Zwischen Vertrauen und Skepsis

05.03.2025 | Bildung, Forschung, Slider, Themen

Studien zeigen: Neue Kommunikationswege sind für die Wissenschaft ein Muss. In Wien entsteht aktuell Österreichs modernstes und größtes Science Communication Center. Aber wird es Fake News und Demokratieverdrossenheit tatsächlich eindämmen können, wie sich viele erhoffen? Und welche Rolle kann Wissenschaftskommunikation überhaupt spielen?

Anschauen, angreifen, mitmachen – mit Wiens neuem Wissenschaftszentrum sollen Forschung, Technologie und Innovation auf besondere Art erlebbar werden. Mit rund 17 Millionen Euro Baukosten entsteht in der „Alten Universität“ in der Wollzeile im ersten Wiener Gemeindebezirk Österreichs modernste und größte Einrichtung für Wissenschaftskommunikation.
Eine Fläche von 4.500 Quadratmetern, bis zu 70.000 Besucher:innen jährlich, dazu moderne Wissenschaftsvermittlung auf höchstem Niveau – so die Zielsetzung.
Symbolisch wurde das „Austrian Science Communication Center“ (ASCC) im Dezember 2024 mit einer gemeinsamen Gründungsurkunde der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Wien und der Technischen Universität ins Leben gerufen. Derzeit läuft die Architektenausschreibung, 2027 soll das ASCC seine Pforten öffnen und „ein lebendiges Experimentierlabor für eine Avantgarde des Wissenschaftsdialogs“ werden.

Der Besuch des Zentrums soll über bloß passives Betrachten hinausgehen, vielmehr soll ein gemeinsamer Prozess zwischen Besucher:innen und Wissenschaftler:innen entstehen. Idealerweise landen die Gäste daher nach dem Durchlaufen durch die Ausstellungen in den daran anschließenden Mitmach-Labors, um aktiv in Forschungsprozesse eingebunden zu werden. „Partizipation“, „Interaktion“ und „Wissenschaft auf Augenhöhe“ sind die zentralen Stichworte bei der Realisierung des innovativen Projekts.
Die Zeit scheint jedenfalls reif dafür: Wissenschaftskommunikation hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Längst sind es nicht mehr nur einzelne honorige Professoren, die in Zeitungen oder im Fernsehen über neue Forschungsergebnisse berichten – Wissenschaft und die in diesem Bereich Tätigen treten aus dem „Elfenbeinturm“ heraus. In diesem Sinne soll die Wissenschaftskommunikation komplexe Spitzenforschung verständlich machen, das Vertrauen in die Wissenschaft stärken und die gesellschaftliche Relevanz von Grundlagenforschung verdeutlichen.

Besonders in der Corona-Pandemie nahm das Interesse an Wissenschaft weltweit zu. „Mit eigener Betroffenheit steigt das Interesse an Wissenschaft enorm, das wissen wir aus der Gesundheitskommunikation“, sagt Andreas Scheu, Professor für Wissenschaftskommunikation an der Universität Klagenfurt und Leiter der Forschungsgruppe „Science Communication & Science Journalism“ am Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW. Doch mit der erhöhten Aufmerksamkeit kamen auch neue Fragen auf – etwa, ob Maßnahmen wie Lockdowns, Schulschließungen oder Impfempfehlungen wissenschaftlich gerechtfertigt sind oder nicht. Während in sozialen Medien Mythen und „Fake-News“ florierten, hatte seriöse Wissenschaftsvermittlung einen schweren Stand. Bei vielen entstand der Eindruck, „die Wissenschaft“ wäre sich in vielen Fragen uneins. Dass unterschiedliche Einschätzungen und Ergebnisse aber Teil wissenschaftlicher Prozesse sind, blieb vielen gleichzeitig unverständlich. „Das ist die neue Realität, mit der sich Wissenschaftskommunikation heute auseinandersetzen muss“, so Scheu.

Andreas Scheu betont, dass die richtige Strategie wichtig sei: „Nicht mehr, sondern differenzierte Kommunikation ist gefragt.“

Das Interessante: Während in Ländern wie Österreich, Deutschland oder den USA die Pandemie die Bevölkerung spaltete, kam es in Portugal kaum zu Protesten gegen Maßnahmen. Das Land wurde Europameister bei Covid-Impfungen, die Bevölkerung folgte den Empfehlungen von Wissenschaft und Politik. Experten führen dies unter anderem auf eine über Jahrzehnte hinweg praktizierte nachhaltige Wissenschaftsvermittlung zurück. Bereits 1996 gründete der damalige Wissenschaftsminister José Mariano Gago die „Ciência Viva“ als nationale Agentur für wissenschaftliche und technologische Kultur. Wissenschaft hatte damals, ähnlich wie in Österreich, kaum einen gesellschaftlichen Stellenwert. Ein Netz interaktiver Wissenschaftszentren, das vor allem Kinder und Jugendliche ansprach, änderte das. Heute organisieren diese Zentren auch zahlreiche Touren durch Portugal, bei denen wissenschaftliche und kulturelle Highlights an über 200 Stationen erlebbar sind. Diese nachhaltige Vermittlungsarbeit zeigt Wirkung: Laut Eurobarometer-Umfrage gehört Portugal beim Vertrauen in Wissenschaft neben Schweden und Litauen zu den EU-Spitzenreitern.

Der Eurobarometer-Vergleich von 2024 zeigt aber auch eine deutliche Diskrepanz zu Österreich: Während in Schweden 94 und in Litauen sowie Portugal 92 Prozent der Bevölkerung den Einfluss von Wissenschaft und Technologie auf die Gesellschaft als positiv bewerten, liegt Österreich mit 72 Prozent auf dem vorletzten EU-Platz. Mehr Wissenschaftskommunikation sei für Österreich also keine schlechte Idee, meinen Expert:innen, insbesondere da sich im heimischen „Wissenschaftsbarometer“ nur knapp ein Drittel der Bevölkerung gut über Wissenschaft und Forschung informiert fühlt. Doch für Andreas Scheu kommt es auf die richtige Strategie an: „Nicht mehr, sondern differenzierte Kommunikation ist gefragt.“ Zudem dürfe man nicht allein auf Vertrauen setzen: „Ein unbedingtes Vertrauen in Wissenschaft aufzubauen, wäre problematisch.“ Denn auch die Wissenschaft hat ihre Baustellen: Datenfälschungen, nachträglich veränderte Studiendesigns, Publikationen ohne Peer-Review, prekäre Arbeitsverhältnisse oder Wissenschaftler:innen, die sich zu Themen äußern, in denen sie keine Expertise haben, sind hier anzuführen.

„Wissenschaftler:innen sollen sich in der Politikberatung abgrenzen und informieren, nicht aber die Politik legitimieren.“ Heinz Faßmann

Kritisch zu hinterfragen sei auch das „oft unstillbare Bedürfnis von Wissenschaftler:innen zur Politiknähe“, wie es Heinz Faßmann, Präsident der ÖAW, schon 2023 bei der Präsentation der „Wiener Thesen zur wissenschaftlichen Politikberatung“ formulierte. Darin heißt es sinngemäß, dass sich Wissenschaft klar von der Politik abgrenzen und nicht die Rollen wechseln soll: Wissenschaft soll ein „ehrlicher Wissensmakler“ sein und informieren, aber Politik nicht legitimieren. Wer Wissenschaft kommuniziert, so Scheu, sollte auch diese kritischen Punkte benennen. Studien zeigen jedenfalls deutlich, dass das Vertrauen steige, wenn man auch kritische Themen, Unsicherheiten oder schwarze Schafe anspreche. Ziel sei daher nicht blindes, sondern informiertes Vertrauen und ein differenziertes Verständnis für wissenschaftliche Arbeitsweisen aufzubauen.

Wissenschaftsjournalismus spielt hier eine wichtige Schlüsselrolle. Seine „Übersetzungsleistung“ trägt erheblich zum besseren Verständnis von Forschung bei. Doch in der heutigen Medienlandschaft mit Social Media als direktem Kommunikationskanal ist er längst nicht mehr der einzige Akteur. Scheu: „Wissenschaft kann auch selbst niedrigschwellig wirken, und es gibt zahlreiche Formate dafür.“ Denn die Wissenschaftskommunikation ist vielfältiger als je zuvor: Digitale und interaktive Medien sind Standard. Plattformen wie Bluesky, Twitter/X, Instagram oder TikTok ermöglichen einen direkten Austausch zwischen Wissenschaftler:innen und Zielgruppen. Erlebnisorientierte Formate wie Science Slams, Wissenschaftsfestivals oder Escape Rooms machen Wissenschaft greifbar, Citizen-Science-Projekte ermöglichen aktive Teilhabe. Auch in Österreich haben sich diesbezüglich viele Formate etabliert.

Trotz zahlreicher Initiativen stößt Wissenschaftskommunikation aber auch an Grenzen. „Sie ist ein wichtiger Baustein, aber kein Wundermittel“, betont Scheu. Der Eindruck, sie allein könne Falschinformationen eindämmen oder das Vertrauen in die Demokratie stärken, erscheint überzogen. „Wissenschaftskommunikation wird damit eher überfordert.“

Wie aber umgehen mit den 20 Prozent Wissenschaftsskeptikern in Österreich und den fünf Prozent, die sogar wissenschaftsfeindlich sind? Zwar ist die Lage immerhin besser als in Deutschland, wo fast doppelt so viele der Wissenschaft ablehnend gegenüberstehen, doch gesellschaftlich ist das wenig tröstlich. „Diese Gruppen sind nicht vernachlässigbar“, warnt der Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin von der Universität Klagenfurt und Direktor des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (CNC) am ÖAW.

„Wissenschaftsskeptiker:innen und -feind:innen können großen politischen Einfluss haben, auch wenn sie nur eine Minderheit sind.“ Studien zeigen zudem, dass Wissenschaftsskepsis oft mit allgemeiner Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit einhergeht.

Ob bessere Wissenschaftskommunikation daran etwas ändern kann? „Einen Teil kann man vielleicht erreichen“, meint Scheu – mit der Summe aller Formate auf allen Off- und Online-Kanälen und auch durch Projekte wie das neue Science Communication Center, ein Generationenprojekt. Doch manche werden ihre Einstellung beibehalten. Scheu betont: „In einer Demokratie ist auch das erlaubt. Nicht jede:r muss sich für alles interessieren. Und das ist auch gut so.“

Norbert Regitnig-Tillian

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