„Gut – besser – grüner!“, so war der Titel des Vortrags von Gabriela Maria Straka, Director Corporate Affairs and CSR der Brau Union Österreich, den sie im Rahmen des Mission Innovation Austria Online-Events „Dialog in Fokusgruppen: 100 % erneuerbare Wärme und Kälte in der Industrie“ letzten Mai hielt. Die Brauerei in Göss in Leoben hat es nämlich schon geschafft: Sie produziert klimaneutral. Das Format „Dialog in Fokusgruppen“ wurde vom Klimaschutzministerium (BMK) in Kooperation mit dem Klima- und Energiefonds eingerichtet, um strategische Forschungsfragen in Themenbereichen wie „Gebäude und urbanes System“, „Industrie“ sowie „Energiesysteme und Netze“ zu diskutieren. Das Ziel ist aber nicht nur der Gedankenaustausch und die Vernetzung, sondern die Ergebnisse sollen, mit vielen Inputs aus der Praxis angereichert, auch zur Gestaltung von Österreichs Strategie- und Förderschwerpunkten dienen.
Auf der jüngsten Veranstaltung erfuhr man beispielsweise, wie die Brau Union, ein Unternehmen der Heineken Gruppe, die weltweit 160 Brauereien betreibt, mit der „Grünen Brauerei Göss“ in Leoben die weltweit erste klimaneutrale Großbrauerei geschaffen hat. Die steirische Traditionsbrauerei mit ihrer 160-jährigen Geschichte produziert seit 2016 zur Gänze nachhaltig und nimmt damit eine weltweite Vorreiterrolle ein. In Leoben wird demonstriert, wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei gleichzeitigem Erfolg in Unternehmen Einzug halten können. Mit Umweltprogrammen startete Gösser schon 1997 im Bereich Abwasser. Dann kam die Integration in das Fernwärmenetz, um die Abwärme sinnvoll zu nutzen, 2012 folgte eine 1.500 Quadratmeter große Solaranlage, in die 3,5 Mio. Euro investiert wurden, sowie 2015 eine Biogasanalage. Denn Kalkulationen nach wird sich die große Solaranlage demnächst amortisiert haben. Genutzt werden auch die „Abfälle“ aus dem Brauprozess ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft – etwa als Dünger. Das benachbarte Sägewerk nutzt wiederum die Abwärme und bald will die Brauerei Göss 200 LKW mit Biogas fahren lassen.
Vorbildwirkung
Dieses umfangreiche, gut geplante Projekt ist natürlich auch ein Vorbild im Konzern. So werden in Österreich nun Schritt für Schritt alle neun Brauereien auf möglichst klimaneutralen Kurs gebracht. In Göss setzt man dazu auf die Kraft der Sonne mittels einer großen Solaranlage, die Kärntner Brauerei Villacher hat es dank ihrer Photovoltaikanlage zur Top 8 der Solar Brauereien weltweit gebracht und nun werden zahlreiche weitere Standorte für die grüne Produktion aufgerüstet. Schon 2019 durfte sich die Brauerei Schladming als zweiter Betrieb in Österreich „Grüne Brauerei“ bezeichnen. Hier dienen unter anderem Pelletsöfen zur Erzeugung der Prozesswärme, während in der Brauerei Zipf ab 2022 die Geothermie dafür sorgen soll.
Der nachhaltige und schonende Ressourceneinsatz entlang der ganzen Produktions- und Lieferkette wird vom Kunden auch geschätzt, wie Umfragen und die Absatzzahlen bestätigen. Sie legen viel Wert auf Regionalität, ein Produktionskonzept, dass auch in global agierenden Konzern funktionieren kann, wenn der erforderliche Spielraum gelassen wird. Heineken will zudem als erstes globales Brauereiunternehmen bis zum Jahr 2030 seine gesamte Produktion und bis 2040 auch seine gesamte Wertschöpfungskette CO2- neutral gestalten, um möglichst früh schon die Klimaziele zu erreichen. Das von der EU bislang angestrebte Datum 2050 sehen viele als zu spät an. In Brüssel und vielen Staaten wird längst über neue Ziele diskutiert.
Grüne Elektronik
Nicht weit entfernt von der Brauerei Göss hat sich ein gänzlich anderer Industriebereich ebenfalls hohe Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Einblick in die Energiestrategie des Leiterplattenspezialisten AT&S mit Sitz in Leoben gab Angela Laverde, Projektmanagerin für Energie. AT&S beschäftigt rund 10.000 Angestellte und betreibt sechs Fabriken in Europa und Asien. So sollen laut der Nachhaltigkeitsstrategie von AT&S etwa bis 2025 80 Prozent der Energie und ab 2030 100 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen, was in einigen Ländern aktuell noch eine große Herausforderung ist. Als Plan B könnten in manchen Regionen auch noch CO2-Zertifikate zugekauft werden. Weitere Themen auf Mission Innovation Austria Online Veranstaltung waren unter anderem Biogas und industrielle Abwärmenutzung, über die Martin Schlerka, CEO von Biogest berichtete, oder solare Prozesswärme, über die der Spezialist für Großsolaranlagen, Christian Holter von SOLID, referierte.
Die gut besuchte Online-Veranstaltung startete nach der Begrüßung durch Theresia Vogel vom Klima- und Energiefonds, die besonders die Vorzeigeregionen für Energie in Österreich hervorhob, sowie Theodor Zillner vom BMK, der die Wichtigkeit des Dialogs zwischen Industrie und Forschung betonte. Silvia Gehrer, Projektkoordinatorin für Grüne Industriepolitik im BMK, erklärte in ihrem Impulsreferat nsbesondere den europäischen Aspekt der Industriepolitik und Themen wie den nationalen Aufbauplan. Danach präsentierte Christoph Brunner, Geschäftsführer der AEE INTEC, die Ergebnisse der strategischen Forschungsagenda der Technologie- und Innovationsplattform Renewable Heating and Cooling.
Forschungsplan für Heizen und Kühlen
Für erneuerbares Heizen und Kühlen (RHC-ETIP) wurde schon ein umfassender Forschungsfahrplan (Strategic Research and Innovation Agenda, SRIA) für die europäische Industrie erarbeitet, um das Ziel einer 100 Prozent erneuerbaren Wärme- und Kälteversorgung rechtzeitig zu erreichen. Die Europäische Kommission unterstützt RHC-ETIP schon seit 2008, die seit 2016 zu einer Technologieplattform ausgebaut wurde, um den Forschungsbedarf und strategische Prioritäten für die europäische Industrie und den Forschungsakteuren zu evaluieren. Sie ist zugleich ein Hauptumsetzungsmechanismus des EU Strategic Energy Technology Plan (SET). 2019 wurden hierfür Technologien wie Solar Thermal, Biomass, Geothermal, Heat Pump, District Heating & Cooling & Thermal Storage und horizontale Arbeitsgruppen wie Cities, Districts, Buildings und Industries eingerichtet. Ein wichtiger Faktor ist besonders die Industrie. „Sie stellt rund 32 Prozent des weltweiten Energiebedarfs“, so Brunner. In der Industrie selbst fallen rund 74 Prozent des Endenergiebedarfs auf thermisch betriebene Prozesse, wobei die Hälfte eine Temperatur unter 200 Grad benötigt – sich also etwa gut für Solarthermie eignet. Das Ziel von Europa, bis 2050 klimaneutral zu werden, ist laut Brunner jedenfalls durchaus umsetzbar. Österreich verfolgt deutlich ambitioniertere Ziele. Nötig dafür seien aber laut dem Energieexperten koordinierte Strategien auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene. Und da das Zeitfenster immer enger wird, müsse es gerade in den nächsten Jahren maximale Anstrengungen geben, wobei etwa auch die Hybridisierung von erneuerbaren Energiesystemen oder eine flexiblere Brennstoffauswahl eine wichtige Rolle spielten.