Wenn Stefanie Lindstaedt über den Standort ihrer Universität spricht, dann bemerkt man ihr Unverständnis für die Entscheidungen der Politik deutlich. „Es gab Vorgutachten, die alle Argumente, die jetzt vorgebracht wurden, berücksichtigten“, sagt die Rektorin der Interdisciplinary Transformation University IT:U. „Ich halte den ursprünglichen Standort noch immer für den besten.“
Dass es dieser aber werden wird, gilt derzeit als äußerst unwahrscheinlich. Zu viele Stimmen haben sich mittlerweile dagegen ausgesprochen. Und wenn man es verkürzt ausdrücken würde, dann wäre daran der Klimawandel schuld.
Was ist passiert?
Mit viel Enthusiasmus wird seit vier Jahren in Linz an einer neuen Digitaluniversität gearbeitet. Miteingebunden waren die Stadt, das Land Oberösterreich und der Bund als Universitätsbetreiber. Eine Universität sollte entstehen, die alle Stückeln spielt, einzigartig in Europa sein sollte, viele internationale Studierende und Lehrende anziehen und glänzen sollte mit dem Schwerpunkt Digitalisierung, mit neuen projektorientierten Lernmethoden und Interdiszi-plinarität. Gesetze wurden geändert, ein Standort gesucht, ein Architekturwettbewerb ins Leben gerufen und gleichzeitig eine Aufbau-Organisation gegründet, die nach einer neuen Rektorin bzw. einem neuen Rektor suchte. Bis 2034 sollte die neue Universität – konzipiert für bis zu 5.000 Studierende – ihren Betrieb aufnehmen. Bis ins Frühjahr 2023 schien das 250-Millionen-Projekt auch in geordneten Bahnen zu laufen, mit den mehr oder minder üblichen Kontroversen zu den Fragen, wer nun die Leitung übernimmt und wo der neue Standort der Universität nun wirklich sein soll.
Unerwarteter Gegenwind
Doch dann kam Sand ins Getriebe. Denn offensichtlich waren sich im Hintergrund längst nicht alle so einig, wie man das in der Öffentlichkeit gerne dargestellt hatte. So beschäftigte sich eine Zeit lang die Korruptionsstaatsanwaltschaft mit der Rektorsbestellung (stellte das Verfahren dann aber wieder ein), und auch der ausgelobte Uni-Standort in JKU-Nähe schien plötzlich ungeeignet für einen Uni-Neubau.
Der Grund: Ursprünglich als eine Campus-Universität in JKU-Nähe geplant, um Synergien in Forschung und Lehre zu nutzen, stieß das Vorhaben von Anfang an auf erheblichen Widerstand von Anrainern und Umweltschützern. Schon seit Monaten hatte eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Retten wir den Grüngürtel“ mit viel Verve Stimmung gegen das Projekt gemacht und tausende Unterschriften gegen die Umwidmungspläne von Grün- in Bauland gesammelt. Ihr Hauptargument: Mit dem Bau der IT:U werde nicht nur ökologisch bedenkliche Bodenversiegelung betrieben und für Anrainer störender Verkehr in den Grünraumgürtel von Linz geleitet. Die Baukörper der neuen Universität würden zudem das Klima der Stadt Linz negativ beeinflussen, da die Neubauten den Frisch- und Kaltluftzustrom der Stadt stark beeinträchtigen würden. Das Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs für die IT:U war allerdings auf diese Situation bereits mit einem besonders sensiblen Bebauungskonzept eingegangen – so wurde kein Gebäude höher als vier Stockwerke und kein Baukörper höher als der umgebende Baumbestand geplant. Damit werde der Kaltluftstrom für Linz nur sehr gering beeinflusst, urteilte die Wettbewerbsjury.
Hunderte Einsprüche gegen den Bau
Im August 2024 wurde das Projekt öffentlich zur Einsichtnahme im neuen Rathaus in Linz ausgestellt. Innerhalb kurzer Zeit evozierte das Transparenzverfahren allerdings hunderte weitere Einsprüche und Unterschriften gegen den Bau.
Den Garaus für den Standort brachte dann ein neues Gutachten der Direktion für Landesplanung der oberösterreichischen Landesregierung. Anfang September kamen die Raumplaner des Landes – anders als die Wettbewerbsjury – zu dem Ergebnis, dass das IT:U-Projekt sehr wohl „gravierende negative Auswirkungen“ auf die Klimasituation für die Stadt Linz haben würde. Zudem wurden unabwendbare Gefahren durch starke Hangwässer und negative Auswirkungen durch erhöhten Verkehr im Grünraumgürtel festgestellt.
Diese neue Einschätzung der Raumplaner rief den geschäftsführenden Vizebürgermeister von Linz, Dietmar Prammer (SPÖ), auf den Plan. Er zog aufgrund des Gutachtens Anfang Oktober die Notbremse und stoppte unter dem Eindruck der Klimafrage und der letzten Hochwasserkatastrophe die Umwidmung. Man werde einen neuen Standort in Linz suchen.
Wo dieser liegen wird, ist derzeit noch ungewiss. An Alternativen gäbe es in der oberösterreichischen Landeshauptstadt aber gar nicht einmal so wenige: Neben dem Schlachthof-Areal in der Nähe der Tabakfabrik oder dem „Nestle-Gelände“ gegenüber dem Designcenter gilt besonders das zentral gelegene ehemalige Postverteilerzentrum in der Nähe des Hauptbahnhofs als ein möglicher neuer IT:U-Standort. Zudem hatten sich auch andere Standorte in Oberösterreich zu Wort gemeldet – etwa Hagenberg, wo sich die Fachhochschule Oberösterreich auf ihrem Campus bereits digitalen Ausbildungsthemen angenommen hat.