Mit dem neuen Digitalisierungszentrum wollen sie die Lehre und F&E am Campus unterstützen, aber auch eine erste Anlaufstelle für Unternehmen in Fragen der Digitalisierung sein. Wann kam Ihnen die Idee dazu?
Der Prozess startete im Sommer 2018, als an der Fakultät für Wirtschaft und Management ein neues Dekanat das Amt angetreten hat. Wir – Dekan Heimo Losbichler sowie Franz Staberhofer und ich als Vizedekane – waren uns rasch einig, die Digitalisierungskompetenz am FH OÖ Campus Steyr weiter auszubauen und zu forcieren. Wir sehen, dass alle Facetten der Betriebswirtschaft und -führung immer mehr durch Digitalisierung beeinflusst werden. Es gibt keinen Funktionalbereich mehr in der Wirtschaft, der nicht durch Digitalisierung beeinflusst wird. Produktion, Logistik, Marketing, Sales, Controlling, Finanzen – hier und in weiteren Bereichen spielen digitale Lösungen eine zentrale Rolle. Es ist gemeinsames Verständnis des Dekanatsteams sowie der Studiengangsleitungen am Campus Steyr und auch unsere strategische Agenda, die Digitalisierung zu forcieren.
War das auch ein Wunsch von außen, beispielsweise von Unternehmen, mit denen Sie gute Verbindungen und Kooperationen pflegen?
Das war nicht unmittelbar Stein des Anstoßes. Aber was wir oft hören, sind Fragen zu Anforderungen aus der Praxis, etwa: Wie könnt Ihr uns weiter helfen bei der Digitalisierung? Die konkrete Umsetzung von Digitalisierungsprojekten schreitet in der Wirtschaft derzeit langsamer voran, als es der Fall sein könnte – nicht zuletzt deshalb, weil bei Entscheidungsträger*innen ein Wissensdefizit hinsichtlich des Nutzens sowie der konkreten Umsetzungsmöglichkeiten besteht. Dies gilt für Großunternehmen, insbesondere aber für kleine und mittlere Unternehmen. Zwar haben wir solche Themen auch schon früher bearbeitet. Aber wir wollen diese Kompetenz nun mit Hilfe des Digitalisierungszentrums forcieren und noch effizienter koordinieren. Hier profitieren wir von unserer Struktur als FH, die es uns gut ermöglicht, auch eine übergreifende Koordination zu etablieren. Wobei man auch sagen muss, dass sich nun in gewisser Weise der Kreis schließt: Wir waren im Management der digitalen Transformation absolute Vorreiter in Steyr. Bei uns gibt es bereits seit rund 10 Jahren das berufsbegleitende Masterstudium Digital Business Management, das damals erste gemeinsame Studium einer Uni und FH, konkret der JKU Linz und der FH OÖ. Aus der Qualität und den Erfahrungen, die wir als First Mover gewonnen haben, können wir jetzt vieles umsetzen, das unsere führende Position absichert.
Wie ist die Nachfrage im Digital Business Management?
Sehr gut! Da herrscht eine enorme Nachfrage, weil diese Skills einfach in der Wirtschaft, im Markt so nachgefragt sind. Nur eine Erfolgskennzahl aus Digital Business Management: Da stehen 30 Studienplätze zur Verfügung, und 90-100 Bewerber*innen melden sich an. Auch bei den anderen Studiengängen in Steyr überwiegt im Regelfall die Nachfrage das Angebot bei weitem. Digitalisierung ist in der Praxis eben ein sehr gefragtes Thema, und die Kombination mit Unternehmensführung, die wir anbieten, ergänzt das hervorragend. Bei uns beschäftigten sich auch zwei Centers of Excellence mit diesem Themenfeld, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre sind wir da weit vorne, insbesondere in den Bereichen Logistik unter der Leitung von Franz Staberhofer und Produktion unter der Leitung von Herbert Jodlbauer. Da spielen auch die Stärken des Industriestandortes Oberösterreich eine große Rolle, denn alle diese Skills werden bei uns stark nachgefragt.
Sie fokussieren mit dem Digitalisierungszentrum auf sechs Themenbereiche. Wie kamen Sie auf diese Felder?
Dahinter liegt ein sehr ausführlicher Strategie- und Entwicklungsprozess. Zudem haben wir mehrerer Re-Evaluierungsrunden eingezogen. Wir haben uns gefragt: Wo sind wir stark und haben Kernkompetenzen? Und was wird künftig nachgefragt sein? Wo finden sich die Anknüpfungspunkte an der FH OÖ? So haben wir Themen und Standort gematcht und eine Auswahl von zukunftsorientierten Feldern definiert. Wobei eine gewisse Klammer über allem steht, wenn man so will: Das Management und der Mensch im Mittelpunkt. Das ergänzt die Kompetenzbereiche an den anderen FHOÖ-Fakultäten in Hagenberg, Linz und Wels sehr gut. Wir haben beispielsweise früh damit begonnen, von der reinen Technologiezentrierung auf die Frage der Mensch-Maschine-Interaktion und die psychologischen wie sozialen Aspekte der Digitalisierung in der Arbeitswelt hinzuweisen. Die Rolle und Position des Menschen in soziotechnischen Systemen – da haben wir an der FH OÖ zweifellos eine herausragende Expertise. Und wir denken schon wieder weiter, bereiten aktuell beispielsweise große Forschungsanträge vor, in denen Wirtschaft, Mensch und Digitalisierung im Mittelpunkt stehen. Das ist mir auch persönlich ein großes Anliegen und ein Forschungsfeld, in dem ich selbst sehr aktiv bin, ist digitaler Stress – weil die Zeichen der Zeit perfekt dazu passen und wir sehen, dass auch die möglichen negativen Wirkungen der Digitalisierung nun auch häufiger zutage treten. Auch diese gilt es zu erforschen und in der Praxis zu berücksichtigen.
Ein Beispiel dazu?
Corona hat uns gezeigt, dass es Grenzen in der digitalen Kommunikation gibt. Man kann zwar drei bis vier persönliche Meetings pro Tag machen – jedoch kaum bei gleich vielen digitale Online-Sessions mit voller Aufmerksamkeit dabei sein. Das strengt uns Menschen einfach zu sehr an. Ermüdungserscheinungen und Stress sind die Folge. Das zeigen Forschungsbefunde eindeutig.