Der Stromverbrauch steigt seit Jahren kräftig an. Ein Trend, der sich durch E-Mobilität und dem Boom bei den strombetriebenen Wärmepumpen noch verstärkt. Da von Unternehmen zunehmend verlangt wird, ihren CO2-Footprint zu verringern, investieren sie verstärkt in PV-Anlagen und Elektroflotten. All diese Entwicklungen helfen im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Das bringt aber auch neue Herausforderungen. Wenn auf einem Firmengelände alle Elektroautos gleichzeitig geladen werden und die Kälte den Stromverbrauch in die Höhe treibt, geraten die Übertragungsnetze an ihre Grenzen. Netzkapazitätsprobleme können auch bei der Erzeugung auftreten. Beispielsweise bei starkem Sonnenschein und kräftigem Wind.
Lokale Intelligenz
Ein intelligenter Ausweg, um die Übertragungsnetze zu entlasten und das Energiesystem nachhaltiger und sicherer zu gestalten, sind lokale Microgrids, die mittels intelligenter Energieoptimierung Erzeugung und Verbrauch von Strom und Wärme vor Ort koppeln. Ein weiterer Vorteil: es entfallen zugleich die Übertragungsverluste beim Stromtransport. Am Siemens Campus in Wien wurde Ende 2019 mit dem Aufbau eines der ersten großen intelligenten Microgrids begonnen. Damit soll nicht nur die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit am Siemens Campus in Floridsdorf gesteigert werden, sondern zugleich wird auch das Verhalten und der Nutzen von Microgrid-Anwendungen im Realbetrieb untersucht. Dazu sammeln unzählige Sensoren und Systeme Daten, die analysiert werden, um damit an neuen Lösungen für die Zukunft zu forschen. Gestartet wurde mit einer 1.600 Quadratmetern großen Photovoltaikanlage, die eine Spitzenleistung von 312 kWp liefert und rund 100 Tonnen CO2 pro Jahr einspart, sowie einem neuentwickelten Batteriespeicher von Fluence mit einer Speicherkapazität von 500 kWh. Weiters ermöglichen intelligente Elektroladestationen ein optimiertes Laden und künf- tig sogar den Handel mit Strom. „Die Bestandteile des Microgrid werden von einem intelligenten Microgrid-Controller angesteuert, der die zentrale Orchestrierung der angebundenen Assets übernimmt und die Elektrizitätsversorgung in Hinblick auf Lastspitzen bzw. Netzauslastung sowie weiterer Einflussparameter in Abhängigkeit der Eigenerzeugung optimiert“, erklärt Werner Brandauer, der bei Siemens Smart Infrastructure im Bereich Digital Grid arbeitet. Dank der Kombination aus Erzeuger, Verbraucher und Speicher konnte ein Ausbau des Netzanschlusses trotz vieler neuer Verbraucher vermieden werden. Weiters erhöht sich die Versorgungssicherheit etwa im Fall eines Blackouts.
Wettbewerb um klimafreundliche Technologien
„Klimafreundliche Innovationen sind ein wesentlicher Hebel, um unser Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Der Wettbewerb der Zukunft wird ein Wettbewerb um die klimafreundlichsten Technologien sein“, sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zu dem Vorzeigeprojekt. Microgrids seien eine einzigartige Möglichkeit, ressourcenschonend und energieeffizient für eine Versorgungssicherheit mit erneuerbaren Energien zu sorgen. Microgrids, die eine wichtige Rolle in der Energiewende einnehmen sollen, können auch autonom, also völlig ohne Verbindung zum öffentlichen Netz betrieben werden. „Eine der Herausforderungen der Zukunft ist die verlässliche und zugleich saubere Bereitstellung, Übertragung und Nutzung von Energie. Dazu können Microgrids einen erheblichen Beitrag leisten“, erklärt Wolfgang Hesoun, CEO von Siemens Österreich. Das Campus-Projekt biete in Verbindung mit der Infrastruktur eines bestehenden Industriebetriebs viel Raum für innovative Forschung und konkrete neue Lösungen.
Wichtig für smarte Cities
Microgrids sind besonders für Städte von Bedeutung, in denen heute rund 50 Prozent der Menschen leben. Die Städte machen zwar nur zwei Prozent der Fläche des Planeten aus, verbrauchen aber 75 Prozent der gesamten Energie und sind für 80 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. „Produziere selbst und konsumiere lokal“ lautet deshalb das Motto. Am Siemens-Standort Floridsdorf soll zudem künftig überschüssige Energie ins öffentliche Netz gespeist und wertvolle Spitzenlast gehandelt werden. Der große stationäre Stromspeicher sowie die Batterien der Autos werden dazu gezielt an den Regelenergiemarkt angebunden. Eine weitere Besonderheit des Projekts ist die Pilotinstallation für die Kommunikation zwischen den Microgrid Assets, die über ein privates Mobilfunknetz auf Basis von 5GTechnologie von Nokia erfolgt. Im neuen A1 Mobile Campus Network wird untersucht, wie künftig Microgrids die Vorteile der kabellosen 5G-Technologien bei höchsten Sicherheitsanforderungen nutzen können.