Nicht nur Abwässer aus Haushalten und Industriebetrieben landen in unserem Kanalnetz, sondern mit ihnen auch die dazu-gehörigen Restwärme-Abfälle. Die unterirdische Wärmequelle wird in Österreich noch sehr wenig genutzt. Das im Winter eröffnete Vio Plaza in Wien Meidling beweist nun jedoch, wie leistungsstark Abwasserenergie auch zur Temperierung eines Hochhauses verwendet werden kann. Das neu errichtete Landmark im Westen Wiens ist das erste große private Bauprojekt, in dem die Energiequelle Abwasser umfassend ins Gebäudekonzept integriert wurde. Konkret wurden in den unter dem Gebäude verlaufenden Strängen des Wien Kanals auf einer Länge von jeweils 186 Meter sogenannte Thermliner-Wärmetauscher der oberösterreichischen Rabmer Gruppe verlegt. Damit kann der gesamte Kühlbedarf sowie ein Drittel des Heizbedarfs im Vio Plaza abgedeckt werden.
Insgesamt werden bis zu sechs Megawatt Kühlleistung entzogen, ohne dass der Kanalbetrieb nachteilig beeinflusst wird. Mit den Wärmetauschern kann die im Kanalwasser vorherrschende Grundtemperatur in der hauseigenen Energiezentrale mittels Wärmepumpe auch erhöht werden, um Wohnungen und Gewerbeflächen in den kalten Monaten zu beheizen. 1,2 Megawatt Heizleistung werden allein durch den Wiental-Kanal geliefert – die restliche Beheizung erfolgt über Fernwärme. Mit der Inbetriebnahme im Dezember letzten Jahres zeigte sich bereits, dass die gesteckten Ziele hinsichtlich Effizienz und Betriebssicherheit erreicht werden können: „Die geringeren Betriebskosten kommen vor allem der Energieversorgung in den Büros, Geschäften und dem Hotel zugute“, sagt Vio-Plaza-Geschäftsführer Andreas Harich. Neben den typischen Heiztagen in den Monaten Jänner bis März konnte Anfang April die Kälteproduktion aufgrund der hohen Außentemperaturen bereits voll anlaufen.
Abfallwärme im Abwasser genutzt
Generell zeichnet sich der „Plaza“ durch eine nachhaltige Bau- und Gebäudetechnik sowie öko- und kosteneffizientes Gebäude- und Energiemanagement aus. Durch den Fokus auf nachhaltige Technologien konnten die Betreiber auch wieder Pluspunkte für das Bauprojekt zurückholen, nachdem es anfangs auf Gegenwind bei den Anrainern gestoßen war. Das neue Quartier vereint nun Büros, Shopping und Gastronomieflächen, Hotels und Mietwohnungen an einem Ort – insgesamt ein Lebens- und Arbeitsraum für rund 3.500 Menschen. Zur Überwachung der Anlage wurde erstmalig ein neu entwickeltes Monitoring-System installiert, das in Zusammenarbeit mit der Forschungsinitiative „Green Energy Lab“ durchgeführt wurde. „Die Wärmepumpenlösung im Vio Plaza in Kombination mit dem Monitoringsystem zur Nutzung der Abwärme aus dem Kanal ist ein Beispiel dafür, wie aus Forschung eine marktreife Lösung entsteht, die großes Potenzial zur CO2-Einsparung in der Praxis mit sich bringt“, sagt Mathias Schaffer, Vorstandssprecher des Green Energy Lab.
Nicht zuletzt ist das Gebäude auch ein Beispiel für gelebte Kreislaufwirtschaft, in dem die „Abfallwärme“ im Abwasser als Wärmeenergie-Ressource genutzt wird. „Durch die thermische Nutzung der ganzjährig zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energiequelle Abwasser könnten rund 14 Prozent der in Österreich benötigten Wärmeenergie für Gebäude regional produziert werden“, rechnet Ulrike Rabmer-Koller, Geschäftsführerin der Rabmer Gruppe, vor. Ebenfalls könne damit der stetig ansteigende Bedarf an Kälte aus Abwasserenergie nachhaltig generiert werden. Die Energiequelle eignet sich besonders für Wohn- und Bürogebäude, Veranstaltungshallen oder auch Hotels, Schwimmbäder, Thermen und Wäschereien und kann zudem in Fern- oder Nahwärmenetze eingespeist werden.