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© Foto: Hai AIZ Strass
Das AIZ Strass im Zillertal setzte vergangenes Jahr mit dem "Triple-A-Verfahren" ein revolutionäres Belüftungsprozedere in der ersten Reinigungsstufe um.
© Foto: Hai AIZ Strass

Umweltschutz - Abwasser

Kläranlagen im Effienzmodus

Der Energiebedarf der 1.869 heimischen Kläranlagen liegt aktuell bei enormen 560 Gigawattstunden pro Jahr. Wenn es um Effizienz und Energieeinsparungen im Klärbecken geht, ist österreichische Technologie schon heute ganz vorne dabei. Kläranlagen entwickeln sich zunehmend zu Ökokraftwerken.

von: Alex Kohl

Kommunale Abwasseranlagen beanspruchen rund ein Fünftel des gesamten Elektrizitätsverbrauchs von Gemeinden. Damit stehen sie automatisch im Fokus jedweder Suche nach vermeidbaren Kilowattstunden in Kommunen. Diese Einsparpotenziale werden nun immer häufiger aufgespürt und optimiert: Effizienzsteigerung heißt das neue Trendwort in der Kläranlage. Um diese zu erreichen, gibt es viele zum Teil sehr unterschiedliche Möglichkeiten und innovative Technologien – von Sparsamkeit und Prozessbeschleunigung bis hin zur Eigenstromversorgung und Öko-Kraftwerken reicht das Spektrum. Da bei fast allen Kläranlagen mit Belebungsverfahren die Belüftung der mit Abstand wichtigste Verbraucher ist, lohnt sich hier ein Effizienz-Blick ganz besonders. Wie Sparsamkeit im Klärbecken ohne massive Investitionen erzielt werden kann, zeigt seit vergangenem Jahr eine Tiroler Kläranlage mit einem weltweit einzigartigen Projekt vor: Das AIZ Strass befindet sich direkt am Knotenpunkt Achental, Inntal und Zillertal. Um sich an diesem zentralen Punkt für die steigenden Spitzen im Wintertourismus zu wappnen, sollte die Kapazität der Kläranlage von 167.000 Einwohnergleichwerten (EWG) auf 250.000 EWG erhöht werden. Die Vorgabe des Abwasserverbands für die Erweiterung aber war: Kapazitätserhöhung ohne Beckenneubau. Damit mussten die Betreiber der Anlage auf Effizienzsteigerung und innovative Technologie setzen.

Revolutionäres Belüftungsverfahren
Die revolutionäre Lösung nennt sich „Triple-A-Verfahren“. Dieses Verfahren steht für „Alternierende Aktivierte Adsorption“ (AAA) und beschreibt ein völlig neues Belüftungsprozedere in der ersten Reinigungsstufe, das es ermöglicht, die Anlagenkapazität ohne bauliche Erweiterung um mehr als 50 Prozent zu erhöhen, die Gasausbeute zu steigern und den Energieverbrauch der Gesamtanlage zu reduzieren. Ein Effizienzgewinn auf ganzer Linie also, der im AIZ Strass im Zillertal allein durch die Umrüstung bestehender Zwischenklärbecken erzielt wurde.

1,8 Millionen Euro ließ sich der Abwasserverband die Lösung kosten. Alternativ aber hätte man neue Becken bauen und mit Anlagentechnik ausstatten müssen – die Gesamtkosten wären dann bei 4,3 Millionen Euro gelegen. Gerald Glaninger, Prokurist bei Aquaconsult Anlagenbau GmbH, ist sich sicher: „Dieses innovative Verfahren wird die Vorklärung revolutionieren.“ Die Belüftungstechnik seines niederösterreichischen Unternehmens ist in sämtlichen Klärstufen des AIZ im Einsatz. Nun ist sie ein Herzstück des Triple-A-Verfahrens: „Die fein eingeblasene Luft durch unsere Streifenbelüfter übernimmt hier eine entscheidende Rolle, um die Aktivierung der Biosorption zu erreichen“, so Glaninger. Doch nicht nur in Tirol setzt man auf die „Aerostrips“, in punkto Energieeffizienz im Klärbecken hat sich die Technologie von Aquaconsult mittlerweile auch international einen Namen erarbeitet.

 

Gefragtes Know-how aus Niederösterreich
Erst vor wenigen Monaten hat das Unternehmen einen der größten Umrüstungsaufträge seiner Geschichte in der Millionenstadt Kopenhagen an Land gezogen. Die dänische Hauptstadt hatte entschieden, sämtliche ihrer Kläranlagen auf Streifenbelüfter aus Niederösterreich umzurüsten. Ab Juni 2022 sollen 9.660 Streifenbelüfter von Aquaconsult in den beiden größten Kläranlagen der Region, Lynetten und Damhusåen, installiert werden und somit das Abwasser von 1,4 Millionen Menschen behandeln. Vordringliches Ziel des Projektes ist erneut die Steigerung der Anlageneffizienz: mehr Abwasser, das in kürzerer Zeit behandelt werden kann. „Wir tun dies, indem wir den Reinigungsprozess beschleunigen – ohne Kompromisse bei der Reinigungsqualität“, wie Jan Henriksen, Betriebsleiter bei Biofos A/S, dem Betreiber der Kläranlagen, beim Projektstart betonte. Das Ballungsgebiet um Kopenhagen wachse weiter an und es müsse damit auch immer mehr Abwasser gereinigt werden, bevor es in den dänischen Sund abfließe. Damit die Kläranlagen in Zukunft mit den großen Wassermengen mithalten können, soll nun bis 2027 mehr als eine Milliarde Dänische Kronen (über 134 Millionen Euro) investiert werden, wie die Vertragsparteien bekanntgaben. Insgesamt werden fünf Projektabschnitte dafür sorgen, dass das Abwasser der Metropolregion bis 2045 umfassender und effizienter gereinigt werden kann.

Nützliches Faulgas
Neben Belüftung und Belebung im Becken gibt es aber einen weiteren zentralen Bereich in der Kläranlage, der die Energiebilanz maßgeblich zu erhöhen vermag: die energetische Nutzung von Faulgas. Dieses Nebenprodukt der Abwasserbehandlung kann mittels Blockheizkraftwerken zur Energieerzeugung verwendet werden und erzielt durch ausgeklügelte Technologie immer höhere Wirkungsgrade. Ein Vorzeigebeispiel dafür ist die neue „E_OS“ Schlammbehandlungsanlage der EBS Wien Hauptkläranlage: Durch die Nutzung des erneuerbaren Energieträgers Klärgas kann seit 2021 die gesamte für die Abwasserreinigung benötigte Energie zur Gänze selbst auf dem Anlagengelände erzeugt werden. „Bei Schlammfaulungsanlagen stand früher vor allem die Reduktion des Klärschlamms im Mittelpunkt des Interesses“, erläutert EBS-Generaldirektor Christian Gantner, „die gewonnene Energie war nur ein angenehmer Nebeneffekt. Im Projekt E_OS war hingegen von Anfang  an die größtmögliche Energieausbeute unser Ziel.“ So entwickelte die EBS Wien gemeinsam mit der Technischen Universität Wien ein neues Verfahren. Die Grundidee: Dem Klärschlamm die optimale Menge Wasser entziehen, bevor er in die Faulbehälter gelangt. Je „dicker“ der Schlamm, desto besser die Energiebilanz; denn der Schlamm muss später für die Faulung erwärmt werden. Ein geringerer Wasseranteil spart dabei Energie.

20 Millionen Kubikmeter Methan
„Umfangreiche Versuche haben unsere Annahmen bestätigt, wir können die neuen Faulbehälter nun mit einem doppelt so hohen Feststoffgehalt wie üblich betreiben“, so Gartner. Durch das neue Verfahren kommt die EBS mit halb so vielen Faulbehältern aus. Die jeweils 30 Meter hohen Türme prägen die Simmeringer Skyline zwar nachhaltig. Im Inneren der Türme mit einem Gesamtvolumen von 75.000 Kubikmeter aber geht es heiß her: Dorthin gelangt der „voreingedickte“ und auf 38 Grad Celsius erwärmte Schlamm. Unter Luftabschluss bauen Bakterien die organischen Inhaltsstoffe des Klärschlamms ab.
Während des 25 Tage dauernden Faulungsprozesses entsteht Klärgas, das zu zwei Drittel aus dem energiereichen Methan (CH4) besteht. Davon fallen 20 Millionen Kubikmeter pro Jahr an. Der ausgefaulte Schlamm wird danach aus den Faulbehältern abgezogen und verbrannt. Das Klärgas gelangt über Filteranlagen von den Gasbehältern in Blockheizkraftwerke, wo mittels Gasmotoren und Generatoren nicht nur elektrischen Strom gewonnen wird, sondern auch Wärme, die für Heizung und Warmwasserbereitung verwendet werden kann. Dadurch kommen die Blockheizkraftwerke auf einen hohen Gesamtwirkungsgrad von mehr als 80 Prozent.

77 Sonnenkraftwerke
Neben Faulgas und Belüftungseffizienz gibt es noch zahlreiche weitere Effizienzmaßnahmen auf dem Weg zur Wasseraufbereitung der Zukunft. Beispielsweise lassen sich erneuerbare Energien optimal in das System Kläranlage integrieren. So ist das Gelände meist prädestiniert für die Installation von Solar- oder Windkraftanlagen, um den Anteil der Eigenerzeugung am gesamten Stromverbrauch weiter zu erhöhen. Durch das Investitionsförderungsprogramm des Klima- und Energiefonds für Modellregionen konnten in den vergangenen Jahren insgesamt 77 Sonnenkraftwerke auf Abwasserreinigungsanlagen realisiert werden. Weitere Maßnahmen zur energieeffizienten Gestaltung der Wasseraufbereitung in der Zukunft zielen nun auch darauf ab, Wasserkraft oder vor allem Abwärme im Zu- und Ablauf der Kläranlage zu nutzen.

Heißes Abwasser
Wärmeenergie aus der Warmwasserproduktion von Haushalten und Gewerbe geht derzeit zum größten Teil noch ungenutzt in den Kanal. Daher werden im Rahmen einer weiteren Förderaktion des Klima- und Energiefonds bis Februar 2023 Investitionsprojekte zur energetischen Nutzung des thermischen Potenzials von Abwasser aus dem öffentlichen Kanal gefördert. Ziel dieses Projektes ist es, die Möglichkeit der Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser näher zu untersuchen und in Österreich zu etablieren. „Abwasser-energie steht ganzjährig, rund um die Uhr zur Verfügung und kann zum Heizen sowie Kühlen von Gebäuden genutzt werden“, weiß Ulrike Rabmer-Koller, Geschäftsführerin der Rabmer Gruppe in Linz, die eine technologische Lösung zur Nutzung dieser Wärmepotenziale entwickelt hat. „Um Abwasser als erneuerbare Energiequelle nutzbar zu machen, werden zunächst Wärmetauscher im öffentlichen Kanal oder bei größeren Anlagen als Bypass außerhalb des Kanals beziehungsweise auch im Kläranlagenabfluss angebracht“, schildert Rabmer-Koller. Das Abwasser im Kanal umspült die Wärmetauscher und erwärmt einen separaten Wasserkreislauf, der wiederum mit Wärmepumpen im zu versorgenden Gebäude verbunden ist. Diese entziehen dem Wasser die Wärmeenergie und bringen es auf das gewünschte Temperaturniveau. Im Winter kann so ein Gebäude beheizt oder Warmwasser aufbereitet werden, im Sommer wird der Prozess umgekehrt, um das Gebäude zu kühlen. „Energie aus Abwasser hat enormes Potenzial“, so Rabmer-Koller. „Studien zeigen, dass bis zu 24 Prozent des benötigten Wärmebedarfs im Gebäudebereich aus der Energiequelle Abwasser gedeckt werden kann, sei es durch direkte Entnahme aus dem Kanal oder auch im Kläranlagenablauf.“
All diese Innovationen zeigen, dass die Abwasserreinigung der Zukunft nicht nur energieeffizient, sondern sogar energieerzeugend sein kann. Der Kläranlage steht damit auf der Entwicklungsreise hin zum Öko-Kraftwerk nichts mehr im Wege.


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