Diese Rankings werden von politischen Entscheidungsträgern genau beobachtet und häufig als neutraler Maßstab für die Innovationsleistung eines Landes wahrgenommen (Schibany / Streicher 2008). Bei Standardrankings wie dem Europäischen Innovationsanzeiger (EIS) oder dem Global Innovation Index (GII) wird jedoch in allen Ländern ein standardisierter Satz von Indikatoren angewandt, unabhängig von länderspezifischen Besonderheiten und Strukturen. Zum Beispiel hat die österreichische Regierung die vom EIS definierte Benchmark verwendet, um die österreichische Innovationsleistung mit der Leistung der führenden Länder Europas zu vergleichen. Aufgrund offensichtlicher und bekannter Mängel [1] sollte der EIS jedoch nicht als einziges Kriterium zur Beurteilung der Auswirkungen von Innovationsaktivitäten herangezogen werden (e.g. Edquist et al. 2018; Janger et al. 2017).
In diesem Artikel skizzieren wir den Ansatz des Rates für Forschung und Technologieentwicklung für die Messung und Bewertung der Leistungsfähigkeit des österreichischen Innovationssystems im internationalen Vergleich. Er wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) entwickelt. Der Ansatz berücksichtigt länderspezifische Faktoren und liefert sowohl Informationen über die aktuelle Entfernung zu strategischen Zielwerten als auch Informationen über die mögliche zukünftige Entfernung zu diesen Zielwerten, basierend auf der Fortschreibung von Trends. Eine Matrix, die sich aus der Gegenüberstellung der aktuellen und zukünftigen Entfernung zum Ziel zusammensetzt, liefert und visualisiert Informationen, die als Maß für den erforderlichen, zielführenden Aufwand (oder die Wahrscheinlichkeit, das Ziel erreichen zu können) die Festlegung FTI-politischer Prioritäten bestimmen können. Mit diesem Ansatz hat der Rat eine solide Grundlage für den internationalen Vergleich der österreichischen Innovationsleistung geliefert, die eine evidenzbasierte politische Entscheidungsfindung unterstützt.
Der Weg zu einem länderspezifischen Ansatz zur Messung der Innovationsleistung
Am 31. August 2009 hat der österreichische Ministerrat beschlossen, eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI-Strategie) einzusetzen. Ziel war es, strategische Zielsetzungen und Maßnahmen für die österreichische FTI-Politik für den Zeitraum bis 2020 festzulegen. Die FTI-Strategie mit dem Titel Der Weg zum Innovation Leader wurde im März 2011 verabschiedet. In ihrem Titel spiegelt das Dokument das prioritäre Ziel wider, das bis 2020 erreicht werden soll. Die Bundesregierung hat den Rat für Forschung und Technologieentwicklung damit beauftragt, den Fortschritt der Umsetzung der FTI-Strategie zu beobachten und die Leistung Österreichs im Bereich FTI im Vergleich zu den führenden Ländern Europas und der Welt zu bewerten. Seitdem erstellt der Rat einen jährlichen Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs,[2] um die wichtigsten Ergebnisse seines Monitorings vorzustellen. Der erste Bericht wurde im Juni 2012 vorgelegt.
In den Berichten wird ein länderspezifischer Ansatz zur Messung der Innovationsleistung verwendet, der auf einer gründlichen Analyse von Stärken und Schwächen des FTI-Systems, von der Regierung festgelegten strategischen Zielen und auf Indikatoren zur Messung der Zielerreichung beruht. Der Prozess, der diesem Ansatz zugrundeliegt, ist entsprechend aufwändig und beruht sowohl auf Aktivitäten der Bundesregierung (Erstellung der FTI-Strategie 2020) als auch des Rates. In einem ersten Schritt wurde eine detaillierte länderspezifische Analyse der Stärken und Schwächen der österreichischen Innovationsleistung durchgeführt, die als Grundlage für die anschließende Definition strategischer Ziele dienen sollte, die in einer umfassenden FTI-Strategie zusammengestellt wurden. Dieser mehrjährige Diskussions- und Analyseprozess bestand aus drei Säulen:
- Der "Österreichische Forschungsdialog" des BMWF[3] (2007-2008), wurde als breiter, landesweiter Diskurs- und Konsultationsprozess mit österreichischen Stakeholdern konzipiert, um das heimische Innovationssystem und die österreichische Wissensgesellschaft weiterzuentwickeln.
- Die Systemevaluierung der österreichischen Forschungsförderung und -finanzierung von BMVIT und BMWA[4] ("Systemevaluierung" 2008-2009) lieferte eine fundierte Bewertung des gesamten Forschungsförderungssystems sowie Empfehlungen zur Verbesserung durch Experten.
- Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung erarbeitete evidenzbasierte strategische Vorschläge und Empfehlungen für die Weiterentwicklung des österreichischen Forschungs- und Innovationssystems ("Strategie 2020" 2009).[5]
Basierend auf den Ergebnissen dieser Analyseprozesse wurde eine FTI-Strategie durch die Bundesregierung ausgearbeitet, die übergeordnete Ziele und sechs große Leistungsbereiche für Anstrengungen im FTI-Bereich enthielt. Dann wurden seitens des Rates Zielwerte für jeden Leistungsbereich festgelegt. Einige von ihnen wurden direkt aus der FTI-Strategie abgeleitet, z. B. das Ziel, eine F&E-Quote von 3,76 Prozent bis 2020 zu erreichen.[6] Nachdem nicht alle Zielsetzungen in der FTI-Strategie 2020 quantifiziert waren, wurden andere aus den Durchschnittswerten der Gruppe der Innovationsführer (gemäß dem Europäischen Innovationsanzeiger (EIS) gebildet, an dem sich die FTI-Strategie orientiert).[7] Während ein absoluter Wert statisch ist, ist der Durchschnitt einer Reihe von frei gewählten Vergleichs- oder Peer-Ländern dynamisch in dem Sinne, dass sich der Zielwert entsprechend der Leistung der Peers ändert. Dies ist vergleichbar mit standardisierten Rankings, mit der Ausnahme, dass Peer-Länder für den maßgeschneiderten Ansatz des Rates frei gewählt werden können, am besten aus einer Reihe von Ländern, deren Strukturen und Leistungen nicht zu weit vom zu beobachtenden Land entfernt sind.
Nachdem Leistungsbereiche und Zielwerte festgelegt wurden, mussten geeignete Indikatoren hinsichtlich Relevanz und Zuverlässigkeit sowie Datenverfügbarkeit ausgewählt werden. Zur Messung der österreichischen Innovationsleistung wurde in Zusammenarbeit mit dem Wifo und in Abstimmung mit den zuständigen Ministerien ein Set von 75 Indikatoren entwickelt.[8] Die ausgewählten Indikatoren basieren auf international verwendeten Klassifikationen der OECD, Eurostat usw. und entsprechenden Datenportfolios. Diese sind mit wenigen Ausnahmen, die auf Sonderauswertungen der Statistik Austria oder Berechnungen des WIFO beruhen, für die Öffentlichkeit zugänglich und werden sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene regelmäßig erhoben.
Für die Entwicklung des Sets war es wichtig, sich auf Indikatoren zu konzentrieren, die geeignet sind, die Rahmenbedingungen des österreichischen FTI-Systems besser abzubilden als beispielsweise die vom EIS oder anderen standardisierten Rankings verwendeten Indikatoren. Der Rat hielt dies für wichtig, da der EIS die Auswirkungen von Innovationstätigkeiten aufgrund seines Fokus auf den intersektoralen Strukturwandel unterschätzt: Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Innovationen werden im EIS hauptsächlich durch das Wachstum der High-Tech-Sektoren erfasst (Janger et al. 2017). Im Gegensatz dazu beinhaltet der EIS jedoch keine vernünftigen Indikatoren für Verbesserungen in allen bestehenden Sektoren, d.h. den intra-sektoralen Strukturwandel oder die Aufwertung bestehender Sektoren (sektorales Upgrading) in weniger FuE-intensiven Bereichen wie der Stahl- oder Automobilindustrie. Österreich entwickelt sich aber gerade in diesen weniger FuE-intensiven Sektoren sehr gut, weshalb ein Bild, das diesen Aspekt nicht berücksichtigt, unvollständig ist. Darüber hinaus basieren die jeweiligen EIS-Indikatoren auf dem Community Innovation Survey (CIS). Da die CIS-Indikatoren unbeständig sein können bzw. subjektive Interpretation von Innovationsleistung widerspiegeln, ist ihre Aussagekraft mit Vorsicht zu interpretieren.[9]
Statistisch stabilere Indikatoren wie die Exportqualität in technologieorientierten Sektoren oder die um die Industriestruktur bereinigte FuE-Intensität weisen im Vergleich zu den führenden Innovationsländern nur ein relativ geringes Defizit auf (für Details siehe Rat für Forschung und Technologieentwicklung 2014 S. 10ff). Der vom Rat verwendete Ansatz enthält daher für eine Bewertung der österreichischen Innovationsleistung geeignetere Indikatoren als z.B. der EIS, um länderspezifischen Merkmale abzubilden.
Innovationsleistung visualisierenDer angewandte Ansatz konzentriert sich auf das Ausmaß, in dem die in der Strategie festgelegten Ziele erreicht werden (statische Komponente, aktuelle Entfernung zum Ziel bzw. Zielabstand), und auf das Ausmaß, in dem die Ziele in der Zukunft erreicht werden können (dynamische Komponente, Wahrscheinlichkeit das Ziel zu erreichen bzw. Zielerreichungschance). Während die aktuelle Entfernung zum Ziel lediglich die Leistung Österreichs zum gegebenen Zeitpunkt relativ zum Zielwert widerspiegelt (entweder gemäß der FTI-Strategie oder als Durchschnittsniveau der Innovation Leaders), wird die Zielerreichungschance, auf Basis bisheriger Wachstumstrends berechnet, um einzuschätzen, wo Österreichs Leistung bis zum von der FTI-Strategie vorgegebenen Zielhorizont liegen könnte.
Dies kann grafisch dargestellt werden, wie das folgende Beispiel zeigt. Anhand der Abbildung 1 wird exemplarisch verdeutlicht, wie die Leistungsfähigkeit Österreichs in den analysierten Bereichen des FTI-Systems im Vergleich zu den ausgewählten Vergleichsländern grafisch dargestellt werden kann. Der Zielabstand auf der horizontalen Achse in der Abbildung zeigt den aktuellen österreichischen Wert und die Entfernung zum jeweiligen Ziel. Sie zeigt das Verhältnis und die Entfernung des letzten verfügbaren österreichischen Werts zum nationalen Ziel gemäß der FTI-Strategie. Wenn es kein nationales Ziel gibt, wird das Ziel aus dem letzten verfügbaren Durchschnittswert der aktuellen Innovation Leaders gemäß EIS gebildet. Dies ist auf die oben erwähnte Tatsache zurückzuführen, dass es für Österreich, wie in der FTI-Strategie festgelegt, ein vorrangiges Ziel ist, zur Gruppe der führenden Innovationsnationen aufzuschließen.