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Robotik mit Gefühl
Bots müssen sensibler werden
Industrieroboter und hochspezialisierte mechanische Helfer sind hochbeliebt. Den Humanoiden mangelt es hingegen noch an Gefühl und Einfühlungsvermögen. Wo steht die Robotik?
Am perfekten, möglichst menschähnlichen Roboter wird schon lange gearbeitet. Einer der legendären Humanoiden ist etwa Sophia, ein sozialer Roboter, der von Hanson Robotics mit reichlich KI ausgestattet wurde, um menschliche Konversation führen zu können. Doch wirklich faszinierend ist ihre Mimik. Sophia kann sehr viele Emotionen zeigen und erfassen, merkt sich Gesichter und einiges mehr und wird, seitdem sie im Februar 2016 das erste Mal als Forschungsprojekt eingeschalten wurde, laufend weiterentwickelt. Mittlerweile hat sie auch schon eine kleine Schwester, Little Sophia, die nicht zur Forschung dient, sondern Kinder unterhalten, begleiten und ihnen insbesondere MINT-Fächer, AI und Programmieren beibringen soll.
Für Aufsehen sorgte in diesem Feld im Jahr 2015 der freundliche, kindsgroße Begleit- und Lernroboter „Pepper“ vom Technologie- und Roboterkonzern Softbank. Die Produktion des teuren Spielzeugs wurde aber kürzlich mangels Nachfrage eingestellt. Während sehr menschliche Allround-Roboter offensichtlich noch zu große Mängel etwa im Bereich KI-gestützte Dialoge haben, boomen Roboter für sehr spezialisierte Einsatzgebiete: vom Saugroboter fürs Haus, über die Industrie- und Service-Cobots bis hin zum Chirurgie-Roboter. Größen wie Softbank, Universal Robotics sowie Nvidia, Mircosoft und Amazon oder auch heimische Visionäre wie der Linzer Roboterspezialist Robart kämpfen um den Markt. Robart, der im Bereich intelligenter Saug- und Wischroboter weltweit sehr erfolgreich ist, setzt nun auf universellere Haushalts-Bots. Das Dienstleistungsgewerbe ist neben der Industrie einer der großen Hoffnungsmärkte. Der Softbank-Partner Bear Robotics schickt hierfür „Servi“ einen Servier-Roboter für Restaurants ins Rennen, der als rollender Servierzylinder wenig Menschliches an sich hat, aber seine Arbeit gut erledigt. Macco Robotics, ein spanischer Hersteller, hat neben Servier- und Desinfektionsbots mit KIME gleich einen ganzen humanoiden „bar-tending-kiosk“ entwickelt. Und für seine unglaublich agilen zwei- und mehrbeinigen Roboter wie dem Humanoid Atlas oder dem Vierbeiner SPOT ist wiederum Boston Dynamics bekannt. Sie dienen in vielen Bereichen wie in der Industrieinspektion oder bei Bergungseinsätzen oft in gefährlichen Umgebungen, dürfen aber keinesfalls als Waffe verwendet werden. Seit Juni 2021 hält die Hyundai Motor Group 80 Prozent und Softbank die restlichen 20 Prozent an Boston Dynamics.
Perfekte Chirurgen
Einen anderen Ansatz in der humanoiden Robotik verfolgt wiederum Toyota mit seinem 2017 präsentierten T-HR3, der perfekt die Bewegungen seines Bedieners nachahmen kann, also weniger auf eigene Intelligenz setzt. Die Idee dahinter ist, dass der mechanische Avatar ferngesteuerte chirurgische Operationen durchführt. Gerade in der Medizin hat diese Klasse der Roboter schon eine lange Tradition. Hier werken die OP-Roboter namens Da Vinci schon rund 20 Jahre und werden laufend weiterentwickelt. Sie haben drei Arme, die von einem Chirurgen remote gesteuert werden. Der Vorteil der neuen, möglichst humanoiden Robotern ist, dass sie einfacher von Menschen bedient werden können. Seit Covid-19 werden Roboter verstärkt in der Pflege zur Desinfektion und vielen weiteren Bereichen eingesetzt.
Weitere große Themen sind aktuell neben Cobots für die Zusammenarbeit oder Nanoroboter für die Medizin, etwa Cloud Robotic oder Robotik-Software. Die Cloud ermöglicht noch mehr Kollaboration, Wissensaustausch und somit schnelleres Maschinenlernen. Durch Cloud Robotic sind überhaupt erst autonome mobile Systeme wie etwa selbstfahrende Autos möglich, die nicht nur auf ihre Sensoren und Kameras setzen können, sondern auch Straßenpläne und Verkehrs- und Wetterinformationen berücksichtigen müssen. Aber auch in Bereichen wie Assisted Living, Logistik oder Industrie 4.0 wird auf Cloud Robotic gesetzt. Eines der frühen, visionären europäischen Forschungsprojekte hierzu ist RoboEarth.Von 2009 bis Ende 2013 wurde in diesem EU-geförderten Projekt daran gearbeitet, dass Roboter ihre Erfahrungen in Netzwerken untereinander austauschen können, um ein World Wide Web für Roboter zu schaffen. Darauf aufbauend gab und gibt es noch zahlreiche Projekte wie etwa das Open-Source-Start-up Rapyuta Robotics, eine Online-Datenplattform für RoboEarth.
Zukunft KI und Robotik
Auch in Österreich wird intensiv im Bereich KI und Robotik geforscht. Aber noch viel zu wenig, wie einige heimische KI- und Robotik-Spezialisten beklagen, die Angst haben, den Anschluss im internationalen Wettbewerb zu verlieren. „Die von der Regierung mit drei Jahren Verspätung vorgelegte KI-Strategie ist eine bittere Enttäuschung“, hieß es nach deren Verkündung in Alpbach in diesem Sommer in einer Stellungnahme, die von Vereinen wie Austrian Society for Artificial Intelligence, AI Austria, IARAI oder dem KI-Spezialisten Sepp Hochreiter vom Linz Institute of Technology (LIT) und zahlreichen weiteren Forschenden unterstützt wurde. Trotz der heißen Diskussion fließen – insbesondere in neue Programme wie AI for Green – beträchtliche Summen. Ob sich, wie von den Unterzeichnern gewünscht, mit der neuen KI-Strategie KI-Institute und Exzellenzzentren wie etwa in Deutschland oder England etablieren können, wird sich erst zeigen. Eine Strategie sollte ja nicht als starres System betrachtet werden. Übrigens ist heuer im Oktober 2021 das Mandat des Rates für Robotik (ACRAI) als Berater der Regierung ausgelaufen. Da wird wohl auch noch irgendwas nachfolgen.
Geforscht und gelehrt wird in Österreich insbesondere an den Universitäten wie der TU-Wien, der TU Graz, der JKU oder der Uni Salzburg sowie an Fachhochschulen wie etwa der FH OÖ, der FH Wiener Neustadt oder dem Technikum Wien. Weiters beschäftigen sich Forschungsinstitutionen wie das AIT, Joanneum Research oder Salzburg Research intensiv mit der Robotik. Das Know-how ist trotz der im Vergleich zu anderen Staaten geringen Mittel erstaunlich. So wurde jüngst an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten von MedUni Wien und AKH weltweit eine der ersten Operationen mit einer neuen Roboter-Technologie durchgeführt, die hier zum Einsetzen eines Cochlea-Implantats diente.
Mehr Gefühl
Wichtige Themen in der Entwicklung der Robtik sind etwa, wie die Zusammenarbeit mit den Menschen verbessert werden kann oder wie Roboter besser mit weichen, verformbaren Materialien, wozu nicht nur der Mensch zählt, umgehen können. Die TU Wien und das AIT arbeiten in einem Projekt beispielsweise daran, die aufwendige Handarbeit in der Textil- und Schuhindustrie zu reduzieren. Dazu wird den Robotern gelernt, mit weichen Materialien wie Stoffen und Folien umzugehen. „In der Schuh- und in der Textilindustrie hat man mit Werkstoffen zu tun, die sich allein aufgrund der Schwerkraft verformen. Das macht die Verarbeitung äußerst schwierig. Auch in der Automobilindustrie spielt das eine wichtige Rolle, etwa bei der Herstellung des Interieurs aus Leder oder Textilien, beispielsweise eines Armaturenbretts“, erklärt hierzu Andreas Kugi, Vorstand des Instituts für Automatisierungs- und Regelungstechnik an der TU Wien und Leiter des Centers for Vision, Automation and Control am AIT. Die Robotik hat sich in sehr kurzer Zeit zu einem sehr weiten Feld entwickelt und findet sich zunehmend im Alltag. Ob militärische Kampfroboter oder lebensrettende Einsatzroboter, mechanische Kontroll-Bots oder Nanorobotern, die über den Blutkreislauf etwa zur Krebsbekämpfung zum Einsatz kommen sollen – es gibt hier noch reichlich Bedarf an gesellschaftlicher Diskussion über den richtigen und menschengerechten Einsatz von wirklich dienenden Robotern.
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