Uniklinikum Graz stärkt Robotik-Chirurgie: Zweites „Da Vinci“-System verdoppelt die Kapazitäten

Nov. 6, 2024 | Forschung, News mittlere Spalte

Seit der ersten robotergestützten OP mit „Da Vinci“ vor rund drei Jahren hat sich das Spektrum der Eingriffe mit modernen Robotersystemen am Uniklinikum Graz enorm erweitert und reicht heute von der Prostata-OP bis zur Nierenlebendspende. Seit März dieses Jahres ist ein zweiter Da Vinci im Einsatz. Beide Systeme sind zu hundert Prozent ausgelastet. Wir fragen nach: Wobei bewähren sie sich besonders? Bei welchen Eingriffen sind sie unverzichtbar? Und welche Bereiche werden demnächst hinzukommen?

Im November vor drei Jahren wurde am Uniklinikum Graz der erste „Da Vinci“ installiert, knapp zweieinhalb Jahre nach seiner Premiere bekam „Da Vinci“ Verstärkung durch ein zweites Gerät seiner Art. Seither sind die beiden Chirurgieroboter an fünf Tagen pro Woche im Einsatz: Eines der Geräte wird vollständig von der Urologie betrieben (fünf Tage pro Woche), das zweite nützen die Klinische Abteilung für Gynäkologie und die Klinische Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie gemeinsam.

Zu hundert Prozent ausgelastet und unentbehrlich

Beide Systeme sind voll ausgelastet. „Das zeigt, wie groß der Bedarf ist und dass die Entscheidung für diese Investition goldrichtig war“, sagt der KAGes-Vorstand für Finanzen und Technik, Mag. DDr. Ulf Drabek, MSc MBA. „Mit der Anmietung eines zweiten Da Vinci-Systems im März dieses Jahres konnten wir die Kapazitäten für unsere Patient*innen verdoppeln, das Behandlungsspektrum erweitern und die Versorgung damit auf ein sehr hohes Niveau heben. Patient*innen profitieren von den minimalinvasiven, schonenden Eingriffen durch geringeren Blutverlust, weniger Schmerzen, kleinere Narben und deutlich schnellerer Genesung.“

KAGes-Vorstandsvorsitzender Univ.-Prof. Ing. Dr. Dr.h.c. Gerhard Stark ist ebenfalls überzeugt von den Qualitäten, die diese hochmodernen Geräte in der Patient*innenversorgung bieten: „Durch die Präzision, die bessere Sicht und die entspannte Arbeitshaltung an der Konsole können komplexe und auch lange Eingriffe absolut präzise durchgeführt werden.“ Der zweite „Da Vinci“ wurde am Uniklinikum jedenfalls mit offenen Armen empfangen, was auch die Zahlen widerspiegeln. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 sind schon gleich viele Eingriffe robotergestützt erfolgt wie im gesamten Jahr davor, nämlich 415. Auf der Urologie waren es mit 265 OPs sogar mehr als im gesamten Jahr davor.

©LKH-Univ. Klinikum Graz / Marija Kanizaj
Blick in den OP während eines Eingriffs

©LKH-Univ. Klinikum Graz / Kurt Remling
Univ.-Prof. Dr. Sascha Ahyai, Klinikvorstand der Univ.-Klinik für Urologie des LKH-Univ. Klinikum Graz

Neue Maßstäbe für Präzision und Versorgung

Federführend bei der Implementierung des ersten „Da Vinci“ vor drei Jahren war Univ.-Prof. Dr. Sascha Ahyai, Vorstand der Universitätsklinik für Urologie und seit mehr als zehn Jahren renommierter „Roboterchirurg“. Für ihn sind chirurgische Telemanipulatoren – das Wort „Roboter“ ist im Grunde irreführend – für eine zeitgemäße medizinische Versorgung unentbehrlich. „Die Vorteile robotisch gestützter Eingriffe für Patient*innen sind enorm und reichen von zehnfach besser Sicht für Chirurg*innen bis dahin, dass Patient*innen insgesamt weniger Schmerzmittel brauchen. Natürlich ist es möglich, ohne robotische Systeme zu operieren, aber das wäre ein enormer Rückschritt.“

Das Haupteinsatzgebiet der robotergestützten Chirurgie ist – international wie auch in Graz – die Urologie. Hier assistiert „Da Vinci“ an fünf Tagen pro Woche bei einer ganzen Spannbreite von Eingriffen. Der häufigste Eingriff ist die Operation eines Prostatakarzinoms, dem häufigsten Tumor bei Männern (6.000 Neudiagnosen in Österreich pro Jahr). „Bei der Prostataentfernung, ob mit oder ohne Entfernung der Beckenlymphknoten, setzen wir Da Vinci absolut routinemäßig ein“, erzählt Univ.-Prof. Dr. Ahyai. Der zweithäufigste Eingriff auf der Urologie ist die Nierenteilresektion, also die Entfernung des von einem Tumor betroffenen Nierenbereichs mit Erhalt der Niere. Hinzu kommt eine große Bandbreite zwischen Nierenbeckenplastik und Blasensenkungen bis hin zu seltenen OPs des Peniskarzinoms oder Fistel-OPs, wobei sich das Spektrum der robotergestützten Operationen laufend erweitert.

Mit „Da Vinci“ gegen Gebärmutterkrebs und Endometriose

Auch in der Gynäkologie ist „Da Vinci“ bei vielen Operationen mittlerweile standardmäßig im Einsatz. Die häufigsten robotergestützten Eingriffe an der Klinischen Abteilung für Gynäkologie am Uniklinikum Graz sind die Gebärmutter- und Lymphknotenentfernung bei Patientinnen mit Gebärmutterkrebs. Weiters wird das System bei Patientinnen mit ausgedehnter Endometriose oder großen Myomen eingesetzt. Je nachdem, welche Organe betroffen sind, operieren bei Endometriose-Operationen Gynäkolog*innen und Urolog*innen gemeinsam an der Konsole. So können innerhalb einer einzigen OP sämtliche Endometrioseherde entfernt werden.

©LKH-Univ. Klinikum Graz / Marija Kanizaj
Der Blick durchs Okular
Die Konsole des „Da Vinci“-Systems

Von Pankreas-OPs bis Nierenlebendspende

Am stärksten erweitert wird das Spektrum der robotergestützten Eingriffe derzeit im Bereich der Viszeralchirurgie. Auch an der Klinischen Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Uniklinikum Graz hat sich die roboterassistierte Chirurgie bei vielen Eingriffen als Standard etabliert. Beispiele sind die Pankreasresektionen, also die Teilentfernung der Bauchspeicheldrüse, Rektum-Operationen, das gesamte Spektrum der Leberchirurgie wie die Resektion von bösartigen Tumoren in der Leber, die minimalinvasive Behandlung gut- oder bösartiger Leberläsionen sowie die Entfernung der Nebennieren und der Milz. Der Trend geht ungebrochen weiter hin zum Roboter. Auch Operationen für Nierenlebendspenden werden in Graz robotisch durchgeführt. Die Vorteile dieser Art der minimalinvasiven OP wie weniger Schmerzen und schnellere Genesung heben auch die Bereitschaft zu Organspenden sowie auch die Akzeptanz vonseiten der Empfänger*innen.

Wo liegen „Da Vincis“ Schwächen?

Nicht einsetzbar sind Chirurgieroboter bisher in der Akutchirurgie, bei jeder Form von Traumata und wann immer Infektionen oder ein Eitergeschehen im Spiel sind. „Mir ist wichtig, dass den Patient*innen klar ist, dass diese Systeme absolut nichts alleine machen. Jede kleinste Aktion ist vom Chirurgen gesteuert, einzig und allein das etwaige Zittern der chirurgischen Hand wird automatisch herausgefiltert“, sagt Univ.-Prof. Dr. Ahyai. „Wir haben am Uniklinikum die für Patient*innen vorteilhafte Situation, dass alle Roboterärzt*innen auch offen operieren können. In vielen Kliniken können sie nur das eine oder das andere. Ein Wechsel von der Konsole hin an den OP-Tisch ist so bei Bedarf jederzeit sofort möglich“, ergänzt KAGes-Vorstandsvorsitzender Gerhard Stark.

Investitionen in topmoderne Operationstechnik

Welches Resümee lässt sich zur modernen Roboterchirurgie ziehen? „Unser Anspruch ist es, unseren Patient*innen immer die bestmögliche medizinische Versorgung zu garantieren. Durch ihr enormes Potenzial, insbesondere bei der Präzision und gleichzeitiger Minimalinvasivität, sind OP-Roboter die beste Grundlage dafür, dass das große chirurgische Know-how unserer Ärzt*innen perfekt unterstützt wird“, bekräftigt der KAGes-Finanzvorstand Ulf Drabek. „Deshalb investieren wir auch weiterhin in neue Technologien, die sicherstellen, dass unsere Patient*innen von den Fortschritten in der Medizin profitieren können.“ Und die robotischen Systeme entwickeln sich rapide weiter. In der Zukunft werden auch komplizierte Operationen über einen einzigen minimalinvasiven Zugang möglich sein, während es heute noch vier kleine Schnitte braucht.

Mehr Informationen unter uniklinikumgraz.at

Autor: Redaktion