Und schon wieder ist etwas passiert. Ende Juni traten die Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS vor die Medien und präsentierten ihre neuen Konjunktureinschätzungen. In leichten Schattierungen, aber doch recht ähnlich, stuften beide die österreichischen Wirtschaftsaussichten in ihrer Sommerprognose für 2024 zurück. Das IHS von 0,5 auf 0,3 Prozent Wachstum und das WIFO von 0,2 Prozent auf eine glatte Null.
Österreichs Wirtschaft kommt also nach jahrelangen Multikrisenszenarien mit Pandemie, Inflation, Rezension, Großinsolvenzen und internationalen Konflikten aus dem Schlingern nicht heraus. Alles deutet darauf hin, dass 2024 – im besten Falle – ein Jahr der Stagnation wird, auch in der Ostregion Österreichs, das mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland den größten Wirtschaftsraum der Alpenrepublik darstellt. Erst 2025 soll das Wachstum dann wieder vorsichtig sprießen, nach Wifo mit 1,5 und IHS mit 1,6 Prozent.
Weniger produzierende Industriebetriebe
Ostösterreich ist dabei besonders von der allgemeinen Wirtschaftslage abhängig. Die drei östlichsten Bundesländer erwirtschaften insgesamt 43 Prozent des gesamten österreichischen Bruttoinlandsprodukts. Den Löwenanteil hält dabei Wien, das zum Bruttoregionalprodukt (BRP) Ostösterreichs mehr als die Hälfte (57 Prozent) beiträgt (Niederösterreich: 28 Prozent, Burgenland: 8 Prozent) und mit einem BRP von 111 Milliarden Euro auch das wirtschaftsstärkste Bundesland Österreichs ist.
Die Konjunkturaussichten der Bundeshauptstadt werden dabei trotz hoher Arbeitslosenquote um einen Hauch besser eingeschätzt als für andere Bundesländer. Der Grund dafür liegt in einem strukturellen Phänomen: Der Anteil der produzierenden Industriebetriebe liegt in Wien deutlich unter dem Österreich-Durchschnitt. Damit würden die eingetrübten Industrieaussichten in Wien, in Relation zu den Bundesländern mit höheren Industriebetriebe-Anteilen wie Oberösterreich, der Steiermark, aber auch Niederösterreich, eine geringere Rolle spielen, sagen Wirtschaftsforscher. Zudem gebe es Aufholeffekte im Tourismus, von dem auch der Dienstleistungssektor profitiere.
Universitäts-, Fachhochschul- und Forschungsstandort
Ebenfalls ein Plus für Wien ist seine Stellung als zentraler Universitäts-, Fachhochschul- und Forschungsstandort. Bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung im innerösterreichischen Ranking liegt die Bundeshauptstadt mit vier Prozent Forschungsquote hinter der Steiermark (5,5 Prozent) seit Jahren solide auf Platz zwei. Durch die Erhöhung der Universitätsbudgets für die nächste Leistungsvereinbarungsperiode von 2025 bis 2027 auf einen Rekordwert von 16 Milliarden Euro wird Wien durch seine hohe Anzahl an Uni-Standorten auch überproportional profitieren.
Wie aber jetzt die Krise meistern? Von ihren wirtschaftsstrategischen Konzepten her sind Wien, Niederösterreich und das Burgenland relativ ähnlich aufgestellt. In allen drei Bundesländern stehen Themen der smarten Transformation an oberster Stelle in ihren wirtschaftspolitischen Strategiepapieren: Digitalisierung der Industrie, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energiewende. Ähnlich sind auch die wirtschaftspolitischen Überlegungen, um die Krise zu meistern: Gestützt werden soll die Konjunktur mit Förderungen und öffentlichen Investitionen, vor allem im Infrastrukturbereich.
Burgenland: Ausbau von Wind- und Solarparks
Das Burgenland, das der wirtschaftlich kleinste Part der Ostregion ist, feiert hierbei, dass man in den letzten Jahren relativ robust durch die Krise kam, und will weiterhin auf den Ausbau von Wind- und Solarparks setzen, um bis 2030 energieautark zu werden. Zudem soll in Forschung und Entwicklung investiert und bis 2030 die F&E-Quote auf drei Prozent verdoppelt werden. Wien und Niederösterreich setzen ebenso auf ähnliche Transformationsthemen, wobei neben erneuerbaren Energien auch die Themen Gesundheit, Pflege und Bildung weiter ausgebaut werden sollen.
Das Problem ist allerdings: Nach der Multikrise sind die Landeskassen so gut wie leer. Neues Geld muss auf Pump aufgenommen werden. Jüngstes Beispiel ist Niederösterreich, das Anfang Juli ein Doppelbudget im NÖ-Landtag für 2025 und 2026 beschlossen hat. Um die notwendigen Ausgabensteigerungen für Soziales (+14 Prozent), Gesundheit (+10 Prozent), Bildung und Weiterbildung (10,5 Prozent), Wissenschaft und Forschung (+10 Prozent), Investitionen und Förderungen in Wirtschaft, Infrastruktur und klimarelevante Maßnahmen (9 Prozent) finanzieren zu können, wurde nach hitziger Diskussion auch ein Doppeldefizit von 350 Millionen Euro für 2025 und 256 Millionen für 2026 beschlossen, inklusive Verkauf von Wohnbaudarlehen, die 700 Millionen Euro in die leeren Kassen spülen sollen. Die Botschaft: „Alles gut, kein Sparbudget, ja, aber wir werden unsere neuen Ausgaben ständig kritisch prüfen“, wird von Wirtschaftsforschern eher skeptisch beäugt.
Denn der Fiskalrat hat Österreich bereits die Rute ins Fenster gestellt. Auf Bundesebene ist Österreich gerade noch einmal an einem Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Union mit hohen Strafzahlungen oder Einbehaltung von EU-Mitteln vorbeigeschrammt, weil die Neuverschuldung bereits bedenklich nahe an das Drei-Prozent-Ziel des Maastrichtvertrags gekommen ist.