© Fotos: SOM
Eine Visualisierung von Xiong’an von SOM + TLS Landscape Architecture für die erste Entwicklungsphase.
© Fotos: SOM

Xi's Stadt der Zukunft

Die grüne wie smarte Zukunftsmetropole Xiong´an zeigt einiges über Chinas ins Detail gehende Stadt-, Wirtschafts- und Innovationsplanung. Die Zukunftsstadt soll zugleich ein Zentrum der Energieerzeugung und Elektromobilität mit 12 globalen Marktführern werden.

von: Bernhard Seyringer

Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat im April 2017 die Absicht verkündet, Xiong‘an in der Provinz Hebei, in eine grüne und innovative Musterstadt verwandeln zu wollen. Staatspräsident Xi Jinping möchte damit seinem „Chinesischen Traum des Nationalen Wiederaufstiegs“ ein gebautes Symbol verleihen. Das Projekt ist entlang der offiziellen Zeitachse des im März 2021 verabschiedeten „14. Entwicklungsplans mit mittel- und langfristiger Perspektive“ angelegt: Bis 2035 soll sowohl Xiong‘an finalisiert sein als auch China in eine „Moderne Sozialistische Gesellschaft“ transformiert werden.

Xi möchte sich damit zugleich ein Denkmal in der Tradition sein Vorgänger setzen: Die Entwicklung der ersten Sonderwirtschaftszone in Shenzhen in den frühen 1980er Jahren wird mit Deng Xiaoping in Verbindung gebracht. Die Entwicklung des Finanzdistrikts Shanghai Pudong steht in enger Verbindung mit Jiang Zemin.

Xiong‘an
Die neue Stadt der Zukunft soll aus einem Kernareal von 38 Quadratkilometern wachsen, das ungefähr 130 Kilometer südwestlich von Peking liegt. Die Reise mit einer der vier Hochgeschwindigkeitseisenbahnen wird, nach deren Fertigstellung, nur rund 30 Minuten nach Peking und der Hafenstadt Tianjin benötigen sowie eine Stunde in Millionenmetropole Shijiazhuang, der Hauptstadt der Provinz Hebei.

Xiong‘an soll als Modellstadt die explosionsartig anwachsenden Großräume Peking-Tianjin-Hebei zusammenführen und damit eine wesentliche Forderung des 14. Fünfjahresplans nach Konzentration sämtlicher städtischer Großräume auf 19 Urbane Cluster und sechs provinzübergreifende Regionen realisieren.

Der Masterplan, der 2018 verabschiedet wurde, ist nach Fertigstellung 2035 für eine Gesamtfläche von 1770 Quadratkilometer ausgelegt und definiert 38 Ziele: Neun aus dem Bereich wirtschaftlicher Innovationspolitik, 17 ökologische Ziele und 12 Ziele, die auf ein „Wohlfühlen“ ausgerichtet sind.

Energie und Elektromobilität
Die wirtschaftliche Innovation soll auf zwei Technologiebereiche fokussieren, die seit dem 12. Fünfjahresplan (2011-2015) als „Strategische Industrien“ gelten: Energieerzeugung und -verteilung, sowie Elektromobilität. Die Entwicklungsgesellschaft hinter „Zhongguancun“, Chinas „Silicon Valley“, wird einen neuen Wissenschafts- und Innovationspark errichten, der sich spezifisch an Unternehmen aus den Branchen der „Grünen Technologien“ wenden soll, mit dem Ziel 12 globale Marktführer zu entwickeln. Xi hat im Rahmen des 19. Parteitages auch von der Umsiedelung von „500.000 Wissenschaftler aus Peking“ gesprochen.

Smart City
Xiong‘an soll im Kontext der Smart City-Strategie aufgebaut werden. Die chinesische Verwaltung betrachtet Mobilität, Öffentliche Sicherheit, Gesundheit, Bildung und den Umweltschutz als Kernbereiche ihrer Smart City-Ambitionen.

Die konzeptuelle Evolution chinesischer Smart Cities verläuft entlang im Westen bekannter und vergleichbarer Begriffe: Von den „Digital Cities“ in den späten 1990er Jahren, über die „Information Cities“ bis 2010 zu „Smart“ und „New Smart Cities“ in der letzten Dekade.

500 Smart Cities fertiggestellt
Chinesischen Medien zufolge sind in China aktuell 500 Smart Cities fertiggestellt oder befinden sich noch in Bau. Außerdem sind 34 chinesische Unternehmen bei der Errichtung von 400 Projekten in über hundert Ländern aktiv.

Xi hat die Errichtung von Smart Cities als wesentlichen Bestandteil zur Realisierung des „Chinesischen Traums“ erstmals 2015 gefordert. Danach wurde deren Bedeutung im 13. (2016-2020) und 14. FJP (2021-2025) deutlich unterstrichen. Im 14. FJP liegt die Betonung auf der provinzübergreifenden Integration von Metropolräumen mittels digitaler Infrastrukturen zur Optimierung sämtlicher Dienstleistungen von Abwasserentsorgung bis hin zum Verkehr. Es wird damit vom New Type Urbanization Plan vom April 2014 Abstand genommen, in dem die Verwaltung die Konzentrationsprobleme in den Metropolregionen noch mit einem „Bevölkerungstransfer“ in angrenzende Mittelstädte lösen sollte. Die Technologien dafür sollen dem „Dual Circulation“-Prinzip folgend, ausschließlich von chinesischen Unternehmen bereitgestellt werden. Dieses Prinzip ist ein Begriff aus der maoistischen Sprachschatulle der 1980er Jahre,und steht für eine importsubstituierende Industriepolitik, die nach technologischer Unabhängigkeit vom Ausland strebt.

Mit einem Statement im Rahmen des Digital China Summit 2018 hat Xi die Bedeutung von Smart Cities zusätzlich unterstrichen:
Er erinnerte daran, dass er persönlich, noch als Gouverneur der Provinz Fujian, 20 Jahre zuvor, das Projekt „Digital Fujian“ ins Leben rief. Ein Vorläufer moderner Smart City Initiativen.

Green Smart Cities
Der Energiebedarf von Xiong‘an soll zu hundert Prozent mit Erneuerbaren Energiequellen abgedeckt werden. Xi hat zur Verdeutlichung der Umweltkomponente, die noch auf seinen Vorgänger Hu Jintao zurückreichende Leitlinie des Strebens nach einer „Ökologischen Zivilisation“ von 2007 übernommen und sie mit seinem „Konzept der zwei Berge“ verbunden, dem zufolge „Grüne Berge und klares Wasser genauso wertvoll sind, wie Berge aus Gold und Silber“. Außerdem hat er mit der Ankündigung im Herbst 2020, dass China beabsichtigt, den Peak an CO2-Emissionen im Jahr 2030 zu erreichen und im Jahr 2060 klimaneutral zu sein, ein ambitioniertes Ziel vorgegeben. Zur Verdeutlichung: China müsste ein Drittel seiner Kohle-befeuerten Stromerzeugung bis 2030 vom Netz nehmen und der Anteil an Solarenergie und Windkraft müsste sich bis dahin verdoppeln, um diese Ziele zu erreichen.

Für den aktuellen Energiemix Chinas stellt die Planung eine große Herausforderung dar: Die Nationale Energiebehörde (NEA) gibt an, dass der Anteil Erneuerbarer Energien aktuell bei 16,1 Prozent liegt. (Wind 7,9 % Solar 3,9 %, Wasserkraft 4,3 %) Der 14. FJP soll zwar den Anteil im nicht-fossilen Energiemix (also plus Nuklearenergie) auf „ungefähr 20 Prozent“ bis 2025 erhöhen, allerdings ist das nicht als bindend zu betrachten.

Massiver Energiehunger
Und, obwohl 2021 fast 103 GW an neuer Solar- und Windenergie ans Netz gingen, ist China dennoch das einzige Land in der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20), dessen Verbrauch an Kohle seit der Unterzeichnung der Pariser Abkommen von 44 Prozent 2015 auf 57 Prozent im Jahr 2021 angestiegen ist.

Chinas Ambitionen in der Realisierung von Green Smart Cities sind begrüßenswert, allerdings sind das „Safe City“-Programm von Huawei oder das City Brain-Konzept von Alibaba hauptsächlich auf die Entwicklung ­sicherheitstechnologischer Lösungen ausgerichtet, da diese sich besser für den Export eignen.


Green Energy Lab visualisiert die Energiezukunft

Der Umstieg auf nachhaltige und zukunftssichere Energielösungen ist zentraler Faktor im Kampf gegen den Klimawandel. Das Innovationslabor Green Energy…

Weiterlesen

Grüne Synergien in Mobilität, Industrie und Energieversorgung

Die nachhaltige Transformation - Das primäre Ziel der Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power and Gas, kurz WIVA P&G, ist, die…

Weiterlesen

8. Wiener Innovationskonferenz

„In Zeiten des Umbruchs bestehen - Transformation mit Innovation“ - Die 8. Wiener Innovationskonferenz widmet sich den aktuellen Umbrüchen am…

Weiterlesen

FlexModul – Saisonale Speicherung von Solarenergie

© Barbara Krobath

Die Volatilität (Schwankungen) von erneuerbaren Energien bringt einen hohen Bedarf an Energiespeichern mit sich. Nur so kann auch zu Zeiten geringer…

Weiterlesen

Zum dekarbonisierten, leistbaren Wohnraum

© Canva/Illionaire

Die Weiterentwicklung von privaten Zinshäusern zu vertraglich abgesicherten Gemeinschaftsprojekten samt baubehördlicher Genehmigung für die umfassende…

Weiterlesen

Patricia Neumann: Neue Vorstandsvorsitzende der Siemens AG Österreich

© Siemens

Mag. Patricia Neumann (51) ist seit Anfang Mai 2023 Vorstandsvorsitzende der Siemens AG Österreich. Die neue CEO ist für die Dauer von fünf Jahren…

Weiterlesen

Aktuelle Ausgabe

Abonnement und Mediadaten

Sie wollen die führende österreichische Fachzeitschrift kennen lernen?
Sie wollen sich über Erscheinungstermine, Schwerpunkte und Werbemöglichkeiten informieren?

Hier sind Sie richtig.  

Abonnement

Mediadaten