Die österreichische Bauwirtschaft gerät nach wie vor regelmäßig in den Fokus der medialen Berichtserstattung, bedingt durch Vorfälle und Skandale im Zusammenhang mit Kartellbildungen und Verstößen gegen Bauvorschriften. Rechtliche Grenzüberschreitungen können jedoch auch ohne kriminelle Absichten stattfinden. „Rechtsdeutsch“ und dessen Auslegung ist nicht jedermanns Sache und oftmals beschäftigen Generalunternehmen zusätzlich eine Vielzahl von unterschiedlichen Subunternehmen, was das gesetzeskonforme Zusammenspiel höchst komplex gestalten kann.
Im Rahmen ihrer Masterthesis im Studiengang Internationale Wirtschaftsbeziehungen mit Schwerpunkt auf Legal Management an der FH Burgenland untersuchte Jennifer Nussbaumer Strategien, die Unternehmen dabei unterstützen sollen, ihre meist ohnehin vorhandenen Compliance-Richtlinien bei Subunternehmen in der österreichischen Bauwirtschaft durchzusetzen. Sowohl die Ergebnisse der Interviews mit Fachexpertinnen und - experten als auch die aktuellen Schlagzeilen zeigen auf, dass noch einiges an Nachholbedarf besteht.
Erläuterungen zum Hintergrund
In der österreichischen Bauwirtschaft beauftragen Generalunternehmen in der Regel mehrere Subunternehmen mit der Ausführung von Aufträgen. Dabei trägt das Subunternehmen eine gewisse Verantwortung für die Reputation sowie auch teilweise strafrechtliche Verantwortlichkeit des Generalunternehmens bei schuldhaftem Verhalten. In der oft unübersichtlichen Verkettung der Subunternehmen können Compliance-Verletzungen aus unterschiedlichen Ursachen und Motiven auftreten. Aus diesem Grund ist die Zusammenarbeit zwischen Generalunternehmen und Subunternehmen werkvertraglich geregelt und es gibt die sogenannten Compliance- Richtlinien.
Regeln zu haben allein reicht nicht aus
Nach einer umfassenden Literaturrecherche und zahlreichen Unternehmenskontakten führte Jennifer Nussbaumer neun Leitfadeninterviews mit ausgewählten Fachexpertinnen und -experten aus der österreichischen Baubranche, die repräsentativ aus sieben Bundesländern ausgewählt wurden. In ihrer Studie stellte die Autorin fest, dass die vorhandenen Strategien in der Praxis noch nicht ausreichend umgesetzt zu sein scheinen. „Die Expert*innengruppe bestätigte, dass allein das Bereitstellen von Compliance-Richtlinien nicht ausreicht, um sie erfolgreich durchzusetzen.“
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
- Eine vorbildliche Rolle der Führungskräfte erwies sich in den Interviews als eine der effektivsten Strategien zur Durchsetzung von Compliance-Richtlinien.
- Schulungen sind entscheidend, um den beteiligten Mitarbeitenden die Inhalte des Vertrages zu vermitteln.
- Compliance-Themen sollten in die regelmäßigen Mitarbeiter*innengespräche integriert werden.
- Es ist wichtig, Meldestellen bereitzustellen, damit den Mitarbeitenden bewusst ist, an wen sie sich bei
- (juristischen) Fragen wenden oder wem sie Missstände vertraulich melden können.
- Das Aufzeigen von Vorteilen bei Einhaltung hat sich in den Gesprächen als effektiv erwiesen. Dabei wurde festgestellt, dass Lob und Anerkennung oft nicht ausreichend wirksam sind, da der monetäre Gedanke im Vordergrund steht.
- Die Etablierung von Compliance-Themen bereits während der Ausbildung ist von entscheidender Bedeutung.
Compliance und Unternehmerreputation in der Baubranche
Jennifer Nussbaumer betont: „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen sich dessen bewusst sind, dass die Nichteinhaltung von Compliance-Regeln ihren eigenen Interessen schadet.“ Sie hebt hervor, dass sich im Gegenzug die Einhaltung dieser Regeln positiv auf die persönliche Integrität der handelnden Akteure sowie auf das Unternehmen selbst und dessen Reputation auswirkt.
Ihr Fazit: „Die Herausforderungen in diesem Sektor sind erheblich. Viele Generalunternehmer*innen delegieren sämtliche Aufgaben nach dem Rohbau an Subunternehmer*innen, was zu einer starken Vernetzungskomplexität führt. Eine umfangreiche Betrachtung sämtlicher relevanter Faktoren ist erforderlich, um diese optimal und gesetzeskonform zu bewältigen.“