Für Harold Artés, der 2009 mit seinem Partner Michael Schahpar das Linzer Start-up Robart gegründet hat, war der 28. Oktober 2020 ein großer Tag. Seine Vision vom smarten Haushaltsroboter der Zukunft rückte deutlich näher. Denn an diesem Tag durfte das junge Linzer Unternehmen auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem oberösterreichischen Wirtschafts- und Forschungslandesrat Markus Aichleitner sowie Wilhelm Molterer, Direktor des Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), verkünden, neun Millionen Euro von der Europäischen Investitionsbank für ihre Forschungsprojekte zu erhalten. „Mit dem Fonds wird Forschung & Entwicklung finanziert, bei der es naturgemäß ein höheres Projektrisiko gibt“, so der ehemalige österreichische Finanzminister Molterer. Weniger als fünf Prozent der Antragsteller schaffen es, die strengen Förderungskriterien zu erfüllen und bekommen Geld vom EFSI. In Österreich gab es bislang 33 Transaktionen. Mit Hilfe weiterer namhafter französischer und deutscher Investoren kann Robart nun seine KI-gesteuerte Technologie für Saugroboter weiterentwickeln: zu einer völlig neuen Generation von Robo-Butlern. Dabei soll es sich nicht um große, humanoide Roboter handeln, sondern um kleine dienstbare Geister, die nach einer Lernphase die Wünsche ihres Meisters kennen. Denn große, humanoide Roboter, die etwa auch Stiegen bewältigen können, sind nicht nur sehr aufwendig, sondern jagen den meisten Menschen auch Angst ein (siehe Kasten Abschreckende Menschlichkeit, S.15). Die neue Robotergeneration soll den Haushalt mit mobilen Dienern – anders als die bisherigen Smart Home Ansätze, in denen alles mit zahlreichen Kameras überwacht wird – smart und diskret automatisieren. Neben Putzdiensten stellen die Robo-Butler etwa selbstständig fest, ob es der Katze gut geht, die Wohnung sturmsicher ist oder die Beleuchtung angenehm ist. Sie holen gewünschte Gegenstände, helfen älteren Menschen und sorgen sich etwa um einen Wasserrohrbruch im Ferienhaus.
Globales Wettrennen
Das junge Unternehmen Robart hat sich in den letzten Jahren zu einem der weltweit führenden Entwickler von Saugund Wischrobotern entwickelt, beschäftigt mittlerweile über 60 Mitarbeiter, verfügt über Niederlassungen in China, Deutschland und den USA und hält über 100 Patente und Patentanmeldungen, darunter etwa für ein System mit Lasersensoren der zweiten Generation oder neue KI-Technologien. Zu den Kunden zählen Größen wie BSH, Rowenta, Kärcher und Medion. „Nun steht die Entwicklung der nächsten Generation an Haushaltsrobotern am Programm“, so Artés. An diesem Segment wird mittlerweile weltweit fieberhaft geforscht. Rund um die neuen Zukunftstechnologien KI und Robotik hat der Wettlauf längst begonnen, wobei Europa noch reichlich Aufholpotenzial bescheinigt wird. Die EU und auch Österreich unterstützen deshalb diese Zukunftstechnologien nun massiv. Robart gilt dabei als eines der Beispiele, dass Robotik und besonders auch Artificial Intelligence nicht nur in Asien und Amerika erfolgreich sein kann.
Menschengerechte Roboter
„Roboter müssen sich an den Menschen und seine Umgebung anpassen“, lautet das Credo des Roboterspezialisten Artés. Eigentlich hatte er ursprünglich eine akademische Karriere an der Standford University in Kalifornien geplant. Bei seinem Postdoc wuchs er aber in ein Start-up seines Professors rein, dass sich mit LTE-Mobilfunkchips befasst hatte. „Da hatte ich gleich erkannt, dass mir Produktenwicklung viel Spaß macht“, so Artés. Fünf Jahre danach kehrte er mit seiner Familie nach Österreich zurück. Und es fehlte ihm hier sogleich der in der Bay Area übliche Spirit, etwas rasch anzugehen. Anstatt auf gut Österreichisch zu jammern, begann er deshalb selbst seine Vision von dienenden Robotern für die Hausarbeit umzusetzen und startete mit seinen ersten Saugrobotern. Das besondere an der Bot-Technologie von Robart ist, dass die saugenden Roboter erstmals ihre Umgebung mittels Lasersensoren erfassen und dank KI auch verstehen konnten. „Wenn etwa jemand seine Einkauftasche abstellt, umfährt sie der Roboter, kehrt aber später zurück, um auch diese Fläche zu reinigen“, erklärt Artés. Robart liefert seinen Kunden individuelle Steuerungslösungen samt Hardware sowie komplette Haushaltsroboter. Die Fertigung all dieser Geräte erfolgt, wie in der Elektronikbranche üblich, in China. Heuer wird der Umsatz bei Robart auf rund fünf Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr verdreifacht werden, was das forschungsintensive Start-up wahrscheinlich 2021 in die Gewinnzone bringen wird. Da sollte auch die Vision vom Robo-automatisierten Haushalt langsam Wirklichkeit werden.
Mensch-Maschine
Roboter dienen schon seit den 1950er-Jahren. Zuerst, um Aufgaben in gefährlichen, radioaktiven Umgebungen zu erfüllen, um dann insbesondere als Schweiß- und Montageroboter in Industriehallen zu werken. Laut der International Federation of Robotics (IFR) wird die Anzahl von Industrierobotern 2020 weltweit auf über drei Millionen Stück ansteigen. 2019 gab es laut dem World Robotics 2020 Jahrbuch rund 580.000 Industrieroboter in Europa, wobei die meisten - 221.500 Stück – in Deutschland werken. Weltweit die Nummer 1 ist China mit rund 783.000 Einheiten gefolgt von Japan, Korea und den USA. Im Industriebereich ist die Entwicklung am weitesten fortgeschritten. Hier verlassen die Roboter nun zunehmend ihre Käfige, die bislang Menschen vor den großen, extrem kräftigen und schnellen Maschinen schützen mussten. Sie sollen nun mit den Mitarbeitern kooperieren. Die neuen mobilen Bots bewegen sich selbstständig durch Lager und Industriehallen oder graben, mauern und verputzen auf Baustellen. Laut IFR stieg der Einsatz von kollaborativen Robotern (Cobots), die mit den Menschen Hand-in-Hand zusammenarbeiten können, im Jahr 2019 um 11 Prozent. Ihr Marktanteil im Industriebereich erhöhte sich gegenüber ihren schwerarbeiteten Kolleg*innen um 4,8 Prozent. In Summe tummeln sich in diesem noch sehr jungen Markt erst rund 18.000 Cobots. Dass deren Anzahl wie auch jener der Service Bots (siehe hierzu den Artikel auf S.13) in den nächsten Jahren trotz der unsicheren wirtschaftlichen Lage stark steigen wird, darauf wetten alle Marktanalysten. Die Vorteile von Robotik und Automation wie beispielsweise eine beschleunigte Fertigung, kundenspezifische Produkte und vom Produktionsort relativ unabhängig günstige Produktionskosten sind besonders für Hersteller in entwickelten Volkswirtschaften wichtig.