichkeitsstruktur sowie der Intensität der Unterdrückung und den verfügbaren Möglichkeiten. Die betroffene Person könnte entweder versuchen, sich gegen die übergeordnete Autorität aufzulehnen und selbst Macht zu erlangen oder sie fügt sich aus taktischen Gründen vorübergehend oder aufgrund von Resignation und Hoffnungslosigkeit dauerhaft in ihre untergeordnete Rolle.
In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass Personen, die früher selbst unterdrückt wurden und die es in eine Machtposition schaffen, oft noch brutaler und despotischer mit ihren Mitarbeitern umgehen, als sie es jemals selbst erlebt haben. Statt aus dem erlittenen Unrecht zu lernen und mit Empathie und Menschlichkeit zu führen, neigen sie dazu, noch tyrannischer zu agieren als ihre früheren Vorgesetzten.
Kultur des wechselseitigen Respekts
Im krassen Gegensatz dazu steht „Personal Power“ für einen ausgewogenen und respektvollen Umgang mit Macht. Führungskräfte, die diese Form der Macht nutzen, handeln auf Augenhöhe. Sie verspüren keinen Drang, andere zu beherrschen, lassen sich aber selbst auch nicht dominieren. Sie schaffen eine Kultur des wechselseitigen Respekts, in der Mitarbeiter Unterstützung erfahren und aktiv zur Zusammenarbeit beitragen. Macht dient hier nicht der Kontrolle, sondern wird als Instrument gesehen, um Eigenverantwortung zu stärken und gemeinsame Ziele zu erreichen.
Es ist daher wenig überraschend, dass die Einstellung zur Macht eng mit dem Führungsstil verknüpft ist. So findet man den kooperativen Führungsstil häufig bei Personen, die in ihrer „personal power“ agieren, während autoritäre Führungspersonen eher das Konzept des „overpower“ verinnerlicht haben.