In Linz beginnt´s
Aber nicht nur in der klassischen Industrie kann Oberösterreich einiges bieten. In Linz ist etwa auch das globale Kompetenzzentrum für Hochfrequenztechnologien des Infineon-Konzerns beheimatet, das seinen Ursprung vom 1999 gegründeten JKU Spin-off DICE hat. Hier wird intensiv an integrierten Sensoren für Fahrerassistenzsysteme, Abstandswarnsysteme, automatisierte Fahrzeuge und vielem mehr gearbeitet.
Weniger bekannt in der breiten Öffentlichkeit sind in Linz gegründete, mittlerweile globale IT-Spezialisten wie Mindbreeze, ein international führender Anbieter von Appliances und Cloud-Services für Enterprise Search, angewandte künstliche Intelligenz und Wissensmanagement. Der Pionier im Bereich Enterprise Search betreut mehr als 2.000 der größten Unternehmen weltweit und ist mittlerweile ein Tochterunternehmen der Linzer Fabasoft AG, dem Spezialisten für Cloud-Computing und E-Government.
Extrem rasant gewachsen ist aber besonders das erst 2005 in Linz gegründete Unternehmen Dynatrace. Mit rund 2.800 Mitarbeiter*innen, die mehr als 2.600 Kunden betreuen, ist es heute Weltmarktführer im Bereich Software-Intelligence und erzielte im letzten Geschäftsjahr schon knapp eine Milliarde Dollar Umsatz. Das geniale System erkennt vollautomatisiert in Echtzeit auftretende Probleme in Software oder IT-Infrastrukturen und kann sogleich auch automatische Heilungsprozesse anstoßen. Heute notiert Dyna-trace zwar schon an der Börse in New York, aber Linz ist weiterhin das globale R&D-Headquarter des Unternehmens mit weiteren Software-Entwicklungsstandorten in Hagenberg, Graz, Klagenfurt, Wien, Barcelona, Danzig und Detroit. In Linz wurde 2021 in Kooperation mit der Johannes Kepler Universität (JKU) auch das Co-Innovation Forschungslabor am Linz Institute of Technology (LIT) gegründet, um anwendungsorientierte Grundlagenforschung im Bereich Software Intelligence voranzutreiben. Das Forschungsteam am LIT ist mittlerweile auf 16 Personen angewachsen. Neben Themen wie Distributed Data Systems, Realtime Analytics und Data Science forscht eine eigene Gruppe im Bereich Cloud Native Security. Hierfür konnte jüngst der gebürtige Oberösterreicher Stefan Achleitner als Leiter gewonnen werden, der zuletzt bei Palo Alto Security, einem weltweitführenden Spezialisten für Cybersicherheit in Kalifornien, gearbeitet hat.
Hotspot für Digitalisierung
Am Gelände der mittlerweile gut 50 Jahre jungen Johannes Kepler Universität hat sich jedenfalls in den letzten Jahren sehr viel getan. So eröffnete 2014 die medizinische Fakultät und dann folgten – fast im Jahrestakt – vier neue „Schools“. Den Start machte 2015 das längst international sehr beachtete Linz Institute of Technology (LIT), das stark auf Interdisziplinarität setzt. Die Forschenden arbeiten gemeinsam an neuen Themen in Bereichen wie eben Software Intelligence, KI, Robotik, Soft Materials, Erneuerbare Energien oder Medical Engineering. 2016 folgte die Linz School of Education, 2019 die Business School und 2021 die Kurt Rothschild School of Economics and Statistic, die sich der Zeit gemäß besonders mit Epidemiologie & Public Health sowie der Zukunft der Arbeit und Data Science beschäftigt.
Neue TU
Und dann kam mit der Idee für eine eigene technische Universität für Digitalisierung in Linz der nächste Paukenschlag, die bis heute für heiße Diskussionen in der Wissenschaftscommunity sorgt – besonders auch wegen Fragen, wie das spannende Projekt finanziert und gestaltet werden soll und ob andere Institute dadurch ausgehungert werden.
Geplant ist die neue Uni, die laut jüngstem Ministerratsvortrag den Namen „Institute of Digital Sciences Austria“ (IDS Austria) bekommt, direkt in der Nachbarschaft des JKU-Campus. Damit bekommt Linz nun wirklich die lang diskutierte technische Universität, spezialisiert auf die Themen Digitalisierung und digitale Transformation. Die namentliche Anlehnung des IDS Austria an das sehr erfolgreiche Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg ist nicht zu übersehen. Das erste PhD-Studium soll im Studienjahr 2023/24 beginnen. In der Errichtungsphase erfolgt die Finanzierung über die Uni Linz, die mit zusätzlichen finanziellen Mitteln ausgestattet wird. Danach bekommt IDS Austria eine eigene Finanzierung, die wie beim IST Austria über Leistungsvereinbarungen ausgehandelt wird.
Die Gründung einer neuen Universität ist sicher kein leichtes Unterfangen. Ein Erfolg wie beim Institute of Science and Technology Austria wäre wünschenswert, wobei idealerweise das ganze Hochschulsystem profitieren sollte. Darüber wird man aber erst in einigen Jahren urteilen können. Unbestritten ist, dass sich die Region rund um Linz samt Hagenberg immer stärker zu einem Hotspot für IT und Digitalisierung entwickelt.
KI-Hotspot Oberösterreich
Ein hoher Stellenwert wird in der oberösterreichischen Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 (siehe Kasten) besonders auch auf Künstliche Intelligenz gelegt, die mittlerweile als das Herzstück der digitalen Transformation gilt und für alle Branchen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Im Land ob der Enns forschen auch einige sehr berühmte Top-leute wie etwa der Informatiker Sepp Hochreiter, einer der Erfinder und Entwickler der insbesondere für die Lernfähigkeit von neuronalen Netzen wichtigen LSTM-Technik (Long short-term memory), die heute in Spracherkennungssystemen und vielen weiteren Anwendungen steckt (siehe auch S. 33). Hochreiter konnte 2006 als Vorstand des Instituts für Bioinformatik der JKU gewonnen werden und leitet seit 2017 weiters das Labor für Artificial Intelligence am LIT. Einen weltweiten Ruf genießt insbesondere die European Laboratory for Learning and Intelligent Systems (ELLIS) Group an der JKU, eine paneuropäische Initiative, die 2018 gestartet wurde, um Forschungsexzellenz in Europa im Bereich Machine Learning zu erzielen. Die JKU hat übrigens als eine der ersten Universitäten Europas einen Studiengang für Künstliche Intelligenz angeboten. Und die JKU und FH OÖ bieten nun gemeinsam auch das erste kooperative Doktoratsprogramm für „Mensch-zentrierte Künstliche Intelligenz“ an.
International erfolgreich im KI-Bereich sind auch Wissenschaftler*innen an der renommieten FH Hagenberg und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen im UAR Innovation Network, darunter besonders das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) und RISC Software. Hier wird besonders auch in den Bereichen „Human-Centered-AI“ und „AI Trustworthiness“ geforscht, die kritische Erfolgsfaktoren für eine gute Zusammenarbeit von Menschen und AI-Systemen sind, beispielsweise im sehr vertrauenskritischen Bereich autonomes Fahren.
Dank all dieser Bemühungen und der Bündelung von Know-how kann die Region Oberösterreich trotz vergleichsweiser geringer Mittel am internationalen Parkett der KI-Forschung mithalten. In Oberösterreich wurde zur weiteren Vernetzung zudem die Plattform AI Upper Austria gegründet sowie der Verein Woman in AI, um gezielt Frauen zu fördern. An den Forschungszentren SCCH und RISC Software arbeiten in den Teams mittlerweile rund ein Drittel Frauen, während zum Vergleich der Anteil in der gesamten IT-Branche erst bei 20 Prozent liegt.
F&E gegen Krisen
„Eine gut funktionierende Wirtschaft braucht Innovationen. Gerade in Zeiten wie diesen“, so Werner Pamminger, Geschäftsführer Business Upper Austria, „die Erfahrung zeigt, dass innovative Unternehmen in Krisenzeiten deutlich stärker und erfolgreicher sind als weniger innovationsfreudige Unternehmen.“ Nach der ersten Euphorie der oberösterreichischen Indus-trie, die die Corona-Pandemie bislang im Großen und Ganzen gut überstanden zu haben, müssen nun zusätzlich auch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs gemeistert werden. Und da insbesondere die neue Energiekrise, die sich zu bestehenden Lieferkettenproblemen und Fachkräftemangel gesellen.
„Unsere Wirtschaft steht unter großem Druck. Die aktuellen Herausforderungen sind zugleich aber Motor für innovative Lösungen“, so Pamminger. So gab es im Rahmen des #upperREGION Award zahlreiche kreative Projektideen etwa zur Brachflächen- und Leerstandnutzung, die zugleich dem Flächenverbrauch entgegenwirken. Zahlreiche Initiativen auf allen Ebenen zielen darauf ab, die Krise als Chance zu nutzen. In der Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 stehen neben der Künstlichen Intelligenz besonders auch die Zukunftsthemen „Automatisierung/Robotik“, „Digitale Transformation“, „Connected & Efficient Mobility“ sowie „Effiziente & nachhaltige Industrie und Produktion“ im Vordergrund.