Nina Schalk von der Montanuniversität Leoben will es genau wissen: Mit verschiedenen Methoden und Geräten schaut sie so genau wie möglich in die hauchdünnen Beschichtungen für Metallwerkzeuge: Wie ordnen sich die verschiedenen Elemente an, bilden sie große oder kleine Kristalle, wie reagieren sie auf Hitze oder Sauerstoff? Und was bedeutet das für Härte, Bruchzähigkeit, Haltbarkeit? Diese Erkenntnisse der Grundlagenforschung sind für den Unternehmenspartner CERATIZIT Austria Gesellschaft m.b.H. sehr wertvoll – sie sind Ausgangspunkt für die Verbesserung bestehender und die Entwicklung neuer Werkzeuge für die Metallbearbeitung.
Wilfried Eichlseder, Rektor der Montanuniversität Leoben erläutert die Bedeutung von CD-Labors für seine Universität: „CD-Labors stellen für Wissenschaftler*innen, die sich im Aufbau eines eigenen Forschungsfeldes befinden, eine ideale Basis dar. Zum einen bietet die akademische Umgebung, in der das CD-Labor angesiedelt ist, Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten, zum anderen ist der enge Konnex zu den Industriepartner gegeben, die ihre Expertise einbringen und die Brücke von wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Umsetzung in die Produktentwicklung bilden. Derzeit sind an der Montanuniversität Leoben acht CD-Labors aktiv. Ich wünsche allen Leiter*innen und Mitarbeiter*innen viele wissenschaftliche Erkenntnisse und vor allem Freude an ihrer Arbeit! Die Partner aus der Wirtschaft mögen möglichst viele dieser Erkenntnisse in erfolgreiche Produkte einfließen lassen!
"Gratulation an Nina Schalk! Gemeinsam mit ihrem Unternehmenspartner CERATIZIT zeigt sie, wie sehr Wissenschaft und Wirtschaft voneinander profitieren können: Das im CD-Labor gewonnene Grundlagenwissen über die physikalischen Eigenschaften verschiedener Beschichtungen wird im Unternehmen für Weiter- und Neuentwicklungen genutzt. Das erhöht Qualität und Effizienz, sichert Arbeitsplätze und stärkt den Standort Österreich - heute und in Zukunft," so Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft.
Hauchdünne Schichten, Modernste Geräte, neue Methoden
Schon die Herstellung der Beschichtungen ist ein spannender Vorgang: „Vormaterial“, das Material, das die Beschichtung bilden soll, wird in einer Abscheidekammer verdampft – und setzt sich dann am zu beschichtenden Werkstück ab. Je nachdem, aus welchen Elementen in welcher Zusammensetzung das Vormaterial besteht, und je nach Druck, Temperatur, zugeleiteten Gasen etc. entstehen dann unterschiedliche Beschichtungen.
Diese Beschichtungen sind etwa drei bis zwanzig Mikrometer dick. Zum Vergleich: ein menschliches Haar hat etwa 50 Mikrometer Durchmesser. Mit den richtigen Instrumenten aber werden ganze Landschaften aus Elementen, Phasen, Lagen und Kristallen sichtbar. Die Phasen können zum Beispiel kristallin oder amorph sein, sie können in Lagen übereinanderliegen oder die eine die andere einschließen und ein Nanokomposit bilden, usw. Das ist die Welt, die Nina Schalk und ihr Team erforschen und beschreiben – und in Verbindung setzen mit den Eigenschaften des Materials: Härte, Zähigkeit, Temperaturbeständigkeit, Oxidation und vieles mehr.
Ob nun Rasterelektronen-Mikroskop, Transmissions-Elektronenmikroskop, Röntgendiffraktometer oder Synchotron-Teilchenbeschleuniger: Bei vielen Methoden des CD-Labors geht es darum, das Material mit Elektronen oder Röntgenstrahlen zu beschießen, und aus den Reaktionen Rückschlüsse auf die kleinsten Strukturen des Materials zu ziehen. Als besonders spannendes Beispiel hebt Preisträgerin Schalk die Atomsonde hervor – immerhin beherbergt die Montanuniversität Leoben die beiden einzigen Atomsonden Österreichs: Herauspräparierte dünne Spitzen von wenigen hundert Nanometern werden Atom für Atom verdampft – die verdampften Atome landen auf einem positions-sensitiven Detektor der es erlaubt darauf zurückzuschließen, welches Atom wo war. Man kann Teile der Beschichtung also tatsächlich auf nahezu atomarer Ebene darstellen. All diese Geräte funktionieren aber natürlich nicht von selbst für diese spezielle Anwendung: Ein großer Teil der Forschung ist Methodenentwicklung.
„Ich bin begeisterte Experimentalforscherin! Wir arbeiten mit winzigen Proben an riesigen Geräten und erforschen und beschreiben eine Welt, die bisher unsichtbar war. Damit schaffen wir Daten, die später vielleicht für Simulationen verwendet werden können. Neues Wissen als Basis für Innovation – ganz im Sinne der Christian Doppler Forschungsgesellschaft, deren Fördermodell meine Forschung in dieser Form erst ermöglicht,“ freut sich Preisträgerin Nina Schalk.
Erfolge und Ergebnisse
Innovation über den Stand der Technik hinaus: Bis vor wenigen Jahren wurden neue Beschichtungen über Trial und Error entwickelt. Die neuen Methoden ermöglichen es nun, zu verstehen, warummanche Materialien und Methoden besser geeignet sind als andere. Auf dieser Basis können nun vom Unternehmen Vorschläge für noch bessere Materialien entwickelt und geprüft werden.
Dragonskin: Basierend auf den Ergebnissen dieser Untersuchungen hat CERATIZIT neue beschichtete Hartmetallsorten für das Drehen von Stahl entwickelt, die im Januar 2022 erfolgreich als sogenannte Dragonskin Beschichtungen auf den Markt gebracht wurden. Diese haben eine höhere Haltbarkeit und außerdem eine Indikatorschicht, die starken Verschleiß und das nahe Ende der Lebenszeit rechtzeitig erkennt. Der Austausch des Werkzeugs erfolgt also genau zum richtigen Zeitpunkt – nicht zu früh und nicht zu spät, ein weiterer Beitrag zur Ressourcenschonung.
Nachhaltigkeit: Bei der Verwendung der beschichteten Werkzeuge wird es oft sehr heiß, es werden also Kühl- und Schmiermittel eingesetzt, die oft umweltschädlich sind – bessere Beschichtungen können den Einsatz dieser Chemikalien deutlich reduzieren.
Kreislaufwirtschaft: Durch das größere Wissen wird es zum Beispiel möglich, wieder weniger verschiedene Elemente in die Beschichtungen einzubauen als zuletzt üblich – weil besser verstanden wird, welche Eigenschaften wie erreicht werden können. Damit wird einerseits die Abhängigkeit von kritischen Elementen wie z.B. Tantal reduziert, andererseits sind „sortenreinere“ Materialien auch besser recyclierbar - eine wichtige Voraussetzung für Kreislaufwirtschaft.
„Die Ceratizit Gruppe ist international das am stärksten wachsende Unternehmen im Umfeld der Zerspanung. Ziel ist es, zu den Top 3 Unternehmen zu zählen und dies mit Innovationen in technischen Bereichen und der Nachhaltigkeit, um zu setzen. Dies ist nur mit fundiertem Wissen möglich, welches im Rahmen des CD-Labors erarbeitet wird. Nur damit kann es möglich werden die Vorgänge am Zerspanwerkzeug besser zu verstehen, die Materialien weiter zu optimieren und die Technologie weiter voran zu treiben. Damit ist dieses CD-Labor ein essentieller Baustein in der Forschungsstrategie der Ceratizit Gruppe," betont Christoph Czettl, R&D Manager Cutting Tools beim Unternehmenspartner CERATIZIT.