05/2024 Wirtschaft
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Management: BANI ist das neue VUCA

Interview: Die VUCA (Volatil, Ungewiss, K(C)omplex, Ambiguity)-Welt war einmal, nun ist das Zeitalter von BANI angebrochen. Was das für die Wirtschaft bedeutet, erklärt Bodo B. Schlegelmilch, Dekan der WU Executive Academy.

von: Interview: Helene Fiegl

Instabilität scheint das neue Normal geworden zu sein. Kriegsgeschehen, eine Pandemie und ihre Folgen, Klimaveränderungen und Inflation prägen unseren Alltag. Viele Unternehmen haben inzwischen Schwierigkeiten damit, sich auf immer neue Herausforderungen einzustellen. Das VUCA-Vorgehen, das bislang als Bewältigungsstrategie gute Dienste geleistet hat, scheint nicht mehr zu greifen. Die Problemstellungen für das Leadership sind komplexer geworden. Ist nun BANI das neue VUCA? Das haben wir den Dekan der WU Executive Academy, Bodo B. Schlegelmilch, gefragt.

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Austria Innovativ: BANI und VUCA bezeichnen Herausforderungen und Instrumente für das Management, die durch Veränderungen, auch radikale Einschnitte, bestimmt werden. Wo ist der Unterschied zwischen den beiden Modellen?

Bodo B. Schlegelmilch: Bisher lebten wir in der vielzitierten VUCA (Volatil, Ungewiss, K(C)omplex, Ambiguity)-Welt. Laut Legende ist der Begriff während des Kalten Krieges, Ende der 1980er-Jahre, im Umfeld der US-Army entstanden. Von hier aus hielt er zur Jahrtausendwende Einzug in die Management- und Leadership-Literatur und in die Hörsäle der Business Schools. Nach ein paar Jahren bekam das neue Erklärungsmodell ein kleines „Facelift“ und wurde aufgrund geänderter Rahmenbedingungen um ein oder zwei „D“ (Dynamisch, Divers) erweitert. Das VUCADD-Konzept wurde verwendet, um die Volatilität zu beschreiben, die in der Geschäftswelt zur Norm geworden ist. Aber aus komplex, volatil und dynamisch ist im Laufe der Zeit ein völlig chaotisches Umfeld geworden, in dem nichts mehr planbar ist. BANI hilft den Unternehmen, völlig unvorhersehbare Auswirkungen zu berücksichtigen, die einen großen Einfluss auf ihre Tätigkeit haben können.

Hat VUCA nun tatsächlich ausgedient?

BANI ersetzt das VUCA-Modell nicht, es ist – wenn Sie so wollen – dessen Weiterentwicklung. Aber sich als Führungskraft und Unternehmen auf eine VUCA-Welt einzustellen, reicht nicht mehr. Was in diesem Zusammenhang jedoch ganz wichtig ist: Bei BANI handelt sich nicht um apokalyptisch chaotische Zustände, bei denen man einfach aufgeben muss. Ganz im Gegenteil: Unternehmen können sich in einer BANI-Welt nicht nur bewähren, sondern ihre Zukunft aktiv gestalten. Der Schlüssel dazu ist Strategic Foresight. Von Corona und Klimawandel bis zu Inflation und kriegerischen Auseinandersetzungen – Unternehmen müssen lernen, mit vollkommen unberechenbaren Krisen zurechtzukommen. Indem sie diese neue Normalität verstehen und einplanen, können die Unternehmen besser darauf vorbereitet sein, wenn sie eintritt.

Worauf ist bei der operativen Umsetzung des BANI-Modells besonders zu achten?

Ein wesentlicher Faktor für mehr Widerstandsfähigkeit in Zeiten von BANI liegt in der Selbstverantwortung des Menschen. Sie ist die Basis dafür, dass Menschen aufhören, zu reagieren und in Angst zu verharren, sondern mutig handeln und vom Beifahrer-Sitz ihres (Berufs-)Lebens hinter das Lenkrad wechseln. Außerdem können wir uns davon verabschieden zu glauben, dass etwa Fünf-Jahres-Pläne noch irgendeine Relevanz oder Sinn hätten. Es braucht daher eine neue Herangehensweise, sich der Zukunft zu nähern: Strategic Foresight behandelt im Unterschied zu bloßen Forecasts multidimensionale Zukünfte.

Foresight ist die Fähigkeit, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft gleichzeitig zu managen. Unternehmen, die in diesem Umfeld gut aufgestellt sind, wissen daher genau über ihre Vergangenheit Bescheid, bewältigen die Aufgaben des täglichen operativen Business erfolgreich und gestalten ihre Zukunft in einer BANI-Welt aktiv. Sie lassen sich weder von einem blinden Fleck noch von plötzlich auftretenden neuen Phänomenen irritieren, sondern können – wie wir Menschen auch – alternative Zukünfte antizipieren, schnell reagieren und strukturiert mit Neuem umgehen.

Haben Sie den Eindruck, dass Führungskräfte schon in der BANI-Welt angekommen sind?

Wir in der westlichen Welt sind bis zu einem gewissen Grad wohlstandsverweichlicht. Wir beklagen zehn Prozent Inflation. Bei unserem letzten Studienbesuch in Argenti-nien haben wir gehört, dass die Inflation im langjährigen Durchschnitt 60 Prozent beträgt – das sind ganz andere Rahmenbedingungen. Auf unseren Learning Journeys ins Silicon Savannah nach Nairobi haben wir gesehen, wie Menschen, die jeden Tag damit beschäftigt sind, für sich und ihre Familien das Nötigste zu organisieren, mutig und innovativ neue Wege gehen und Lösungen für die drängendsten Probleme finden – einfach, weil sie keine andere Wahl haben. Daran könnten wir uns orientieren, wo wir doch in einer vergleichsweise stabilen und wohlhabenden Umgebung leben.

In einer BANI-Welt zu führen, be-nötigt einen hohen Reifegrad und eine gezielte Entwicklung der eigenen Führungspersönlichkeit. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, die Führungskräfte in Schutz zu nehmen: Sie sollen heute die sprichwörtlichen „eierlegenden Wollmilchsäue“ sein und alles (lösen) können – der Druck auf sie ist enorm hoch. Letztlich ist es wichtig, ihnen und auch den Mitarbeitenden Ressourcen an die Hand zu geben, damit sie auch in der Krise resilient bleiben. Denn: Aus der ak-tuellen (und allen folgenden) Krise(n) kommen wir nur gemeinsam heraus.

Was braucht es vor allem, um für disruptive Ereignisse gerüstet zu sein und nicht, wie vielleicht gewohnt, linear zu reagieren?

Wie heißt es so schön: Das Einzige, was in Zeiten wie diesen noch konstant ist, ist der Wandel. Und genauso ist es auch. Genau deshalb ist es auch so wichtig, die ständige Veränderung als gegeben anzunehmen. Und eines ist klar: Allein können wir in der -BANI-Welt nicht bestehen – wir benötigen gemeinsame Kraftanstrengungen und einen fruchtvollen Austausch unter Gleichgesinnten. Und genau deshalb kommt lebenslangem Lernen zukünftig eine noch wichtigere Rolle zu als bisher.

BANI beschreibt die Welt nicht gerade als einen positiven Tummelplatz. Wie kann es da Führungskräften gelingen, ihren Strategien auch den notwendigen optimistischen Weitblick zu verleihen?

Bei dieser düsteren Sicht muss es nicht bleiben. Die Antwort auf BANI sind Fähigkeiten, die wir als ,Pioneers'-Qualitäten‘ bezeichnen. Die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen und Ängsten ist für Führungskräfte unabdingbar. Mit Mut und Offenheit Neuem gegenüber könnten Führungskräfte – und auch alle anderen – den Widrigkeiten der BANI-Welt einiges entgegensetzen. Oder wie Winston Churchill sagte: „Fear is a reaction, courage is a decision.“ Genauso gehören auch Empathie, Intuition, Wertschätzung und Fokus zu den wichtigsten Führungs-Skills für die Zukunft.

Was für Auswirkungen kann das BANI-Modell auf die gesamte Unternehmenskultur haben?

Lassen Sie es mich so formulieren: Was viel wichtiger ist, als sich mögliche Auswirkungen von BANI auf die Unternehmenskultur auszumalen, ist, sich zu überlegen, was Führungskräfte tun können, um in unsicheren Zeiten für eine Unternehmenskultur zu sorgen, in der sich Mitarbeiter gefördert und zugleich aufgehoben fühlen. Und dazu braucht es eben neben den nötigen fachlichen Kompetenzen, dem Wissen um die Herausforderungen der BANI-Welt auch ein entsprechendes Growth Mindset, das uns dabei hilft, optimistisch in die Zukunft zu blicken, sich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen und Veränderung nicht als Gefahr, sondern als Chance zu sehen.

Danke für das Gespräch!


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