Forschung

Neue Legierung auch für Tieftemperatur: Forscher erkannten Potenzial

Leobener Wissenschafter testen in internationalem Team Multielement-Legierung mit überraschenden Ergebnissen - zusätzlicher Verformungsmechanismus unterstützt Materialzähigkeit

Im Tieftemperaturbereich sind metallische Werkstoffe besonderen Anforderungen ausgesetzt und können spröde werden. Ein internationales Team unter Mitwirkung von Forschern der Montanuniversität Leoben ist auf eine Multielement-Legierung gestoßen, deren Zähigkeit mit sinkender Temperatur steigt. Das könnte sie ideal für u.a. Lagertanks für verflüssigtes Erdgas oder Wasserstoff machen.

Reine Metalle sind für viele Anwendungen bei thermischer und mechanischer Belastung nicht gut geeignet. Die mechanischen Eigenschaften, wie die Härte, Streckgrenze, Festigkeit sowie die Zähigkeit können durch Zugabe von Legierungselementen gezielt modifiziert werden. "Wir haben eine Legierung aus Kobalt, Chrom, Eisen, Mangan und Nickel mit hoher Konfigurationsentropie untersucht. Die exzellenten Eigenschaften des Werkstoffes waren bisher nicht bekannt", schilderte Anton Hohenwarter vom Departement Materialphysik der Montanuniversität Leoben.

Das Besondere an dem Werkstoff, der aus gleichen Anteilen der Einzelelemente besteht und in Kooperation des Lawrence Berkeley National Lab und des Oak-Ridge National Lab (beide USA) hergestellt wurde: Er kristallisiert in einer einzigen Phase, ähnlich einem Reinmetall. Die u.a. von Hohenwarter am Erich Schmid Institut für Materialphysik der österreichischen Akademie der Wissenschaften durchgeführten Materialtests zeigten erstaunliche Ergebnisse, die jüngst in "Science" veröffentlicht wurden: Die Legierung verfüge über eine außergewöhnlichen Schadenstoleranz und eine Zugfestigkeit von über einem Gigapascal, wobei die Werte mit sinkender Temperatur stiegen.

"Das unterscheidet sie von der Mehrheit der metallischen Legierungen", so der Leobener Experte. Zusätzlich zeigte sich, dass die plastische Verformbarkeit unter Belastung (Duktilität) bei niedrigen Temperaturen bis minus 196 Grad Celsius deutlich zunahm. Auch die sogenannte Bruchzähigkeit, also die Widerstandsfähigkeit gegen Bruch- und Rissausbreitung, stieg mit sinkender Prüftemperatur leicht an.

Die Forscher haben das Geheimnis hinter den ungewöhnlichen Eigenschaften gelüftet: Bei tiefen Temperaturen bilden sich im Material sogenannte Nano-Zwillinge: "Das sind Bereiche, in denen sich Atome als Spiegelbilder benachbarter Atome anordnen", erklärte Hohenwarter. Dieser zusätzliche Verformungsmechanismus unterstütze die Verfestigung des Materials während der plastischen Verformung und verzögert dadurch den Zeitpunkt des Versagens, nehmen die Forscher an. Aktuell stehe man am Beginn der Untersuchungen der Eigenschaften des Materials sowie weiterer sogenannter High-Entropy-Materialien. Diese wolle man im Team auch noch weiter gezielt verändern und die mechanische Performance auf die jeweiligen Ansprüche zuschneiden, so Hohenwarter, der dem neuen Legierungskonzept hohes Entwicklungspotenzial zuerkannte.


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