Der im Sommer veröffentlichte Draghi-Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit Europas gibt eine klare Antwort auf die Frage, warum wir gegenüber Wirtschaftsmächten wie den USA und China ins Hintertreffen geraten sind: Es ist vor allem ein Rückstand bei der Produktivität. Nachdem Europa nach dem Zweiten Weltkrieg eine beeindruckende Aufholjagd hingelegt und die USA Mitte der 1990er-Jahre fast eingeholt hatte, fallen wir seitdem wieder zurück – derzeit liegen wir rund
20 Prozent hinter den USA, Tendenz weiter fallend. Als einen der Hauptgründe dafür sehen die Ökonom:innen aus dem Team von Mario Draghi die mangelnde Innovationskraft, vor allem im IT-Bereich: Europa habe die Digitalisierung verschlafen, heißt es in dem Bericht.
Zu den wichtigsten Rezepten für eine Verbesserung der Situation zählen die Expert:innen – neben einer Vertiefung des europäischen Binnenmarkts – massive Investitionen in Forschung, Innovation und Technologie (FTI). Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommt der im Herbst veröffentlichte Heitor-Report, in dem 15 unabhängige Expert:innen unter der Leitung des ehemaligen portugiesischen Staatsministers Manuel Heitor das europäische Forschungssystem analysierten. Die wichtigste Schlussfolgerung: Mehr Forschung und Innovation sind die zentralen Mittel, um Europa global wettbewerbsfähiger, sicherer, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen.
Wir müssen dringend gegensteuern
Österreich hat noch stärker als Europa insgesamt mit einem Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen. Sowohl der aktuelle OECD-Länderbericht als auch das European Innovation Scoreboard zeigen, dass Österreichs Innovationsleistung zuletzt rückläufig war. Dies ist einer der Gründe, warum die österreichische Wirtschaft tiefer in den wirtschaftlichen Abschwung geraten ist als vergleichbare Länder. Spektakuläre Insolvenzen und Betriebsschließungen sprechen leider eine deutliche Sprache.
Hier müssen wir dringend gegensteuern. Gemeinsam mit allen wesentlichen FTI-Akteuren in Österreich – darunter die Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Industriellenvereinigung (IV), das Institute of Science and Technology Austria (ISTA), die Wirtschaftskammer Österreich (WKO), die TU Austria (TU Wien, TU Graz und Montanuniversität Leoben), die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der Forschungsrat (FORWIT) – sehen wir die dringende Notwendigkeit, die Forschungsausgaben in Österreich bis 2030 auf vier Prozent des BIP (derzeit 3,34%) anzuheben: So wie es führende Länder wie die Niederlande, Finnland oder Südkorea anstreben. Auch Holger Bonin, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), forderte kürzlich in der Pressestunde, dass die künftige Regierung unbedingt in Forschung und Innovation investieren sollte.
Für die öffentliche Hand bedeutet eine Anhebung der Forschungsquote auf vier Prozent für die nächste Periode des FTI-Paktes 2027-2029 eine Erhöhung der Budgetmittel von derzeit 5,2 Mrd. Euro um 1,6 Mrd. Euro auf 6,8 Mrd. Euro. Das klingt viel, ist es aber im Vergleich zu den wirklich großen Ausgabenblöcken im Bundeshaushalt nicht.
Investitionen in die Zukunft
Diese Mittel sind keine bloßen Ausgaben oder Subventionen: Sie sind vielmehr unverzichtbare Zukunftsinvestitionen für...
- die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung des Standorts Österreich,
- zur Sicherung von Wohlstand und Arbeitsplätzen,
- die Entwicklung von Zukunftstechnologien in Schlüsselbereichen wie Dekarbonisierung, digitale Transformation und Künstliche Intelligenz,
- die Attraktivierung des Forschungs- und Wirtschaftsstandorts, um Unternehmen und Spitzenkräfte anzuziehen bzw. im Land zu halten,
- die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit wie Digitalisierung, Dekarbonisierung oder Alterung der Gesellschaft.
Die Erhöhung der Forschungsquote ermöglicht die Sicherung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit Österreichs. Wirtschaftswissenschaftler haben eindeutig nachgewiesen, dass forschende Unternehmen ihren Umsatz und ihre Beschäftigung stärker steigern als weniger innovative Unternehmen. Auch im Export sind sie deutlich erfolgreicher. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass innovative Unternehmen Krisen schneller überwinden und den Aufschwung aus rezessiven Phasen besser meistern. Mit einer Erhöhung der Forschungsmittel haben wir also auch einen Hebel, um aus der Rezession in den Aufschwung zu kommen.
Kooperation zwischen Forschung und Industrie ist wesentlich
Das AIT leistet dazu einen wichtigen Beitrag: Als Brücke zwischen universitärer Grundlagenforschung und industrieller Anwendung des Know-hows tragen wir aktiv dazu bei, dass aus wissenschaftlichen Ideen erfolgreiche Innovationen werden. Ein schönes Beispiel dafür ist die Eröffnung des ersten „grünen“ Ziegelwerks durch den Baustoffkonzern Wienerberger in Uttendorf (Oberösterreich) Ende November. Seit acht Jahren arbeitet das AIT gemeinsam mit Wienerberger an Verfahren, um die Energieeffizienz stark zu erhöhen und den CO2-Ausstoß drastisch zu senken – vor allem in einem EU-Projekt und im Rahmen der Innovationsallianz NEFI (New Energy for Industries). Entwickelt wurde ein innovatives Energiekonzept und eine nahezu CO2-freie Tonmischung, ins-talliert wurden ein weltweit einzigartiger elektrischer Ziegelofen sowie industrielle Hochtemperatur-Wärmepumpen, die industrielle Abwärme in nutzbare Energie umwandeln. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der Energiebedarf des neuen Ziegelwerks konnte um 30 Prozent, der CO2-Ausstoß um bis zu 90 Prozent reduziert werden.
Solche Ansätze der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Unternehmen sollten in vielen Bereichen besser unterstützt werden. Hier kommt auch der EU eine wichtige Rolle zu: Im Forschungsrahmenprogramm wird in der so genannten 2. Säule („Globale Herausforderungen und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie“) die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gezielt gefördert. Diese Säule soll weiter ausgebaut und gestärkt werden.
Deutlicher Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft
Um mit Amerika und Ostasien mithalten zu können, wird von vielen Seiten, z. B. von EARTO (Dachverband der europäischen Forschungs- und Technologieorganisationen) oder auch im Heitor-Report, eine Aufstockung des nächsten EU-Forschungsrahmenprogramms auf mindestens 200 Mrd. Euro gefordert. Wir schließen uns dieser Forderung uneingeschränkt an – im Wissen, dass Investitionen in Forschung, Technologie und Innovation einen deutlichen Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft schaffen und Europa wettbewerbsfähig halten.
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