Strategien zur Dekarbonisierung der Industrie, zum Ausbau erneuerbarer Energien und für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft: Man hatte sich viel vorgenommen beim „OÖ Zukunftsforum“ Anfang März. 400 Interessierte waren der Einladung der Standortagentur Business Upper Austria in die voestalpine Stahlwelt in Linz gefolgt, um sich in das dichte Programm von rund 45 Fachvorträgen und Workshops einzubringen. Insbesondere die Session Industrie & Produktion hatte es „in sich“. Hier stellte sich wiederum heraus, dass das Hebelpotenzial von Kunststoffrecycling noch stark unterschätzt wird. Aktuell wird hierzulande zudem nur rund ein Drittel der alljährlichen 300.000 Tonnen Plastikmüll recycelt. Mit dieser Quote schneidet Österreich im EU-Vergleich schlecht ab, weswegen der Staat bislang schon 220 Millionen Euro „Plastiksteuer“ zahlen musste.
© Fotos: Hai Gruppe, Roland Pelzl
Ideen zur Nachhaltigkeit
Von Lebenszyklusanalysen über das Recycling von Aluminium und Kunststoff bis hin zur CO2-freienIndustrie: die Kreislaufwirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele.
Ohne Kunststoff keine Klimawende
Welchen Hebel nachhaltige Maßnahmen gerade in der Industrie tatsächlich haben können, verdeutlicht allein der Umstand, dass die heimische Industrie zwar das wirtschaftliche Rückgrat unseres Landes bildet, diese aber 37 Prozent des österreichischen Primärenergiebedarfs benötigt und ein Drittel der CO2-Emissionen verursacht.
„Ohne Kunststoff keine Klimawende“ – diese steile These stellte CEO Manfred Hackl von der EREMA Group in seinem Vortrag auf. Dem Erfinder zufolge können Kunststoffe in einem funktionierenden – also geschlossenen – Kreislaufwirtschaftssystem dazu beitragen, Treibhausgase zu reduzieren. Dieses Konzept zielt darauf ab, Abfall zu minimieren und Ressourcen immer wieder zu nutzen. Hackl räumte ein, dass die Kunststoffindustrie in der Vergangenheit nur linear gedacht und gehandelt habe, und dabei wurde versäumt, Kunststoff als „Wertstoff“ in der Gesellschaft imagemäßig zu verankern.
Die prämierte EREMA-Technologie bereitet Abfälle zu hochwertigen Kunststoffpellets (auch „Recyclat“) auf, die das Ausgangsmaterial für neue Produkte bilden. Manfred Hackl wurde übrigens 2019 für diese Innovation mit dem Europäischen Erfinderpreis von Patentamtspräsidentin Mariana Karepova ausgezeichnet.
Kreislaufwirtschaft
Der Kreislaufgedanke findet auch im Aluminiumbereich Eingang, so lebt die HAI-Gruppe das Pareto-Prinzip. Dazu Chief Operating Officer Markus Schober: „Für unsere Produkte benötigen wir nur 20 Prozent Primärmetall. Die restlichen 80 Prozent sind recyceltes Aluminium.“ Indem Aluminiumschrott aus allen Produktsegmenten effizient recycelt werde, leiste man am Hauptsitz in Ranshofen in Oberösterreich seinen Beitrag zur Klimaneutralität – tatsächlich entstehen die meisten Emissionen in der Aluminiumindustrie bei der Herstellung von Primäraluminium.
Aber auch bei der Herkunft des notwendigen Primäraluminiums schaut die HAI-Gruppe auf Nachhaltigkeit und bezieht von einem isländischen Partner sogenanntes Natur-AI-Low-Carbon-Aluminium, das mit Energie aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen hergestellt wird.
Auf die Frage, ob der Transport die Energiebilanz nicht verzerre, antwortet Schober: „Der Transport wird im Zuge der LCA-Bewertung (Anm.: das ist die Kalkulation des CO2-Fußabdruckes; LCA – Life Cycle Assessment steht für Lebenszyklusanalyse) natürlich mitberücksichtigt und hat einen erheblichen Einfluss. Gerade hierbei zeigen sich auch enorme Reduktionsmöglichkeiten, wenn die Vormaterialien nicht rund um die halbe Welt gehen und die gesamte Lieferkette betrachtet wird. Nachhaltiges Supply Chain Management ist hier die Devise.“
Die von der EU vorgegebenen Klimaziele sieht Schober nichtsdestotrotz als „extrem ambitioniert“. Schon jetzt steige der Druck auf die Unternehmen, mehr in Nachhaltigkeit zu investieren. Deshalb setzt die HAI-Gruppe auf bekannte Zertifizierungen wie ASI, die dem Unternehmen quasi ein „grünes“ Zeugnis ausstellt, mit dem man sich vom Mitbewerb abheben kann.
LCA-Analyse zum Umweltnutzen
Eine Lebenszyklusanalyse fließt bei Fronius schon bei der Produktentwicklung ein. In unzähligen Einzelschritten wurde beispielsweise der Hybridwechselrichter GEN24 Plus zerlegt und selbst für die kleinsten Bauteile ein CO2-Fußabdruck ermittelt – ein Jahr lang analysierte das weltweit in den Bereichen Schweißtechnik, Photovoltaik und Batterieladetechnik tätige Unternehmen gemeinsam mit dem externen Nachhaltigkeits-Experten Harald Pilz, Geschäftsführer der Consulting- und Mediationsfirma „together for tomorrow“. Dabei zeigte sich, dass schon in den Bauteilen ein großer Carbonfootprint steckt.
Unter anderem deshalb lege man bei Fronius großen Wert auf die sortenreine Trennung beim Recycling, betont David Schönmayr, Leiter des Programmes „Sustainability by Design“: „Die GEN24 Plus-Wechselrichter wurden so konzipiert, dass sie in nur 5,5 Minuten in ihre wesentlichsten Teile zerlegt werden können. Die Demontage und das Recycling des Alu-Kühlkörpers, der Wandhalterung, des EMV-Deckels, und der Kunststoffgehäuse erzeugen den größten Nutzen.“
Apropos Nutzen: Der Umweltnutzen der gesamten LCA überstieg laut Schönmayr den Aufwand um das 26-fache. Ein weiterer großer Hebel für die Nachhaltigkeit ist der Recycling-Anteil im Alu-Kühlkörper. Bei den Fronius GEN24 Plus- Wechselrichtern wird dafür 100 Prozent rezykliertes Aluminium verwendet. Kurzum: Alle in der Lebenszyklus-Analyse modellierten Reparaturvorgänge erzeugen einen höheren Umweltnutzen gegenüber einem frühzeitigen Austausch des gesamten Wechselrichters. Die LCA-Analyse wurde von Fraunhofer IZM (Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration) geprüft und zertifiziert. Dazu Prüfer Karsten Schischke an: „Die Analyse war für uns sehr erkenntnisreich, da sie viele Facetten beleuchtet hat, die in anderen Ökobilanzen häufig vernachlässigt werden.“
Carbon Capture and Utilization
Weitere Themen beim OÖ Zukunftsforum waren etwa das EU-geförderte Projekt H2FUTURE (siehe auch S. 24). Hier erforschen voestalpine, Verbund, Siemens, Austrian Power Grid und TNO die industrielle Produktion von „grünem Wasserstoff“, der langfristig fossile Energieträger in der Stahlproduktion ablösen soll. Das Thema „Carbon Capture and Utilization“ (CCU) – also wie CO2 nach dessen Abscheidung sinnvoll weiterverwendet werden kann – beherrschte die abschließende Podiumsdiskussion des OÖ Zukunftsforums. Für Helmut Leibinger, Leiter Anlagen- und Verfahrenstechnik des Zementherstellers Rohrdorfer, ist CO2 ein „Wertstoff, der zum Beispiel in Kombination mit Wasserstoff tolle Produkte“ hervorbringen könne. Die notwendigen Technologien dafür würden existieren, meinte Leibinger, und er sieht darin „ein gutes Beispiel und eine reelle Chance, wie Kreislaufwirtschaft in der heimischen Industrie“ gelingen kann.
Das Resümee von Werner Pamminger, Geschäftsführer vom Veranstalter Business Upper Austria: „Wir gehen aus dem OÖ Zukunftsforum 2022 voller neuer Ideen, mit vielen neuen Kontakten – und nicht zuletzt auch in optimistischer Grundstimmung.“
Weitere Informationen unter:www.biz-up.at/ooe-zukunftsforum-202
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