Politik Wirtschaft
Credit: Alfred Bankhamer
Dorfertal: Aus einem Konflikt rund um die Nutzung des Wassers entstand 1991 die Tiroler Region des Nationalparks Hohe Tauern. Zum Glück für spätere Generationen.
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Nationalpark Hohe Tauern

Heiß umkämpfte Urkraft

Credit: Alfred Bankhamer
Carl Manzano, früher Nationalparkdirektor der Donau-Auen und Ferdinand Lainer, stellvertretender Nationalparkdirektor Salzburg sind überzeugt: Konflikte um die energiewirtschaftliche Nutzung und Erhaltung der Natur haben die politische Landschaft in Österreich verändert und mehr Bewusstsein für die Umwelt geschaffen.
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Credit: Kai Felmy
Gewässermanagement mal anders.
Credit: Kai Felmy

Wasser prägt unsere Landschaft und ist oft heiß umkämpft. Eine Exkursion in den Nationalpark Hohe Tauern zeigt – besonders in Zeiten der Klimaerwärmung – die neuen Herausforderungen mit Gletscherbächen.

Ein Wanderbericht von Alfred Bankhamer

Ein nächtliches Gewitter hat im Obersulzbachtal seine Spuren hinterlassen. Der Weg ist mit großen Steinblöcken und Schlamm versperrt, ein Weiterkommen mit dem Bus des Nationalparks Hohe Tauern unmöglich. Für Ferdinand Lainer, stellvertretender Nationalparkdirektor Salzburg, und Hüttenwirt Ernst Pichler, der gerade am Weg zur Postalm war, sind solche Naturereignisse nichts Besonderes. „Das passiert öfters im Jahr“, so Pichler. Die Schubraupe ist schon am Weg, um die Tonnen an Geröll weiter Richtung Bach zu befördern. Muren und Lawinen gehören in den engen Tälern zum natürlichen Ablauf. Doch der in den Alpen stark spürbare Klimawandel, der im Tal etwas weiter hinten auch zum Auftauen von Permafrostböden sorgt, verstärkt die Naturereignisse. Vor ein paar Jahren sorgte etwa ein Hangrutsch im Obersulzbachtal für Aufsehen, der glücklicherweise nicht zu einer großen Katastrophe geführt hatte. Nicht auszudenken, wenn sich hier die großen Wassermengen des Gletscherbaches gestaut hätten und auf einmal ins Tal gerauscht wären.

Zum Thema der Exkursion „Wildes Wasser – Heiß umkämpfte Urkraft der Natur“, zu der Nationalparks Austria, die Dachorganisation aller sechs Nationalparks in Österreich, geladen hat, passt die Mure eigentlich ganz gut. Auch wenn somit der erste Punkt des Besichtigungsprogramm mit den nächtlichen Regenmengen quasi den Bach runtergegangen ist. Die nächtlichen Regenmengen, gepaart mit Gletscherwasser, gelangen nun über die Salzach in die Donau, passieren den Nationalpark Donauauen und fließen schließlich ins Schwarze Meer. Ein paar Tropfen werden sicherlich irgendwann auch wieder dank Verdunstung, Wind und Wetter in der Venedigergruppe in den Hohen Tauern landen. So nimmt der ewige Kreislauf des Wassers seinen Lauf.

Leben und Zerstörung

Wasser gilt als die Essenz des Lebens. Im Wasser ist das erste Leben entstanden und aus ihm bestehen wir zu 70 Prozent. Rund 72 Prozent der Erde sind mit dem Urelement bedeckt. Und die Kraft des Wassers hat große Teile unserer Landschaft – sei es durch die riesigen Eismassen der Eiszeit oder durch Flüsse – geformt. Auf der Exkursion zeigt sich zuerst besonders die zerstörerische Kraft. Die natürliche Wegblockade wird gleich für eine kurze Einführung zum Nationalpark Hohe Tauern, dem ältesten Nationalpark Österreichs, genutzt. Dieser wurde wie viele andere Naturschutzgebiete maßgeblich aus einem Konflikt ums Wasser geboren: Ohne den Kampf engagierter Menschen gegen Großwasserkraftwerke, für die in den Alpen ganze Täler aufgestaut und zahlreiche Gletscherbäche abgeleitet worden wären, würde der 1981 gegründete Nationalpark Hohe Tauern zumindest in der heutigen Form nicht bestehen. Statt Almen und Täler mit saftigen Wiesen und plätschernder Bäche würden „Steinwüsten“ die Landschaft dominieren. „Letztlich hat sich aber der Naturschutz durchgesetzt“, so Lainer. Das gleiche gilt etwa auch für den Nationalpark Donau-Auen. Als hier die Bagger im Dezember 1984 zur Rodung anrückten und die Bilder von 800 Polizeikräften durch die Medien gingen, die teils mit Schlagstöcken gegen rund 3.000 Demonstranten losgingen, wurde – lange vor der Zeit der Sozialen Medien – in der Weihnachtszeit ein medialer Empörungssturm ausgelöst, der schließlich zu einem Rodungsstopp geführt hatte. So ist Hainburg heute nicht fürs Kraftwerk, sondern für den Nationalpark Donau-Auen bekannt. „Diese Konflikte um die energiewirtschaftliche Nutzung und Erhaltung der Natur haben auch die politische Landschaft in Österreich verändert und mehr Bewusstsein für die Umwelt geschaffen“, erinnert sich Carl Manzano, der bei der Au-Besetzung dabei war, bis kurzem als Nationalparkdirektor der Donau-Auen fungierte und als Zeitzeuge die Exkursion begleitete. Heute dürfen Kraftwerke nur mehr nach umfangreichen Umweltverträglichkeitsprüfungen gebaut werden.

Was kleine, lokale Bürgerbewegungen gegen große Interessensgruppen aus der Energiewirtschaft und Landespolitik bewirkt haben, zeigt sich auch sehr anschaulich im Dorfertal in Kals am Großglockner. Nach Plänen der E-Wirtschaft und Landespolitik wäre es ohne die Proteste – besonders auch seitens der lokalen Bauernschaft – heute überflutet.  Zumindest wenn die Staumauern und das hier spröde Gestein die gigantischen Wassermassen auch wirklich gehalten hätten, was einige schon damals bezweifelten. Dass Naturschutz die wirtschaftliche Entwicklung schädigt, wie oft argumentiert wird, trifft im Nationalpark Hohe Tauern sicher nicht zu. Die gesamte Region profitiert hier stark vom Tourismus und den zahlreichen Maßnahmen zur Regionalentwicklung.

Freier Lauf für Bäche

Zuerst geht es aber mit der Truppe aus Nationalparkexpert*innen und Journalist*innen ins nahe gelegene Untersulzbachtal. Das wildromantische Trogtal wurde – wie hier die meisten Täler – von Gletschern geformt. An den beeindruckenden Steilhängen zeigen sich noch die letzten Reste von Lawinen, die heuer im schneereichen Jahr besonders häufig von den Berghängen abgingen und deren Kegel teils den Untersulzbach verschüttet haben. Das Wasser hat sich aber längst große Tunnel durch die Schneemassen gegraben. Gerade diese durch Gletscher gespeisten Bäche sind wichtige Vorfluter für die Flusssysteme. Extreme Wetterbedingungen – hohe Temperaturen im Sommer, die die Gletscher rasch abschmelzen und Gewitter – können rasch zu Überflutungen führen. Deshalb wurde in den beiden Sulzbachtälern ein Pilotprojekt gestartet, um die Effekte eines naturnahen Gewässermanagements zu studieren. Denn viele der künstlich geschaffenen Bachregulierungen mit Staustufen können die steigenden Wasser- und Geröllmengen nicht mehr zügeln.

Während es im Management der heimischen Nationalparks, die übrigens nicht nur zum Schutz und der Erforschung der Natur dienen, sondern der ursprünglichen amerikanischen Nationalparkidee folgend auch die Natur der Bevölkerung zugänglich machen sollen, anfangs vor allem um die Errichtung und Erhaltung der Naturschutzzonen ging, kommen heute – besonders auch wegen des Klimawandels – viele neue Herausforderungen hinzu. Ziel des Projekts ist die Wiederherstellung des natürlichen Zustands und Sicherung der natürlichen Dynamik der Gletscherbäche, wobei natürlich das Hochwasserrisiko nicht erhöht werden darf. „Wir wollen diese Renaturierung schließlich in jedem Tal des Nationalparks erreichen“, so Lainer. Die freien, aufgeweiteten Bachläufe bieten nämlich bei rasch ansteigenden Wassermassen deutlich mehr Platz und sind auch für den Geschiebetransport förderlich. Staumauern und die intensive almwirtschaftliche Nutzung bewirken genau das Gegenteil. Die aktuellen Forschungsprojekte konzentrieren sich besonders auf die Hydromorphologie, also Faktoren wie Abflussdaten oder Geschiebeentwicklung, sowie biologische Qualitätskriterien. Weitere Projekt im Nationalpark widmen sich wiederum der Wiederansiedlung der immer selten werdenden Ur- bzw. autochthonen Bachforellen. Aber auch die Welt der Insektenlarven und Makro- und Mikroorganismen wird intensiv erforscht, um ein Gesamtbild des Ökosystems Gletscherbach zu erhalten. Eine besondere Herausforderung bei der Bachrenaturierung ist, dass alle Parteien wie Behörden oder Landwirte miteinbezogen werden müssen. Besonders ist freilich der Katastrophenschutz zu beachten. Das macht die Sache nicht einfacher.

Wie nach der Eiszeit

Etwas weiter oben im Untersulzbachtal beginnt in der besonders geschützten Kernzone des Nationalparks Hohe Tauern – hier ist anders als in der Außenzone mit für die Artenvielfalt durchaus wertvoller Almen eine wirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen – das neue, jüngst offiziell anerkannte „Wildnisgebiet Sulzbachtäler“. Hier ist der Mensch nur mehr Beobachter. Neue Wege und Infrastrukturen dürfen keine mehr errichtet oder erhalten werden. Die Natur wird sich gänzlich selbst überlassen. Dabei ist die Region rund um den Großvenediger für Forscher*innen besonders spannend, da sich die Gletscher – darunter auch Salzburg größter Gletscher, der Obersulzbachkees – seit 150 Jahren stark zurückziehen. Dadurch wird in der Natur ein Prozess wie einst am Ende der Eiszeit ausgelöst. Als erstes suchen Pionierpflanzen am steinigen Geröllboden Halt, um nach langsamer Bodenbildung weiteren Gewächsen Platz zu bieten. Die freien Bachläufe und die neuen Feuchtgebiete bieten zudem vielen seltenen Arten einen Lebensraum.

Einiges mehr zu den Besonderheiten der Bachökologie erzählt Florian Jurgeit von der Nationalparkverwaltung Tirol am nächsten Tag im Dorfertal, dass über die 1324 Meter gelegene Gemeinde Kals am Großglockner zu erreichen ist. Hier schlängelt sich nach der wildromantischen, mit steilen Berghängen umrahmten Dabachklamm der zuvor tosende Kalserbach weitaus sanfter um Schwemminseln, auf denen etwa die beinahe ausgestorbene Deutsche Tamariske ihren Lebensraum hat. Dieser natürliche Bachlauf bietet vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten einen Platz, während am Rand Kühe friedlich weiden. Im Gewässer sind auch die seltenen autochthonen Bachforellen, die durch Regenbogenforellen und Bachsaibling schon stark verdrängt wurden, zu finden. In Projekten wird deswegen ihr Erhalt und Neubesatz forciert sowie intensives Monitoring betrieben.

200 Meter unter Wasser

Eigentlich wäre genau an diesem idyllischen Ort, ein paar hundert Meter nach der Dabaklamm, die ins höher gelegene Dorfertal und weiter zur Bergeralm (1637 m) über das Kalser Tauernhaus (1754 m) schließlich zum beeindruckenden Dorfersee (1935 m) führt, der Grund eines gigantischen Stausees mit einer über 220 Meter hohen Staumauer am Ende der Klamm. Für ein Staukraftwerk nach den Plänen des Tiroler Energieversorger Tiwag und der Tiroler Landesregierung sicher ein idealer Ort für Österreichs größtes Kraftwerksprojekt, da das Wasser über Druckleitungen bis nach Matrei (975 m) geleitet eine gewaltige Fallhöhe erreicht hätte. Zudem hätte das weitläufige Dorfertal Unmengen an Speicherkapazität geboten. Nach den Kraftwerksplänen wären aber nicht nur das Tal überflutet und die Dabaklamm wegen Wassermangels verödet, sondern zahlreiche weitere Täler, da deren Gletscherbäche ebenfalls über Tunneln in den Stausee abgeleitet hätten werden sollen. Ein Opfer wären etwa auch die berühmten Umbalfälle geworden, die alljährlich von über 50.000 Touristen*innen besucht werden.

Verhindert haben diese Austrocknung der Täler einige Osttiroler Initiativen. Auf der Exkursion berichten Theresia Hartig von den „Kalser Frauen“, eine Bürgerinitiative von Bäurinnen, sowie dem Naturschützer, Biologen und Gymnasiallehrer Wolfgang Retter und seine Frau Erika Retter über den mühsamen, sehr langwierigen Kampf zum Erhalt des Dorfertals, der schon Anfang der 1970er startet. Nach mehreren Anläufen der Kraftwerksbetreiber – zuletzt 1986 – wurde das Großprojekt letztlich dank des Protests der „Kalser Frauen“ und Unterstützung einiger Bundespolitiker*innen am 30. März 1989 – nicht zuletzt auch wegen zweifelhafter wirtschaftlicher Rentabilität – endgültig zu Grabe getragen. Aus diesem Konflikt rund um die Nutzung des Wassers entstand 1991 schließlich die Tiroler Region des Nationalparks Hohe Tauern. Auch in Salzburg ermöglichten erst der Widerstand gegen das Kraftwerksprojekt Oberpinzgau den Nationalpark. Das Projekt Nationalpark Hohe Tauern zog sich jedenfalls viele Jahrzehnte hin, damit die zahlreichen Interessen – natürlich auch von der Alm- und Forstwirtschaft oder den Jägern - unter einen Hut gebracht werden konnten.


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