Der Staat muss seine wirtschaftspolitische Rolle neu definieren, forderte die renommierte Ökonomin Mariana Mazzucato bei ihrem Besuch am 10. Juni in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien.
Auf Einladung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie und der ÖAW präsentierte die Professorin der Universität Sussex unter dem Titel "The State and Innovation: A Different Narrative" ihre international vielbeachteten Theorien zur Rolle von Staat und Politik in innovationsgetriebenen Marktwirtschaften.
"Blickt man zu Orten der Innovation wie dem Silicon Valley", erläuterte Mazzucato bei ihrem öffentlichen Vortrag, "dann findet man dort starke öffentliche Finanzierungen - und zwar in der gesamten Innovationskette." So wären die vielgerühmte Start-Up-Kultur sowie Erfindungen wie beispielsweise Apples iPhone ohne eine öffentliche Hand, die in Infrastrukturen oder die Grundlagenforschung investiert, nicht möglich gewesen. Gerade die für ihre hohe Innovationskraft gerühmten Branchen wie der IKT-Sektor, die Pharmaindustrie oder die Nanotechnologieindustrie profitieren von jahrzehntelanger staatlicher Unterstützung, wie Mazzucato in Anwesenheit u.a. von Bundesminister Alois Stöger, ÖAW-Präsident Anton Zeilinger, Helga Nowotny, Ehrenmitglied der ÖAW und frühere Präsidentin des Europäischen Forschungsrates, und FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner darlegte. Da sich private Investoren aus Projekten, die keine sofortige Vermarktbarkeit garantieren, rasch zurückziehen, wird die Wirtschaft nur durch eine staatliche Bereitschaft zur "Risikofinanzierung mit langem Atem" in die Lage versetzt, bahnbrechende Innovationen zu entwickeln.
Ein smartes, nachhaltiges und gerechtes Wirtschaftswachstum, so die Ökonomin, setze daher einen Staat voraus, der mehr ist als ein bloßer Retter bei Marktversagen oder ein "Nachtwächterstaat", der lediglich Rahmenbedingungen schaffe. Gefordert sei vielmehr ein Staat, der eine aktive, gestaltende und zukunftsorientierte Forschungsförderungs- und Wirtschaftspolitik betreibt. Zugleich müsse ein Verständnis dafür entstehen, dass die Öffentlichkeit nicht nur die Kosten der Grundlagen von Innovationen übernimmt, sondern auch an deren Erträgen beteiligt wird, wie Mazzucato bei der Veranstaltung an der ÖAW betonte.
Technologieminister Alois Stöger unterstrich in seiner Begrüßungsrede, wie wichtig die Arbeit von Mariana Mazzucato sei, weil sie "dem neoliberalen Mainstream von ‚mehr privat, weniger Staat‘ einige grundlegende Tatsachen" entgegensetze. "Wenn es um die Entwicklung grundlegend neuer Technologien geht, gibt es keinen privaten Markt, der das Risiko tragen würde", so Stöger. Die öffentliche Aufgabe sieht der Minister darin, "Wissenschaft, Forschung und Innovation in Österreich zu stärken und damit den gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern und die wirtschaftliche Wohlfahrt in unserem Land auch in Zukunft zu sichern". Dabei hänge eine langfristig angelegte Innovationspolitik davon ab, "wie sich der Staat aus den Erträgen seiner Investments in Forschung und Technologieentwicklung refinanzieren kann".
Stöger bekannte sich nachdrücklich zu "unseren öffentlichen Investitionen, entgegen dem europäischen Sparzwang, zur Unterstützung einer jungen dynamischen Gründerszene und zu einer klugen Industriepolitik in Österreich". Er sieht die gemeinsame Veranstaltung von bmvit und ÖAW als "Auftakt für eine längerfristige, grundlegende Auseinandersetzung über die Gestaltung unserer Innovationspolitik".
ÖAW-Präsident Anton Zeilinger hielt fest: "Staatliche Forschungsförderung muss noch viel risikobereiter werden. Auch die Forschenden selbst könnten die Notwendigkeit der Ergebnisoffenheit von Grundlagenforschung und von wirtschaftsnaher Forschung deutlich herausstreichen. ‚Heilsversprechungen‘, die bei Zuerkennung von Förderungen nicht selten gegeben werden, sollten vermieden werden."