Können Kunstuniversitäten Zentren für universitäre Ausgründungen, vulgo „Spin-offs“, sein? Für Österreich klingt das (noch) exotisch. Die britische Kunst- und Designuniversität „Royal College of Art“ (RCA) zeigt aber vor, wie es gehen könnte: Die internationale Top-Universität betreibt seit 20 Jahren einen eigenen Inkubator („InnovationRCA“). Aus ihm sind bereits mehr als 70 höchst unterschiedliche und erfolgreiche Spin-offs entstanden, etwa „Gravity Sketch“, ein Unternehmen, das ein virtuelles 3D-Design- und Kollaborationstool anbietet, das Designern ermöglicht, Skizzen sofort in 3D-Modelle umzusetzen, oder „Pentaform“, das modulare und sehr preiswerte Computer speziell für Bildungszwecke in Entwicklungsländern baut, oder „Tyre Collective“, ein Technologieunternehmen, mit dem Reifenabrieb bereits während des Fahrens umweltschonend gesammelt wird.
UKBAA Angel Investment Award als „Incubator of the year“
2019 hat das Ausgründungszentrum der RCA den begehrten UKBAA Angel Investment Awards als „Incubator of the year“ gewonnen. Die Lizenzeinnahmen der Universität sprudeln. Investoren können sich bereits frühzeitig an neuen Projekten beteiligen – und das steuerbegünstigt: Denn das RCA legt im Rahmen staatlicher Seedprogramme und in Kooperation mit Fondsgesellschaften auch einen eigenen Risikokapitalfonds auf. Insgesamt hat der RCA-Inkubator bislang mehr als 150 Millionen Euro an Risikokapital angezogen, das sich mit einem durchschnittlichen Faktor fünf rentiert. Dass diese Spin-offs aus so unterschiedlichen Bereichen stammen, kommt auch nicht von ungefähr: Das RCA betreibt mehr als ein halbes Dutzend Forschungszen-tren, die Kunst- und Designforschung mit Fragen des demographischen Wandels, Klima, Mobilität, Ernährung oder Robotik verknüpfen. Nicht schlecht, meinen Experten, und glauben, dass dieses Modell auch für Österreich einen Weg darstellen könnte, um Österreichs Spin-off-Quote von derzeit jährlich 90 auf 180 universitäre Unternehmensgründungen zu verdoppeln.
Der Weg dorthin könnte aber steinig werden. Denn universitäre Ausgründungen, also Spin-Offs, zählen in Österreich generell zu den „Sorgenkindern“ der Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) – und Kunstuniversitäten waren darin in Sachen Spin-offs bisher überhaupt ein unbeschriebenes Blatt.
Schlechte Note bei Spin-off-Quote
Interessant dabei: Das österreichische FTI-System hat in den letzten Jahrzehnten eine beachtliche Aufholjagd hingelegt. So erreicht Österreich in internationalen Statistiken Spitzenplätze bei der Forschungsquote, den Zitationsrankings und Patenten. In dem an sich guten Innovations-Zeugnis blieb die Spin-off-Quote aber weiterhin die „schlechte Note“, die es auszubessern gilt. Denn deren Rate kommt trotz aller Bemühungen weiterhin nur unter dem EU-Durchschnitt zu liegen.
Zwar wurde in der FTI-Strategie des Bundes schon 2020 festgeschrieben, dass die Spin-off-Quote bis 2030 zu verdoppeln sei. „Bis jetzt hat sich da allerdings noch wenig getan“, berichtet (Aus-)Gründungsexperte Werner Wutscher, der für das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) die Spin-off-Situation analysierte. So sei die Anzahl der Spin-offs mit 90 jährlichen Ausgründungen seit 2020 nur auf demselben Niveau geblieben.
Neuer Richtlinienkatalog
Für die nächste Leistungsvereinbarungsperiode (2025-2027) hat das BMBWF auf Wutschers Untersuchungsbasis einen neuen Richtlinienkatalog erarbeitet, nach dem Österreichs Universitäten standardisierte und transparente Ausgründungsroutinen entwickeln und implementieren sollen. Das Zehn-Punkte-Programm sieht unter anderem vor, dass alle Universitäten Entrepreneur-Ausbildungen anbieten sollen oder dass alle notwendigen Informationen für Gründungswillige mit einem Mausklick abrufbar sind: etwa Musterverträge für Patent- und Markenrechte oder Prozentsätze für Lizenz- und Beteiligungsraten.
Dabei werden im Ministeriumsvorschlag sogar schon Richtwerte definiert: Je nach Branche sollen Universitäten zwei und fünf Prozent der Umsatzerlöse an Lizenzgebühren verlangen können und je nach Beanspruchung universitärer Ressourcen fünf bis 20 Prozent der Unternehmensanteile als Universitätsbeteiligung. Geregelt wird auch, wie lang eine Ausgründung dauern darf (sechs Monate) und wie ein Ausgründungszentrum rechtlich implementiert werden soll (als GmbH der Universität).