Der alle zwei Jahre erscheinende Sozialbericht fasst die wichtigsten Maßnahmen und Entwicklungen im Sozialressort zusammen. Darüber hinaus enthält der aktuelle Bericht fünf Studien zu den Themenfeldern Entwicklung und Struktur der Sozialausgaben, Entwicklung und Verteilung der Einkommen, Lebensbedingungen, Armut und Ausgrenzungsgefährdung sowie soziale und wirtschaftliche Lage sechs Jahre nach Krisenbeginn, die vom Wirtschaftsforschungsinstitut, der Statistik Austria und dem Sozialministerium erstellt wurden. "Im Vergleich zu anderen EU-Staaten haben sich in Österreich die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bislang relativ moderat ausgewirkt. Dies ist sowohl auf wirtschafts-, fiskal- und beschäftigungspolitische Maßnahmen als auch wohlfahrtsstaatliche Strukturen und die Sozialausgaben als konjunkturstabilisierende Faktoren zurückzuführen", unterstrich Sozialminister Rudolf Hundstorfer am Mittwoch. "Die Studien zeigen jedoch viele Herausforderungen auf", so der Sozialminister. So steigen etwa seit drei Jahrzehnten die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker als die Einkommen aus Arbeit. Auch die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zählen zu den höchsten der EU und bei Wohnen und Wohnkosten gibt es große Unterschiede. Der Sozialbericht ist auf der Homepage des Sozialministeriums www.sozialministerium.atveröffentlicht.
Diese Ergebnisse des Sozialberichts verdeutlichen, dass eine Steuerreform unumgänglich sei. "Die niedrigen Einkommen müssen spürbar profitieren. Diese Menschen leben in schwierigen Lebensverhältnissen und müssen entlastet werden", so der Minister. Ebenso wichtig sei eine Wohnbauoffensive, um eine Entspannung am Wohnungsmarkt zu erreichen. Menschen mit geringen Einkommen müssen laut dem Sozialbericht bis zu 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Durch eine Wohnbauoffensive, die die niedrigen Zinsen auf den internationalen Kapitalmärkten nutzt, könnte ein Investitionsvolumen von 6,5 Mrd. Euro ohne zusätzliche Staatsverschuldung lukriert werden. Dadurch könnten 30.000 zusätzliche Wohnungen und pro Jahr 30.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, unterstrich Hundstorfer. "Um für die Jugendlichen bessere Arbeitsmarktchancen zu verwirklichen wird in dieser Legislaturperiode die Ausbildung bis 18 Jahre umgesetzt. Fehlende Qualifikationen sind die Hauptursachen für mangende Chancen am Arbeitsmarkt und bereiten damit den Weg in die Armut", sagte der Minister. Ebenso wichtig sei das flächendeckende qualitativ hochwertige Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen, um vor allem Frauen eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Auch hier zeigt der Sozialbericht, dass vor allem Frauen in Teilzeit arbeiten und dass viele von ihnen auch mehr arbeiten würden.
Allerdings sinke die Armut in Österreich während sie in Europa steigt, sagte der Minister. Im Jahr 2013 waren 24,5 Prozent bzw. 122,6 Mio. Menschen in der EU von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht (2008: 23,7 Prozent). Österreich konnte die Zahl der armuts-oder ausgrenzungsgefährdeten Menschen hingegen um 127.000 verringern. Die Quote ist in Österreich damit von 20,6 Prozent auf 18,8 Prozent gesunken. "Armutsbekämpfung trägt zur sozialen Stabilität und Sicherheit der gesamten Gesellschaft bei", zeigte sich Hundstorfer überzeugt.
Im Sozialbericht wird auch deutlich, dass der Sozialstaat langfristig finanzierbar bleibt. Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (Sozialquote) ist mit weniger als 30 Prozent (2013: 29,8 Prozent) seit Jahren stabil. Die Sozialquote ist von 1995 bis 2008 leicht gesunken, in Folge der Krise sprunghaft angestiegen und seit 2009 wieder stabil. Der Anstieg der Ausgaben für Frühpensionen und Invaliditätspensionen konnte bereits reduziert werden und wird sich durch die jüngsten Reformen weiter reduzieren. "Es gibt eine steigende Anzahl an älteren Menschen, gleichzeitig steigt aber auch die Wirtschaftsleistung. Daher wird trotz eines Wachstums der Sozialausgaben der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt bis 2030 nahezu konstant bleiben", so Hundstorfer.
Seit drei Jahrzehnten steigen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker als die Einkommen aus Arbeit: nur als Folge der Krise wurde dieses Muster zuletzt 2009, 2012 und 2013 unterbrochen. Die Abgabenbelastung auf Arbeitseinkommen ist jedoch wesentlich höher als die Abgabenbelastung auf Unternehmens- und Vermögenseinkommen und der Unterschied hat sich seit 1995 noch verstärkt, d.h. die Abgabenbelastung auf Arbeit ist im Vergleich zu Unternehmens- und Vermögenseinkommen weiter gewachsen.
Auch die Einkommensverteilung bei den unselbständig Beschäftigten ist ungleich: Die obersten 20 Prozent der LohneinkommensbezieherInnen bekommen fast die Hälfte des "Kuchens", die untersten 20 Prozent lediglich zwei Prozent. Das hängt auch mit der Verbreitung von geringfügiger Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung und Saisonbeschäftigung zusammen. Auch die Einkommensunterschiede (auf Basis Stundenlöhne) zwischen Männern und Frauen zählen zu den höchsten der EU und zeigen sich auch entlang von Branchen (Stichwort: frauentypische Berufe). Die Teilzeitquote unselbstständig beschäftigter Frauen beträgt 47 Prozent. Das verfügbare mittlere Haushaltseinkommen (Median) bei Ein-Personenhaushalten inkl. aller Erwerbseinkommen, Sozialleistungen etc. und nach Steuern betrug 2013 1.840 Euro pro Monat.
Jedoch sind die Haushaltseinkommen weniger ungleich und wachsen. Auf die 20 Prozent Haushalte mit den niedrigsten Haushaltseinkommen entfallen acht Prozent des gesamten verfügbaren Einkommens, auf das oberste Einkommensfünftel 37 Prozent. Die Haushaltseinkommen sind seit 2008 um 13 Prozent und damit um drei Prozent stärker als die Inflation gestiegen. Die meisten Haushalte hatten reale Einkommenssteigerungen. Der Grund dafür liegt in der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen. Trotz der Krise gibt es seit 2008 um 66.000 Frauen mehr im Bereich der unselbständig Beschäftigten. Um 30.000 ist die Zahl der selbständig beschäftigten Frauen gestiegen und um 23.000 bei geringfügig Beschäftigten.
Große Unterschiede gibt es bei Wohnen und Wohnkosten: während Haushalte mit hohen Einkommen zu 70 Prozent in Eigentumswohnungen leben, lebt die Mehrheit der Haushalte mit niedrigen Einkommen in Mietwohnungen. Daher haben Menschen mit niedrigen Einkommen pro Quadratmeter höhere Wohnkosten (6,7 Euro) als Menschen mit mittleren (5 Euro) und Menschen mit hohen Einkommen (4,6 Euro).
Fast 600.000 Menschen müssen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen inklusive Heizung und Strom ausgeben. Seit 2008 sind die Wohnkosten für Menschen mit geringen Einkommen am stärksten gestiegen. 50 Prozent der Personen in Haushalten mit niedrigem Einkommen geben an, dass sie bei unerwarteten Ausgaben von über 1.050 Euro größere finanzielle Probleme erleben. Schwierigkeiten mit derartigen unerwarteten Ausgaben haben hingegen nur 20 Prozent der Haushalte mit mittlerem Einkommen und nur drei Prozent der Haushalte mit hohem Einkommen.
44 Prozent der Haushalte mit niedrigem Einkommen können sich keinen Urlaub leisten, bei Haushalten mit mittlerem Einkommen trifft dies in 19 Prozent der Fälle zu, bei hohem Einkommen in nur zwei Prozent. Menschen mit niedrigen Einkommen haben vier mal so oft gesundheitliche Einschränkungen als Menschen in Haushalten mit hohen Einkommen.
Interessant seien auch die Ergebnisse zur Zufriedenheit mit der Arbeitszeit, hob der Minister hervor. Die Hälfte der Erwerbstätigen sind mit ihrer Arbeitszeit zufrieden, aber immerhin jede/r Dritte würde gern weniger und jede/r Sechste gern mehr Stunden arbeiten. Ihre Arbeitszeit ausdehnen wollen vor allem Teilzeitbeschäftigte. Bei Beschäftigten, die 30-35 Stunden arbeiten, halten sich die Arbeitszeitwünsche die Waage. Bei Beschäftigten, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, wünscht sich mehr als die Hälfte eine Arbeitszeitreduktion. "Die Realisierung der Wunscharbeitszeit für alle Erwerbstätigen würde 200.000 zusätzliche Vollzeitarbeitsplätze bringen", schloss der Minister.