Messung der nationalen Innovationsleistung am Beispiel Österreichs

Quelle: Rat für Forschung und Technologienentwicklung (2015): Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2015. Wien, S. 47
Abbildung 2: Entwicklung von Zielabstand und Zielerreichungschane im Bereich Forschung und Innovation im Unternehmenssektor, 2010 bis 2015
Quelle: Rat für Forschung und Technologienentwicklung (2015): Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2015. Wien, S. 47

Die Innovationsleistung eines Landes gewinnt für Regierungen immer mehr an Bedeutung, da diese konstant nach Möglichkeiten suchen, die Wirtschaft anzukurbeln und drängende gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen (Androsch / Gadner 2015). Daher wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von Innovationsleistungsrankings entwickelt und angewandt, um das eigene Leistungsniveau im Vergleich zu anderen Ländern messen zu können.

von: Hannes Androsch, Johannes Gadner und Jürgen Janger

Diese Rankings werden von politischen Entscheidungsträgern genau beobachtet und häufig als neutraler Maßstab für die Innovationsleistung eines Landes wahrgenommen (Schibany / Streicher 2008). Bei Standardrankings wie dem Europäischen Innovationsanzeiger (EIS) oder dem Global Innovation Index (GII) wird jedoch in allen Ländern ein standardisierter Satz von Indikatoren angewandt, unabhängig von länderspezifischen Besonderheiten und Strukturen. Zum Beispiel hat die österreichische Regierung die vom EIS definierte Benchmark verwendet, um die österreichische Innovationsleistung mit der Leistung der führenden Länder Europas zu vergleichen. Aufgrund offensichtlicher und bekannter Mängel [1] sollte der EIS jedoch nicht als einziges Kriterium zur Beurteilung der Auswirkungen von Innovationsaktivitäten herangezogen werden (e.g. Edquist et al. 2018; Janger et al. 2017).

In diesem Artikel skizzieren wir den Ansatz des Rates für Forschung und Technologieentwicklung für die Messung und Bewertung der Leistungsfähigkeit des österreichischen Innovationssystems im internationalen Vergleich. Er wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) entwickelt. Der Ansatz berücksichtigt länderspezifische Faktoren und liefert sowohl Informationen über die aktuelle Entfernung zu strategischen Zielwerten als auch Informationen über die mögliche zukünftige Entfernung zu diesen Zielwerten, basierend auf der Fortschreibung von Trends. Eine Matrix, die sich aus der Gegenüberstellung der aktuellen und zukünftigen Entfernung zum Ziel zusammensetzt, liefert und visualisiert Informationen, die als Maß für den erforderlichen, zielführenden Aufwand (oder die Wahrscheinlichkeit, das Ziel erreichen zu können) die Festlegung FTI-politischer Prioritäten bestimmen können. Mit diesem Ansatz hat der Rat eine solide Grundlage für den internationalen Vergleich der österreichischen Innovationsleistung geliefert, die eine evidenzbasierte politische Entscheidungsfindung unterstützt.

Der Weg zu einem länderspezifischen Ansatz zur Messung der Innovationsleistung
Am 31. August 2009 hat der österreichische Ministerrat beschlossen, eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI-Strategie) einzusetzen. Ziel war es, strategische Zielsetzungen und Maßnahmen für die österreichische FTI-Politik für den Zeitraum bis 2020 festzulegen. Die FTI-Strategie mit dem Titel Der Weg zum Innovation Leader wurde im März 2011 verabschiedet. In ihrem Titel spiegelt das Dokument das prioritäre Ziel wider, das bis 2020 erreicht werden soll. Die Bundesregierung hat den Rat für Forschung und Technologieentwicklung damit beauftragt, den Fortschritt der Umsetzung der FTI-Strategie zu beobachten und die Leistung Österreichs im Bereich FTI im Vergleich zu den führenden Ländern Europas und der Welt zu bewerten. Seitdem erstellt der Rat einen jährlichen Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs,[2] um die wichtigsten Ergebnisse seines Monitorings vorzustellen. Der erste Bericht wurde im Juni 2012 vorgelegt.

In den Berichten wird ein länderspezifischer Ansatz zur Messung der Innovationsleistung verwendet, der auf einer gründlichen Analyse von Stärken und Schwächen des FTI-Systems, von der Regierung festgelegten strategischen Zielen und auf Indikatoren zur Messung der Zielerreichung beruht. Der Prozess, der diesem Ansatz zugrundeliegt, ist entsprechend aufwändig und beruht sowohl auf Aktivitäten der Bundesregierung (Erstellung der FTI-Strategie 2020) als auch des Rates. In einem ersten Schritt wurde eine detaillierte länderspezifische Analyse der Stärken und Schwächen der österreichischen Innovationsleistung durchgeführt, die als Grundlage für die anschließende Definition strategischer Ziele dienen sollte, die in einer umfassenden FTI-Strategie zusammengestellt wurden. Dieser mehrjährige Diskussions- und Analyseprozess bestand aus drei Säulen:

  • Der "Österreichische Forschungsdialog" des BMWF[3] (2007-2008), wurde als breiter, landesweiter Diskurs- und Konsultationsprozess mit österreichischen Stakeholdern konzipiert, um das heimische Innovationssystem und die österreichische Wissensgesellschaft weiterzuentwickeln.
  • Die Systemevaluierung der österreichischen Forschungsförderung und -finanzierung von BMVIT und BMWA[4] ("Systemevaluierung" 2008-2009) lieferte eine fundierte Bewertung des gesamten Forschungsförderungssystems sowie Empfehlungen zur Verbesserung durch Experten.
  • Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung erarbeitete evidenzbasierte strategische Vorschläge und Empfehlungen für die Weiterentwicklung des österreichischen Forschungs- und Innovationssystems ("Strategie 2020" 2009).[5]

Basierend auf den Ergebnissen dieser Analyseprozesse wurde eine FTI-Strategie durch die Bundesregierung ausgearbeitet, die übergeordnete Ziele und sechs große Leistungsbereiche für Anstrengungen im FTI-Bereich enthielt. Dann wurden seitens des Rates Zielwerte für jeden Leistungsbereich festgelegt. Einige von ihnen wurden direkt aus der FTI-Strategie abgeleitet, z. B. das Ziel, eine F&E-Quote von 3,76 Prozent bis 2020 zu erreichen.[6] Nachdem nicht alle Zielsetzungen in der FTI-Strategie 2020 quantifiziert waren, wurden andere aus den Durchschnittswerten der Gruppe der Innovationsführer (gemäß dem Europäischen Innovationsanzeiger (EIS) gebildet, an dem sich die FTI-Strategie orientiert).[7] Während ein absoluter Wert statisch ist, ist der Durchschnitt einer Reihe von frei gewählten Vergleichs- oder Peer-Ländern dynamisch in dem Sinne, dass sich der Zielwert entsprechend der Leistung der Peers ändert. Dies ist vergleichbar mit standardisierten Rankings, mit der Ausnahme, dass Peer-Länder für den maßgeschneiderten Ansatz des Rates frei gewählt werden können, am besten aus einer Reihe von Ländern, deren Strukturen und Leistungen nicht zu weit vom zu beobachtenden Land entfernt sind.

Nachdem Leistungsbereiche und Zielwerte festgelegt wurden, mussten geeignete Indikatoren hinsichtlich Relevanz und Zuverlässigkeit sowie Datenverfügbarkeit ausgewählt werden. Zur Messung der österreichischen Innovationsleistung wurde in Zusammenarbeit mit dem Wifo und in Abstimmung mit den zuständigen Ministerien ein Set von 75 Indikatoren entwickelt.[8] Die ausgewählten Indikatoren basieren auf international verwendeten Klassifikationen der OECD, Eurostat usw. und entsprechenden Datenportfolios. Diese sind mit wenigen Ausnahmen, die auf Sonderauswertungen der Statistik Austria oder Berechnungen des WIFO beruhen, für die Öffentlichkeit zugänglich und werden sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene regelmäßig erhoben.

Für die Entwicklung des Sets war es wichtig, sich auf Indikatoren zu konzentrieren, die geeignet sind, die Rahmenbedingungen des österreichischen FTI-Systems besser abzubilden als beispielsweise die vom EIS oder anderen standardisierten Rankings verwendeten Indikatoren. Der Rat hielt dies für wichtig, da der EIS die Auswirkungen von Innovationstätigkeiten aufgrund seines Fokus auf den intersektoralen Strukturwandel unterschätzt: Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Innovationen werden im EIS hauptsächlich durch das Wachstum der High-Tech-Sektoren erfasst (Janger et al. 2017). Im Gegensatz dazu beinhaltet der EIS jedoch keine vernünftigen Indikatoren für Verbesserungen in allen bestehenden Sektoren, d.h. den intra-sektoralen Strukturwandel oder die Aufwertung bestehender Sektoren (sektorales Upgrading) in weniger FuE-intensiven Bereichen wie der Stahl- oder Automobilindustrie. Österreich entwickelt sich aber gerade in diesen weniger FuE-intensiven Sektoren sehr gut, weshalb ein Bild, das diesen Aspekt nicht berücksichtigt, unvollständig ist. Darüber hinaus basieren die jeweiligen EIS-Indikatoren auf dem Community Innovation Survey (CIS). Da die CIS-Indikatoren unbeständig sein können bzw. subjektive Interpretation von Innovationsleistung widerspiegeln, ist ihre Aussagekraft mit Vorsicht zu interpretieren.[9]

Statistisch stabilere Indikatoren wie die Exportqualität in technologieorientierten Sektoren oder die um die Industriestruktur bereinigte FuE-Intensität weisen im Vergleich zu den führenden Innovationsländern nur ein relativ geringes Defizit auf (für Details siehe Rat für Forschung und Technologieentwicklung 2014 S. 10ff). Der vom Rat verwendete Ansatz enthält daher für eine Bewertung der österreichischen Innovationsleistung geeignetere Indikatoren als z.B. der EIS, um länderspezifischen Merkmale abzubilden.

Innovationsleistung visualisierenDer angewandte Ansatz konzentriert sich auf das Ausmaß, in dem die in der Strategie festgelegten Ziele erreicht werden (statische Komponente, aktuelle Entfernung zum Ziel bzw. Zielabstand), und auf das Ausmaß, in dem die Ziele in der Zukunft erreicht werden können (dynamische Komponente, Wahrscheinlichkeit das Ziel zu erreichen bzw. Zielerreichungschance). Während die aktuelle Entfernung zum Ziel lediglich die Leistung Österreichs zum gegebenen Zeitpunkt relativ zum Zielwert widerspiegelt (entweder gemäß der FTI-Strategie oder als Durchschnittsniveau der Innovation Leaders), wird die Zielerreichungschance, auf Basis bisheriger Wachstumstrends berechnet, um einzuschätzen, wo Österreichs Leistung bis zum von der FTI-Strategie vorgegebenen Zielhorizont liegen könnte.

Dies kann grafisch dargestellt werden, wie das folgende Beispiel zeigt. Anhand der Abbildung 1 wird exemplarisch verdeutlicht, wie die Leistungsfähigkeit Österreichs in den analysierten Bereichen des FTI-Systems im Vergleich zu den ausgewählten Vergleichsländern grafisch dargestellt werden kann. Der Zielabstand auf der horizontalen Achse in der Abbildung zeigt den aktuellen österreichischen Wert und die Entfernung zum jeweiligen Ziel. Sie zeigt das Verhältnis und die Entfernung des letzten verfügbaren österreichischen Werts zum nationalen Ziel gemäß der FTI-Strategie. Wenn es kein nationales Ziel gibt, wird das Ziel aus dem letzten verfügbaren Durchschnittswert der aktuellen Innovation Leaders gemäß EIS gebildet. Dies ist auf die oben erwähnte Tatsache zurückzuführen, dass es für Österreich, wie in der FTI-Strategie festgelegt, ein vorrangiges Ziel ist, zur Gruppe der führenden Innovationsnationen aufzuschließen.

 

Der Zielabstand zeigt Österreichs aktuelles Leistungsniveau - den Niveauunterschied zwischen dem aktuellen Wert und dem Zielwert -, aber er sagt nichts über die Veränderungen oder die Dynamik aus, die erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Ein Indikator, der aktuell knapp unter dem Zielwert liegt, könnte sich aufgrund einer negativen Dynamik wieder verschlechtern. Anders ausgedrückt: Der exklusive Vergleich der Zieldistanzen lässt keine Rückschlüsse auf die Aussicht auf Zielerreichung zu. Aus diesem Grund wurde auf der vertikalen Achse die Zielerreichungschance, also die Wahrscheinlichkeit das Ziel zu erreichen, als zweite Dimension ausgewählt. Sie zeigt, ob das bisherige Wachstum des Indikators für die Zielerreichung ausreichend ist oder nicht. Diese Dimension gibt das Verhältnis der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten der jeweiligen Datenreihen in der Vergangenheit und des projizierten Wertes für Österreich im Jahr 2020 zum Zielwert für 2020 an (unter der Annahme eines Business-as-usual). Als Zielwert für die Berechnung des Wachstums wird, wenn kein nationales Ziel festgelegt wird, der prognostizierte Wert für 2020 verwendet und nicht der tatsächliche Wert der Innovation Leaders. Dieser wiederum wird auf Basis der durchschnittlichen Wachstumsraten der Vergleichsländer in der Vergangenheit ermittelt.

Alle Indikatoren können in dieselbe Richtung interpretiert werden, d. h. Werte über 100 sind ein Signal für eine wahrscheinliche Zielerreichung, Werte unter 100 zeigen eine entsprechende Entfernung zum Ziel. Befindet sich ein Indikator in einem der beiden Quadranten auf der linken Seite, bedeutet dies, dass Österreich das gesetzte Ziel noch nicht erreicht hat. Für Indikatoren in der unteren linken Ecke wird dies sehr wahrscheinlich auch weiterhin unverändert bleiben. Aufgrund der schwachen Wachstumsraten bei diesen Indikatoren wird Österreich das Ziel daher bis 2020 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erreichen und ohne zusätzliche Maßnahmen werden die Innovation Leaders an der Spitze bleiben. Maßnahmen, die geeignet sind, die Leistung in den entsprechenden Bereichen zu steigern, sollten daher besonders priorisiert werden. Indikatoren im oberen linken Bereich weisen auf eine größere Entwicklungsdynamik Österreichs als die der Vergleichsländer hin, was aller Voraussicht nach dazu führen wird, dass die jeweiligen Zielsetzungen bis 2020 erreicht werden. Für die Erreichung dieser Ziele sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich, immer unter der Annahme, dass sich die Trends wie in der Vergangenheit fortsetzen.

Indikatoren in den beiden rechten Quadranten zeigen, dass die entsprechenden Ziele bereits erreicht wurden. Indikatoren in der oberen rechten Ecke bedeuten, dass Österreich das Ziel erreicht hat und aufgrund der hohen Wachstumsraten aller Voraussicht nach auch bis 2020 an der Spitze bleiben wird, vorausgesetzt, das Wachstum der Vergleichsländer bleibt im erwarteten Bereich. Daher besteht bei diesen Zielen derzeit kein weiterer Handlungsbedarf. Für Indikatoren im rechten unteren Quadranten reicht das Wachstum Österreichs nicht aus, um langfristig den Vorsprung gegenüber den Innovation Leaders zu halten. Dementsprechend sollte die Entwicklung hier sehr genau beobachtet werden, um gegebenenfalls auch rechtzeitig gegensteuern zu können.

Veranschaulichung der Anwendung des Ansatzes anhand eines praktischen Beispiels
Um zu veranschaulichen, wie der skizzierte Ansatz in der Praxis verwendet wird, stellen wir im Folgenden ein Beispiel aus dem Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2015 vor. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse der beschriebenen Vorgangsweise für den aktuellen Zielabstand und die Zielerreichungschance im Bereich "Forschung und Innovation im Unternehmenssektor". Das Beispiel wurde ausgewählt, weil sich darin Indikatoren in jedem Quadranten der Darstellung befinden. Mit dem Kometenschweif jedes Indikators wird die vergangene Entwicklung von 2010 bis 2015 dargestellt. Die Farben der Indikatoren sind von einer Ampel inspiriert, die positive und negative Entwicklungen signalisiert.

Die Abbildung zeigt auf einen Blick die Entwicklungen von Zielabstand und Zielerreichungschance in den jeweiligen Aspekten des untersuchten Leistungsbereichs. Es wird deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt noch erhebliches Potenzial zur Optimierung der Leistung und zur Steigerung der Effizienz im Unternehmenssektor bestand. Während die sechs grünen Indikatoren im rechten oberen Quadranten ihr Ziel oder das Niveau der Innovation Leaders bereits erreicht hatten, befanden sich die meisten Indikatoren weiterhin im unteren linken Quadranten, was auf eine Leistung unter dem durchschnittlichen Niveau der Peers und eine Tendenz auf ein weiteres Zurückfallen hindeutete. Gemessen an den damals aktuellen Trends und ohne zusätzliche Maßnahmen musste davon ausgegangen werden, dass sich der grau eingefärbte Indikator im rechten unteren Quadranten, der zum Zeitpunkt der Berichtslegung das Ziel bereits erreicht hatte, aller Voraussicht nach weiter verschlechtern und bis 2020 unter das Zielniveau fallen würde. Die beiden gelben Indikatoren im oberen linken Quadranten zeigten hingegen dynamische Entwicklungen, weshalb davon auszugehen war, dass sie höchstwahrscheinlich weiter aufholen und den Zielwert bis zum Jahr 2020 erreichen würden.

Zusammengefasst hatte der dargestellte Leistungsbereich zum gegebenen Zeitpunkt den drittkleinsten Zielabstand der sechs analysierten Bereiche und die höchste Zielerreichungschance. Viele Indikatoren wie "Wettbewerbspolitik" oder "Risikokapitalintensität" lagen jedoch weit unter dem Zielwert und zeigten eine unzureichende oder rückläufige Dynamik, um mit der Gruppe der führenden Länder gleichzuziehen. Darüber hinaus blieb die Leistung in wichtigen Teilbereichen wie Start-Up-Dynamik und Wachstum innovationsintensiver Gründungen im Vergleich zu den Innovation Leaders äußerst schwach. Auf Grundlage dieses Bildes hat der Rat in seinem Bericht die prioritären Handlungsfelder adressiert, einschließlich konkreter Politikempfehlungen zur Verbesserung der österreichischen Innovationsleistung in den einzelnen Aspekten dieses Leistungsbereichs. Zuletzt muss noch erwähnt werden, dass der Ministerrat den Rat für Forschung und Technologieentwicklung beauftragt hat, seine jährlichen Berichte zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs dem österreichischen Nationalrat zu übermitteln. Dort werden diese im parlamentarischen Ausschuss für Forschung, Technologie und Innovation diskutiert. Die Berichte werden auch öffentlich präsentiert und auf der Webseite des Rates veröffentlicht. Damit sollte die politische und öffentliche Debatte über essentielle Entwicklungen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation auf eine fundierte evidenzbasierte Grundlage gestellt werden.

Schlussbemerkungen
Wie gezeigt wurde, bezieht sich der skizzierte Ansatz für die Messung der Innovationsleistung nicht nur auf die länderspezifischen Gegebenheiten in Österreich, sondern ermöglicht auch eine dynamische Sicht auf vergangene und zukünftige Entwicklungen. Während Standard-Rankings lediglich eine statische Momentaufnahme eines bestimmten Leistungszeitpunkts liefern, bietet der vorgestellte Ansatz die Möglichkeit aufzuzeigen, wie sich die derzeitige Dynamik in den beobachteten Leistungsbereichen auf die Innovationsperformance in naher Zukunft auswirken könnte.
Für die politische Entscheidungsfindung sind diese Ergebnisse von großer Relevanz, denn je nachdem, ob die Wachstumstrends einzelner Indikatoren positiv oder negativ sind, werden unterschiedliche politische Prioritäten erforderlich. Dies gilt insbesondere auch je nachdem, ob es sich um einen Bereich handelt, in dem die Leistung des Landes hinterherhinkt aber schnell aufholt, oder ob es sich um einen Bereich handelt, in dem die Leistung des Landes mit einer weiter fallenden Tendenz hinterherhinkt. Im ersten Fall sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich, im zweiten sollten die Alarmglocken läuten.
Die Nachteile des vorgeschlagenen Ansatzes für politische Entscheidungsträger verhalten sich spiegelbildlich zu seinen Vorteilen: Da der Ansatz für nationale Inhalte maßgeschneidert werden muss, sind zunächst mehr Ressourcen für die Analyse der nationalen Leistung und dann für die nationale Zielsetzung oder Strategieentwicklung erforderlich. Wie ein maßgeschneiderter Anzug passt der Ansatz besser, ist jedoch teurer und zeitaufwändiger.
Die Vorteile einer angemessenen Berücksichtigung nationaler Besonderheiten können jedoch die Kosten für die Entwicklung länderspezifischer Ansätze mit nicht standardisierter Indikatorik aufwiegen. Darüber hinaus handelt es sich bei allen indikatorbasierten Bewertungen um quantitative Ansätze, was bedeutet, dass das internationale Benchmarking auf verfügbaren Daten beruht. Länderspezifische Herausforderungen, denen international vergleichbare Daten fehlen, können nur qualitativ angegangen werden.
Für den Rat bildeten der beschriebene Ansatz und die indikatorbasierte Messung der Innovationsleistung eine Grundlage, auf der Schlussfolgerungen über die wissenschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit Österreichs im Vergleich zu den führenden Innovationsnationen gezogen werden können. Mit dieser evidenzbasierten Analyse der Stärken und Schwächen des österreichischen FTI-Systems wurden die prioritären Handlungsfelder ermittelt und spezifische Politikempfehlungen verabschiedet. Der Rat ist der Ansicht, damit einen sachlich fundierten Beitrag zur Diskussion über die Weiterentwicklung des österreichischen FTI-Systems zu leisten.


[1] So unterschätzt der EIS etwa die Effekte von Innovationsaktivitäten, weil er keine Indikatoren für die Verbesserung in bestehenden Sektoren aufweist und damit den intra-sektoralen Strukturwandel bzw. das sektorale Upgrading nicht berücksichtigt
[2] Alle Berichte stehen auf der Website des Rates zum Download zur Verfügung: https://www.rat-fte.at/leistungsberichte-298.html
[3] Eine Zusammenfassung ist online verfügbar unter: https://bmbwf.gv.at/forschung/national/standortpolitik-fuer-wissenschaft-forschung/oesterreichischer-forschungsdialog/
[4] Details sind auf der Website des BMVIT abrufbar: https://www.bmvit.gv.at/service/publikationen/innovation/forschungspolitik/endbericht_syseval.html
[5] Für die Erarbeitung der "Strategie 2020" bediente sich der Rat einer Online-Plattform zur öffentlichen Diskussion der Strategieelemente mit der österreichischen FTI-Community. Für Details zum Prozess siehe Gadner/Leo 2010. Die "Strategie 2020" kann der Website des Rates heruntergeladen werden: https://www.rat-fte.at/files/rat-fte-pdf/090824_FINALE
[6] Auf Vorschlag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) wurden damals auch Zielwerte aus der European Education and Training 2020 Strategy herangezogen, um einzelne Zielsetzungen im Bildungsbereich zu operationalisieren, die nicht direkt aus der FTI-Strategie ableitbar waren.
[7] Laut European Innovation Scoreboard (EIS) der EU-Kommission rangieren folgende Länder in der Top-Gruppe: Dänemark, Finnland, Luxemburg, die Niederlande und Schweden. Deutschland wird für den aktuellen Bericht des Rates weiterhin als Innovation Leader geführt, auch wenn es im EIS zuletzt aus der Führungsgruppe ausgeschieden ist. Argumente dafür finden sich etwa beim hervorragenden Abschneiden Deutschlands in etlichen anderen internationalen Innovationsrankings, aber auch im EIS selbst, denn der Abstand Deutschlands zur Spitzengruppe ist minimal. So beträgt der Score Luxemburgs und Großbritanniens im Summary Innovation Index 128 Punkte, während der Deutschlands bei 127 Punkten liegt.%20VERSION_FTI-Strategie2020.pdf
[8] In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Prozess von der Länderanalyse über die strategische Zielsetzung bis hin zur Auswahl von Indikatoren übergreifende Diskussionsprozesse und kollektives Lernen begünstigt; dieser Aspekt fehlt völlig, wenn lediglich auf standardisierte Indikatoren bzw. Rankings zurückgegriffen wird (Barré 2010). Im skizzierten Falle Österreichs waren im Prozess das Bundeskanzleramt (BKA), das Bundesministerium für Finanzen (BMF), das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK), das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) involviert; der Rat für Forschung und Technologieentwicklung wurde ebenfalls stark in den Prozess einbezogen, nicht zuletzt auch aufgrund seines Monitoring-Auftrags.
[9] CIS-Indikatoren spiegeln Umfragewerte wider, was sie volatil macht und ihre Aussagekraft einschränkt. Bei der Einschätzung von Marktneuheiten beispielsweise kommt es zu länderspezifischen Verzerrungen. So schätzen etwa Unternehmen aus wirtschaftlich aufholenden Ländern in Osteuropa ihre Produkte durchwegs als sehr neu für den Markt oder die Firma ein, weshalb sie im IUS sogar besser abschneiden als die führenden Innovationsnationen.

Quellen

Aghion, P. / Howitt, P. (2006): Joseph Schumpeter Lecture Appropriate Growth Policy: A Unifying Framework. J. Eur. Econ. Assoc., 2006, 4(2-3), S. 269-314.

Androsch, H. / Gadner, J. (2015): Die Gestaltung der Zukunft. In: Rat für Forschung und Technologieentwicklung (Hg.): Die Gestaltung der Zukunft: Ökonomische, gesellschaftliche und politische Dimensionen von Innovation. Echomedia, Wien, S. 8-41.

Barré, R. (2010): Towards socially robust S&T indicators: indicators as debatable devices, enabling collective learning. Res. Eval., 2010, 19(3), S. 227-231

Edquist, Charles, Jon Mikel Zabala-Iturriagagoitia, Javier Barbero, und Jose Luis Zofío. "On the meaning of innovation performance: Is the synthetic indicator of the Innovation Union Scoreboard flawed?" Research Evaluation, 2018.

Gadner, J. / Leo, H. (2010): Innovation Policy Counseling 2.0: How Open and Community-Based Innovation Processes Promote Political Decision Making. bridges, vol. 28, December 2010 / Feature Article. Online: ostaustria.org/bridges-magazine/volume-28-december-20-2010

Hölzl, W. / Janger, J. (2014): Distance to the frontier and the perception of innovation barriers across European countries. Res. Policy, 2014, 43(4), S. 707-725.

Janger, J. / Schubert, T. / Andries, P. / Rammer, C. / Hoskens, M. (2017): The EU 2020 innovation indicator: A step forward in measuring innovation outputs and outcomes?, In: Res. Policy, 2017, 46(1), S. 30-42.

Rat für Forschung und Technologieentwicklung (2015): Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2015. Wien.

Rat für Forschung und Technologieentwicklung (2014): Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2014. Wien.

Schibany, A. / Streicher, G. (2008): The European Innovation Scoreboard: drowning by numbers? Sci. Public Policy, 2008, 35(10), S. 717-732.

Die Autoren

Dr. Hannes Androsch wurde 1938 in Wien geboren. Von 1970 bis 1981 war er Finanzminister und von 1976 bis 1981 Vizekanzler der Republik Österreich. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik bekleidete er bis 1989 die Funktion des Generaldirektors der CA Creditanstalt Bankverein. Heute ist er Industrieller und engagiert sich als Citoyen für wirtschafts-, sozial-, bildungs- und forschungspolitische Angelegenheiten. Seit 2010 ist Androsch Vorsitzender des österreichischen Rates für Forschung und Technologieentwicklung. Er ist ein gefragter Kommentator zum Zeitgeschehen sowie Herausgeber und Autor zahlreicher Publikationen.

Dr. Johannes Gadner ist stellvertretender Geschäftsführer des Rates für Forschung und Technologieentwicklung. In dieser Funktion leitet er seit 2011 das jährliche Projekt zur Erarbeitung des Berichts zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs. Als wissenschaftlicher Berater hat er von 2009 bis 2010 das FTI-Sekretariat des Bundeskanzleramtes bei der Entwicklung der FTI-Strategie des Bundes unterstützt. Davor war er mehrere Jahre im Bereich der sozialwissenschaftlichen Forschung an der Universität Wien, der Universität Innsbruck und dem University College London (UCL) sowie als Klubsekretär für Forschungs- und Innovationspolitik des Grünen Parlamentsklubs im österreichischen Nationalrat tätig. Er ist Herausgeber und Verfasser zahlreicher Bücher und Essays.

Dr. Jürgen Janger ist stellvertretender Leiter des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Er beschäftigt sich mit Bestimmungsfaktoren von Wettbewerbsfähigkeit und langfristigem Wachstum, darunter Fragen des Zusammenhangs zwischen Innovation und Bildung, Innovationspolitik und -effizenz, Wechselwirkungen zwischen Universitäten und dem wirtschaftlichen Umfeld, sowie Forschungsorganisation und Karriere- und Finanzierungsstrukturen an Universitäten. Nach Studien der Betriebs- und Volkswirtschaft in Paris, London und Wien arbeitete er vor seiner Tätigkeit am WIFO am Industriewissenschaftlichen Institut, in der Oesterreichischen Nationalbank, EZB und OECD. Er ist Verfasser zahlreicher Vorträge und Publikationen in internationalen Fachzeitschriften.


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