Forschung Wirtschaft
Im Züricher Rathaus wurden 1937 die Holzöfen durch eine Wärmepumpe ersetzt. © Foto: Roland Fischer

Die Krisenmeisterin

Österreichische Pioniere entwickelten im Dampfmaschinenzeitalter die ersten Wärmepumpen. Einen Boom erlebten sie immer, wenn es zu Energiekrisen kam.

von: Norbert Regitnig-Tillian

Auf den ersten Blick scheint ihr Prinzip magisch zu sein, so wie fast alle modernen Technologien von Zeitreisenden aus der Vergangenheit als Zauberei wahrgenommen werden würden. Mit Wärmepumpen kann man aus eisiger Luft Häuser und Wohnungen wohlig warm aufheizen. Oder aus lauwarmem Abwasser Wasserdampf mit 200 Grad erzeugen. All dies funktioniert, ohne dazu fossile Energie zu verfeuern. Erforderlich ist nur ein geringer (elektrischer) Energieeinsatz, wobei im besten Fall kein Gramm Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt wird.

Relikt des Dampfmaschinenzeitalters

Die Wärmepumpe wird oft als neue Technologie beschrieben. Ihre Geschichte beginnt aber schon im Zeitalter von „Industrie 1.0“ – mit der Erfindung der Dampfmaschine und Überlegungen, wie man Kälte künstlich erzeugen könnte. Interessant dabei: Die Innovatoren waren damals schneller als die Wissenschaft im Erklären. Die erste verwendbare Dampfmaschine wurde von dem englischen Erfinder Thomas Newcomen 1712 konstruiert. Im Jahr 1777 stellt der schottische Mediziner und Chemiker William Cullen erstmals eine winzige Menge künstlichen Eises her. Dafür ließ er Diethylether bei Unterdruck verdampfen und entzog dabei in einem Reaktionsgefäß dem Wasser die Wärme. Dass Dampfmaschine und Erzeugung von künstlichem Eis aber auf gleichen physikalischen Grundlagen beruhen, war noch unbekannt.

Eine Sache der Thermodynamik

Erst der geniale französische Physiker und Ingenieur Nicolas Léonard Sadi Carnot (1796-1832) brachte erstmals eine Theorie dafür zu Papier. 1824 veröffentlicht er in einem Privatdruck seine „Betrachtungen über die bewegende Kraft des Feuers und die zur Entwicklung dieser Kraft geeigneten Maschinen“. Darin zeigte er anhand eines Gedankenexperiments, wie Thermodynamik funktioniert. Er ließ einen hypothetischen Kolben zwischen einem heißen und einem kalten Reservoir bewegen und erklärte Schritt für Schritt, wie Wärme dabei immer ein genau bestimmtes Quantum an mechanischer Arbeit verrichten kann. Damit war die Grundlage für Dampfmaschinen und aller (noch zu entwickelnden) Verbrennungsmotoren im Ansatz
erklärt. Das Interessante dabei:

Carnot links herum

Der später ihm zu Ehren benannte „Carnot-Prozess“ funktioniert auch andersrum. Mit einer „umgekehrten“ Kraftwärmemaschine kann mittels mechanischer Arbeit in einem „linksläufigen Carnotprozess“ auch Wärme oder Kälte erzeugt werden. Damals war noch nicht bekannt, wie solche Maschinen funktionieren. Lord Kelvin, der Entdecker des absoluten Nullpunktes, hatte die Werke Carnots aber begeistert studiert und sagte bereits 1850 die Wärmepumpe voraus. Mit ihr kann aus der Umgebung Wärme entzogen und diese via Gaskompression und -entspannung auf ein anderes Energieniveau gepumpt werden. Damit kann man – sehr effizient und je nach Bedarf – künstlich Kälte oder Wärme produzieren.

Österreichs Pioniere

Die praktische Umsetzung ließ nicht lange auf sich warten. 1853 meldete der österreichische Ingenieur, Physiker und Mathematiker Peter von Rittinger ein Patent für eine „Dampfpumpe“ an, die als die erste praktische Umsetzung einer Wärmepumpe gilt. Rittinger wollte mit seiner Erfindung die enormen Holzmengen, die in der Saline in Ebensee fürs Verdampfen der Sole gebraucht wurden, um 80 Prozent verkleinern. Am Papier war die Rechnung korrekt. Die Pilotanlage litt aber noch an vielen Kinderkrankheiten.
Ihren ersten Durchbruch hatte die Wärmepumpe daher zuerst als Kältemaschine. Dabei waren es auch österreichische Brauereien, die maßgeblich an der Entwicklung beteiligt waren – und Carl von Linde. Dieser war Hochschulprofessor, der sich mit Thermodynamik beschäftigte. Er nahm an Preisausschreiben für Kältemaschinen teil und veröffentlicht die Ergebnisse.

Brauereien als Treiber

Anton Dreher, Wiener Braukaiser aus Schwechat, las Lindes Ausführungen mit großem Interesse. Brauereien kühlten ihre Keller noch mit natürlichem Eis. Ein milder Winter 1872/73 zwang den Braumeister, Eis teuer aus der Steiermark und Galizien zu importieren. Dreher und andere Brauereien fördern daher die Entwicklung von Lindes Kältemaschinen. 1877 wird in der Dreher-Brauerei in Triest die erste Kältemaschine in Betrieb genommen. Carl von Linde hat indes seinen Beruf als Hochschullehrer an den Nagel gehängt und ein Start-up gegründet. Aus ihm entwächst der heute globale Linde-Konzern.
Bis Kühlschränke industriell gefertigt werden, zog bereits das 20. Jahrhundert ins Land. 1937 besaß aber schon jeder zweite US-amerikanischen Haushalt einen Kühlschrank auf Basis einer Wärmepumpe. Immerhin. Nach dem ersten Weltkrieg werden in den USA auch bereits Klimaanlagen mit Heizfunktion konzipiert. Ebenfalls Wärmepumpentechnologie. Der Durchbruch der Wärmepumpe als Heizung oder der Erzeugung industriell genutzter Prozesswärme ließ aber auf sich warten. Pionierarbeit leisteten dabei Schweizer Unternehmen. Nach dem ersten Weltkrieg baute die
Schweiz die Wasserkraft stark aus, um die als schmerzhaft erlebte Abhängigkeit von Kohleimporten zu minimieren.

Beginn der Großwärmepumpen

Um die elektrische Energie möglichst sparsam zu nutzen, setzte man auf Großwärmepumpen. Denn die Wärmepumpentechnologie erlaubt es, mit einem Teil Strom vier Teile Wärme zu erzeugen. Als ein Meilenstein gilt dabei die „Wärmepumpe zum Ersatz von Holzöfen im Rathaus von Zürich“. Sie wurde bereits im Jahr 1937 installiert und entnahm die Primärenergie aus dem durch Zürich fließenden Fluss Limmat. Der hatte eine mittlere Temperatur von sieben Grad und wurde durch die Großwärmepumpe um 1,5 Grad abgekühlt. Die Vorlauftemperatur der Rathausheizung brachte es damit auf 60 Grad. Im Sommer wurde die Wärmepumpe auch schon für die Gebäudekühlung genutzt. Die historische Wärmepumpe beheizte das Rathaus übrigens bis ins Jahr 2001 und wurde dann durch eine effizientere Anlage ersetzt. International erlebten Wärmepumpen als Wärmespender etwa für Prozesswärme in der Nachkriegszeit durch die laufend fallenden Erdölpreise ein Verkaufsdesaster. Industrie und Haushalte verfeuerten lieber billiges Erdöl. Die mit Strom betriebenen Wärmepumpenheizungen hatten den Ruf „gut, aber teuer“ zu sein.

Boom während Ölkrisen

Erst als sich durch das Erdölembargo 1973 und die zweite Erdölkrise 1979 Erdöl um bis zu 300 Prozent verteuerte, erlebte die Wärmepumpe zum Heizen einen ersten Boom. Denn der Strom wurde in Relation zum fossilen Brennstoff günstiger. Blockheizkraftwerke mit Wärmepumpen entstehen, erste Mini-Erdwärmepumpen mit Fußbodenheizung fürs Einfamilienhaus werden entwickelt und Stockholm installiert in den 1980er Jahren das weltweit größte Wärmepumpensystem, das mit Meerwasser als Wärmequelle betrieben wurde.
Als die Preise für fossile Energieträger nach der Krise wieder sanken, sank allerdings auch wieder das Interesse an der Wärmepumpe. Sie ist also eine Krisentechnologie. Heute, in Zeiten von Klimakrise und Energiewende, dürften die Voraussetzungen für einen Durchbruch der Wärmepumpentechnologie besser sein denn je. Für die Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit und „Zero-Emission“ gilt die Wärmepumpe – gut 170 Jahre nach ihren ersten Prototypen – wohl zurecht als besonders förderungswürdige „Schlüsseltechnologie“.


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