06/2024 News mittlere Spalte Forschung
© Mathias Lauringer, Kronaus Mitterer Architekten, Antje Wolm
© Mathias Lauringer, Kronaus Mitterer Architekten, Antje Wolm

Nachdenkpause

In Linz hat man sich in der Standortfrage für die neue Digitaluniversität IT:U eine Nachdenkpause verordnet. Trotz der ungeklärten Standortfrage hat man im Herbst bereits den Betrieb aufgenommen – als Untermieter der Johannes Kepler Universität in Linz.

von: Norbert Regitnig-Tillian

Wenn Stefanie Lindstaedt über den Standort ihrer Universität spricht, dann bemerkt man ihr Unverständnis für die Entscheidungen der Politik deutlich. „Es gab Vorgutachten, die alle Argumente, die jetzt vorgebracht wurden, berücksichtigten“, sagt die Rektorin der Interdisciplinary Transformation University IT:U. „Ich halte den ursprünglichen Standort noch immer für den besten.

Dass es dieser aber werden wird, gilt derzeit als äußerst unwahrscheinlich. Zu viele Stimmen haben sich mittlerweile dagegen ausgesprochen. Und wenn man es verkürzt ausdrücken würde, dann wäre daran der Klimawandel schuld.

Was ist passiert?

Mit viel Enthusiasmus wird seit vier Jahren in Linz an einer neuen Digitaluniversität gearbeitet. Miteingebunden waren die Stadt, das Land Oberösterreich und der Bund als Universitätsbetreiber. Eine Universität sollte entstehen, die alle Stückeln spielt, einzigartig in Europa sein sollte, viele internationale Studierende und Lehrende anziehen und glänzen sollte mit dem Schwerpunkt Digitalisierung, mit neuen projektorientierten Lernmethoden und Interdiszi-plinarität. Gesetze wurden geändert, ein Standort gesucht, ein Architekturwettbewerb ins Leben gerufen und gleichzeitig eine Aufbau-Organisation gegründet, die nach einer neuen Rektorin bzw. einem neuen Rektor suchte. Bis 2034 sollte die neue Universität – konzipiert für bis zu 5.000 Studierende – ihren Betrieb aufnehmen. Bis ins Frühjahr 2023 schien das 250-Millionen-Projekt auch in geordneten Bahnen zu laufen, mit den mehr oder minder üblichen Kontroversen zu den Fragen, wer nun die Leitung übernimmt und wo der neue Standort der Universität nun wirklich sein soll.

Unerwarteter Gegenwind

Doch dann kam Sand ins Getriebe. Denn offensichtlich waren sich im Hintergrund längst nicht alle so einig, wie man das in der Öffentlichkeit gerne dargestellt hatte. So beschäftigte sich eine Zeit lang die Korruptionsstaatsanwaltschaft mit der Rektorsbestellung (stellte das Verfahren dann aber wieder ein), und auch der ausgelobte Uni-Standort in JKU-Nähe schien plötzlich ungeeignet für einen Uni-Neubau.

Der Grund: Ursprünglich als eine Campus-Universität in JKU-Nähe geplant, um Synergien in Forschung und Lehre zu nutzen, stieß das Vorhaben von Anfang an auf erheblichen Widerstand von Anrainern und Umweltschützern. Schon seit Monaten hatte eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Retten wir den Grüngürtel“ mit viel Verve Stimmung gegen das Projekt gemacht und tausende Unterschriften gegen die Umwidmungspläne von Grün- in Bauland gesammelt. Ihr Hauptargument: Mit dem Bau der IT:U werde nicht nur ökologisch bedenkliche Bodenversiegelung betrieben und für Anrainer störender Verkehr in den Grünraumgürtel von Linz geleitet. Die Baukörper der neuen Universität würden zudem das Klima der Stadt Linz negativ beeinflussen, da die Neubauten den Frisch- und Kaltluftzustrom der Stadt stark beeinträchtigen würden. Das Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs für die IT:U war allerdings auf diese Situation bereits mit einem besonders sensiblen Bebauungskonzept eingegangen – so wurde kein Gebäude höher als vier Stockwerke und kein Baukörper höher als der umgebende Baumbestand geplant. Damit werde der Kaltluftstrom für Linz nur sehr gering beeinflusst, urteilte die Wettbewerbsjury.

Hunderte Einsprüche gegen den Bau

Im August 2024 wurde das Projekt öffentlich zur Einsichtnahme im neuen Rathaus in Linz ausgestellt. Innerhalb kurzer Zeit evozierte das Transparenzverfahren allerdings hunderte weitere Einsprüche und Unterschriften gegen den Bau.

Den Garaus für den Standort brachte dann ein neues Gutachten der Direktion für Landesplanung der oberösterreichischen Landesregierung. Anfang September kamen die Raumplaner des Landes – anders als die Wettbewerbsjury – zu dem Ergebnis, dass das IT:U-Projekt sehr wohl „gravierende negative Auswirkungen“ auf die Klimasituation für die Stadt Linz haben würde. Zudem wurden unabwendbare Gefahren durch starke Hangwässer und negative Auswirkungen durch erhöhten Verkehr im Grünraumgürtel festgestellt.

Diese neue Einschätzung der Raumplaner rief den geschäftsführenden Vizebürgermeister von Linz, Dietmar Prammer (SPÖ), auf den Plan. Er zog aufgrund des Gutachtens Anfang Oktober die Notbremse und stoppte unter dem Eindruck der Klimafrage und der letzten Hochwasserkatastrophe die Umwidmung. Man werde einen neuen Standort in Linz suchen.

Wo dieser liegen wird, ist derzeit noch ungewiss. An Alternativen gäbe es in der oberösterreichischen Landeshauptstadt aber gar nicht einmal so wenige: Neben dem Schlachthof-Areal in der Nähe der Tabakfabrik oder dem „Nestle-Gelände“ gegenüber dem Designcenter gilt besonders das zentral gelegene ehemalige Postverteilerzentrum in der Nähe des Hauptbahnhofs als ein möglicher neuer IT:U-Standort. Zudem hatten sich auch andere Standorte in Oberösterreich zu Wort gemeldet – etwa Hagenberg, wo sich die Fachhochschule Oberösterreich auf ihrem Campus bereits digitalen Ausbildungsthemen angenommen hat.

Entscheidung über den neuen Standort

Eine Entscheidung über den neuen Standort wird aber frühestens 2025 getroffen werden, denn es wurde von der IT:U eine „Nachdenkpause“ ausgerufen. Zuerst müssten in Linz noch die Bürgermeisterwahlen geschlagen werden, um einen „Ansprechpartner“ für weitere Entscheidungen zu haben, sagt IT:U-Rektorin Lindstaedt. Die außertourlichen Bürgermeisterwahlen mussten deshalb angesetzt werden, weil Ende August der bisherige Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) wegen Vorwürfen der Günstlingswirtschaft zurücktreten musste. Luger hatte 2017 seinem Wunschkandidaten für die Position des Künstlerischen Leiters der Linzer Veranstaltungsgesellschaft (LIVA) und der Brucknerhaus-Intendanz vor dem offiziellen Hearing Fragen zukommen lassen. Öffentlicher Druck und Kritik aus seiner eigenen Partei machten seinen Rücktritt unvermeidbar.

Die Bürgermeisterwahl wurde nun für den 12. Jänner 2025 terminiert. Umfragen deuten darauf hin, dass keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen wird, sodass eine Stichwahl wahrscheinlich ist. Diese würde dann am 26. Jänner stattfinden.

Ob im Frühjahr 2025 der neue Bürgermeister den alten Standort reaktiveren wird, ist zwar nicht ausgeschlossen, gilt aber eher als unwahrscheinlich.  Das Universitäts-Projekt generell ist aber trotz der virulenten Standort-Frage nicht gefährdet. Im Oktober 2024 hat die IT:U bereits ihren Betrieb aufgenommen. Eingemietet in Gebäuden der JKU beschäftigt die neue Universität bereits 85 Personen, darunter auch elf Universitätsprofessorinnen, die bereits erste Doktorats-studierende betreuen. Bis 2029 soll, so wie im Ausbauplan vorgesehen, die IT:U in ihrem Ausweichquartier bis zu 1.000 Studierende betreuen. Ob das „Provisorium“ eine Dauerlösung bleiben wird, wird sich weisen.

Interview mit Stefanie Lindstaedt

„Die Standortfrage ändert nichts an unserem Aufbauprogramm“

Stefanie Lindstaedt, Rektorin der IT:U, sieht den holprigen Beginn zwar nachteilig für die Außenwahrnehmung. Das Ausbauprogramm geht aber wie geplant voran.

Austria Innovativ: Welchen Standort für die IT:U präferieren Sie?

Stefanie Lindstaedt: Ich bin immer noch überzeugt, dass der erste Standort der beste für uns wäre. Wenn dann aber dieser Standort aus welchen Gründen auch immer vollständig rausfällt, müssen wir uns eben nach einem anderen umschauen.

AI: Frühestens nach der Linzer Bürgermeisterwahl im Frühjahr 2025 ist eine Entscheidung zu erwarten, wie es mit dem Standort weitergeht.

Lindstaedt: Genau, derzeit gibt es eine Nachdenkpause. Das ist aber im Moment für unsere Arbeit völlig unerheblich. Unser neues Gebäude wäre ja auch sowieso erst 2029 bezugsfertig gewesen. Wir haben uns natürlich schon lange Gedanken darüber gemacht, was wir denn bis dahin machen. Jetzt hatten wir das erste Jahr der Gründungsphase und sind an der JKU eingemietet. Seit erstem Oktober sind wir in der Take-off-Phase, seitdem die Professor:innen und Doktorand:innen da sind. Wir machen jetzt mit unserem Aufbau genauso weiter wie geplant.

AI: Das heißt also, dass dieser holprige Beginn jetzt eigentlich keine Auswirkungen auf Ihr derzeitiges Programm hat?

Lindstaedt: Also es hilft natürlich in der Außendarstellung nicht besonders. Aber an unserem Programm und unseren Schritten ändert das überhaupt nichts. Wir sind jetzt insgesamt 85 Personen und haben die ersten elf Gründungsprofessor:innen aus internationalen Ausschreibungen ausgesucht. Und die sind jetzt gerade alle am Ankommen. Einige sind schon länger da, die anderen starten gerade und die letzten kommen dann im Jänner. Und wir haben jetzt 20 Doktorand:innen vor Ort, die mit den Professor:innen schon losarbeiten.

AI: Wie geht es mit dem Uni-Aufbau weiter?

Lindstaedt: Wir werden nur Professor:innen einstellen, die immer an der Schnittstelle Computer Science und irgendetwas anderem arbeiten. Wir werden keine Fakultäten haben, weil wir den Auftrag haben, die Interdisziplinarität in der Forschung zu stärken. Die Professor:innen, die bei uns tätig sein werden, sind zum Beispiel Expert:innen in Medizin und Informatik oder Social Science, Sozialwissenschaften und Informatik oder Psychologie und Informatik oder Recht und Informatik. Wir bauen diese Schnittstellen auf und werden in der Lehre von Anfang an sehr projektorientiert arbeiten. Das soll überhaupt der USP der IT:U werden: projektorientiertes und interdisziplinäres Studieren.

AI: Wird man an der IT:U auch einen Bachelor machen oder mit einen Master abschließen können oder kommt man erst als Doktorand:in zu Ihnen?

Lindstaedt: Wir haben gesagt, dass wir zunächst erst einmal mit dem Doktorats-Programm anfangen, weil ja auch unsere Professor:innen überhaupt erst einmal ankommen müssen. Nächstes Jahr, im Herbst, bieten wir unser erstes Masterstudium an. Bachelor-Programme werden folgen.

AI: Wie viele Masterstudien sollen es ingesamt werden?

Lindstaedt: Bis 2030 haben wir fünf bis acht Master-Studiengänge geplant. Es kommt auch ein bisschen darauf an, wie man das rechnet. Wir streben eine Umbrella-Lösung an, in der es Spezialisierungsmöglichkeiten gibt. Und hierbei ist natürlich die Frage, wie man das zählen will.

AI: Könnten Sie nicht auch an der JKU bleiben?

Lindstaedt: Wir können bis 2029 ungefähr .1000 Studierende betreuen. Im Vollausbau ­sollen bis zu 5.000 Studierende an der IT:U studieren – da werden wir mehr Raum benötigen.


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