Das European Forum Alpbach (EFA) versteht sich als ein Ort des Denkens, der Raum zum Handeln schafft, indem es junge Menschen und die innovativsten Köpfe zusammenbringt, um Ideen für europäische Entscheidungen zu entwickeln. Als Motto wurde für 2024 vom EFA „Moment of the Truth“ unter Bezugnahme auf die wichtigen Entscheidungen im größten Wahljahr der Geschichte gewählt.
Im Rahmen des von KI-Expert:innen gehaltenen KI-Lab habe ich einen Workshop gehalten, in dem mit den Teilnehmenden das EFA-Motto im Spannungsfeld von Künstlicher Intelligenz, Evolution und Recht beleuchtet und rechtliche Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden.
Gegenstand des Workshops waren Fragestellungen wie: „Von welcher Wahrheit sprechen wir hier?“, „Warum neigen wir eigentlich zu Bias, Narrativen und Polarisierung?“, „Welche Rolle spielen neue Technologien in diesem Zusammenhang?“, „Wie unterschieden sich die Selbstregulierungsmechanismen Recht und Ethik?“ und „Welche rechtlichen Handlungsempfehlungen leiten sich daraus ab?“
Problemfelder: Bias, Narrative und Polarisierung
Die Teilnehmenden waren sich einig, dass bei dem Thema „Wahlen“ und „Wahrheit“ Vertrauen und Glaubwürdigkeit eine zentrale Rolle spielen und Bias, Narrative und Polarisierung Problemfelder darstellen. Anhand diverser Beispiele wurde hergeleitet, dass unsere Neigungen zu Polarisierung, Bias und Narrativen wiederum evolutionär bedingte Mechanismen sind, die der Vertrauensbildung, Beruhigung und Sicherheit dienen. Sie ermöglichen etwa eine schnelle Einordnung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, ein Erkennen von „Freund“ und „Feind“ sowie die Abstimmung und Kooperation zwischen einander unbekannten Menschen. Aus diesem Grund scheint auch ihre Überwindung bzw. Relativierung gleichsam schwierig wie notwendig, da sie doch auch zu den grausamsten Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte geführt haben und führen. Im Sinne eines „Moment of the Truth“ tritt hinzu, dass neue Technologien diese Tendenzen einerseits verstärken können und andererseits ein eigenes disruptives Potential entfalten.
Einig waren sich die Teilnehmenden dahingehend, dass wir neben Ethik grundsätzlich verbindliche Rechtssetzung benötigen. Diskussionswürdig erschien eine Abwägung zwischen Regulierungsdichte und Selbstverantwortung, indem beispielsweise statt mit Verboten zum Teil mit Warnhinweisen (wie etwa auf einer Zigarettenpackung) gearbeitet werden würde oder ob Demokratie hier im Speziellen nicht neu gedacht werden müsse.
Als konkrete Maßnahmen wurden etwa vorgeschlagen, eine möglichst pluralistische und wissensbasierte Anzeige von Beiträgen zu algorithmisch identifizierten User-Interessen oder die Nutzung neuer Technologien für einen intensiverten, unmittelbaren Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern vorzusehen, um der „Wahrheit“ wieder ein Stück näherzukommen.
Interessant bleibt, zu welchen Handlungsempfehlungen Politik und Wirtschaft innerhalb und außerhalb des EFA in Zukunft kommen.
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