In den vergangenen Jahrzehnten sind die Mengen an Schwermetallen, die etwa aus Anlagen der chemischen Industrie, des Hüttenwesens oder der Metallverarbeitung in die europäischen Gewässer eingeleitet wurden, drastisch zurückgegangen. Neben den strengen EU-Regularien ist das den hochentwickelten Filtertechnologien zu verdanken, die Blei, Zink, Kupfer oder Chrom gut extrahieren können. Diese Fähigkeit hat aber ihren Preis: Die Filtermaterialien selbst bestehen aus Produkten der chemischen Industrie, die in extrem aufwendigen Prozessen aus Erdölprodukten hergestellt werden – und dabei selbst gefährliche Abwässer produzieren.
Eine Forschungsgruppe der Universität Wien um Alexander Bismarck, Hande Barkan und Philip Verdross arbeitet im Zuge des Projekts „Biobasierte makroporöse Materialien als Schwermetallabsorber“, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird, an einer vielversprechenden Alternative. Günstige, biobasierte Rohstoffe und industrielle Nebenprodukte werden in eine durchlässige Polymerstruktur gebracht, deren Porenstruktur gezielt auf die Bindung und Anreicherung von Schwermetallen anpassbar ist. Damit soll der ökologische Fußabdruck der Filter um ein Vielfaches verkleinert werden. Die Universität Wien kooperiert bei diesem grenzüberschreitenden Projekt mit dem Luxembourg Institute of Science and Technology.
„Wir haben uns im Projekt auf die Adsorption von toxischem Chrom VI konzentriert. Chrom VI wird etwa bei einem Verfahren zum Gerben von Leder verwendet. Vor allem in Südostasien gelangt das Schwermetall dabei auch noch vielfach ungefiltert in die Flüsse“, skizziert die Chemikerin Hande Barkan. „Hier braucht man neue Technologien, die sowohl nachhaltig als auch billig sind, um die Situation zu verbessern.“ Die Technologie ist darüber hinaus aber auch für die Abscheidung von Kupfer, Blei, Arsen oder Quecksilber interessant.
Nebenprodukt aus der Papierindustrie
Basis der innovativen Materialien ist Lignin – also jenes Material, das den Zellwänden von Pflanzen ihre Stabilität verleiht. Im Zuge der Zelluloseherstellung in der Papierindustrie entsteht als Nebenprodukt sogenannte Schwarzlauge, die neben Rückständen der verwendeten Extraktionschemikalien viel Lignin beinhaltet – und die den Forschenden als günstiger Ausgangsstoff dient. Dazu kommen weitere Materialien, die als landwirtschaftliche Nebenprodukte anfallen, etwa pflanzliche Fette oder Glyzerin, das aus biobasierten Rohstoffen hergestellt wird. Die Kohlenstoffverbindungen der Amine bleiben ein Ausreißer, die industriell als Erdölprodukt hergestellt werden. „Amine übernehmen die Aufgabe eines sogenannten Crosslinkers und sind sowohl für die Vernetzung der Naturstoffmoleküle als auch später für die chemische Bindung der Schwermetalle an den Polymeren zuständig“, betont Barkan. Insgesamt würden sich die biobasierten Materialien, allen voran die „Hauptzutat“ Lignin, aber extrem positiv auf die Lebenszyklusanalyse der Entwicklung auswirken, betont die Forscherin.
Die Gestaltung eines funktionalen, festen Werkstoffes aus dem Naturstoff Lignin ist allerdings nur die halbe Miete. In der entstehenden Polymerstruktur, in der also viele komplexe Makromoleküle ineinander verschachtelt sind, bedarf es einer Porenstruktur, die die Abscheidung der Schwermetalle im durchfließenden Wasser maximiert. Die Technologie, mit der das erreicht werden kann, nennt sich „foam/emulsion templating“ und wurde von Bismarck und seinem Team wesentlich mitentwickelt.
Vom Tröpfchen zur Filter-Pore
Wie der Name andeutet, wird die Gestalt des Polymers in einer Emulsion festgelegt. „Diese schaumartige Flüssigkeit ist mit einer Vielzahl von Tröpfchen durchsetzt. Ihre Größe und Häufigkeit wird von Tensiden bestimmt, die gezielt beigegeben werden – Substanzen, die die Grenzflächenspannung zwischen flüssigen Substanzen beeinflussen“, erklärt Philip Verdross. „Emulsion und flüssiges Polymer werden vermischt, bevor das Polymer ausgehärtet wird. Die Emulsion wirkt dabei als Template, als Schablone, die dem ligninbasierten Kunststoff Form und Poreneigenschaften verleiht. Dort, wo in der Emulsion Tröpfchen waren, sind im fertigen Polymer die Poren.“
„Gerade die Adsorption von Chrom VI mit dieser Technologie bringt große Vorteile, weil das Schwermetall an den Aminen nicht nur gebunden wird, sondern hier auch gleich eine weitere Reaktion durchläuft“, erklärt Verdross. Das hochgiftige und krebserregende Chrom VI wird in das ungefährliche Chrom III verwandelt – ein Schritt, der bei konventionellen Verfahren separat durchgeführt werden müsste. Die Abscheidung selbst würde bei weiteren Schwermetallen aber ebenfalls ähnlich der Chrom-Variante funktionieren. Die Forschenden hoffen, dass die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe eine günstige industrielle Fertigung möglich macht. Wenn der Ansatz tatsächlich im großen Stil eingesetzt werden kann, ließe sich eine substanzielle Verringerung der Schwermetallbelastung in Fließgewässern weltweit erreichen.
Mehr Informationen unter scilog.fwf.ac.at.