Ein Anhaltspunkt zur Frage, wie sich das Geschlecht auf individuelle ökonomische Verhältnisse auswirkt, ist der Gender-Pay-Gap, der in vielen Ländern laufend ermittelt wird. Gerade Österreich schneidet bei dieser Analyse der Einkommensunterschiede von Frauen und Männern schlecht ab – auch im Vergleich zu Ländern mit ähnlichen Standards. Die Statistik Austria hat etwa errechnet, dass der Gender-Pay-Gap 2021 in Österreich bei 18,8 Prozent lag. Der EU-Schnitt lag im selben Jahr bei 12,7 Prozent.
Eine Kennzahl wie diese sagt allerdings noch wenig über die tatsächlichen Rollenbilder aus, die Frauen und Männer in der Wirtschaft einnehmen, und wie diese sich mit der Zeit verändern. In diesen Bereich fallen die Forschungen von Alyssa Schneebaum vom Department für Volkswirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Im vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt „Geschlecht und Ökonomie im Wandel“ hat sie untersucht, welche Auswirkungen gesetzliche und organisatorische Rahmenbedingungen auf Geschlechterrollen in Bezug auf ihren ökonomischen Status haben.
„Die Studien belegen, dass ökonomische Prozesse eng mit Geschlechterrollen verbunden sind – diese beiden Sphären sind nicht zu trennen“, resümiert Schneebaum. „Jede Maßnahme, die in die ökonomischen Verhältnisse der Menschen eingreift, muss dieses Faktum berücksichtigen.“ Die Forscherin analysiert in ihren Arbeiten unter anderem, wie sich Globalisierung, Geschlechterorientierungen oder eine individuelle Absicherung durch ein Grundeinkommen auswirken. „Wichtig dabei ist, dass es im Sinne einer Intersektionalität nie nur um das Geschlecht allein geht“, sagt die Ökonomin. „Ungleichheit und Diskriminierung resultieren nicht nur aus dem Geschlecht, sondern oft gleichzeitig aus mehreren Eigenschaften und Zuschreibungen – etwa Alter, Religion oder Migrationshintergrund.“
Wie Geld und Macht in Beziehungen verteilt ist
In einer ihrer Studien, die im Rahmen des Projekts entstanden sind, untersuchte die Forscherin Paare in Österreich, die von sehr unterschiedlichen soziodemografischen Merkmalen geprägt sind: „Was ist, wenn nur ein Partner in der Beziehung einen sehr hohen Bildungsstandard hat? Was, wenn nur eine Person Migrationshintergrund hat? Es ging darum, herauszufinden, wie sich diese Differenzen auf die Aufteilung von Vermögen und Entscheidungsmacht in Haushalten auswirken“, veranschaulicht die Ökonomin. Als Grundlage dienten Daten des Household Finance and Consumption Survey (HFCS), die im Land von der Österreichischen Nationalbank (OeNB) erhoben und auf EU-Ebene von der Europäischen Zentralbank (EZB) harmonisiert werden.
Die Ergebnisse sind ernüchternd. „Wie zu erwarten war, gibt es eine stark ausgeprägte geschlechterspezifische Vermögenslücke zum Nachteil der Frauen“, erklärt Schneebaum. „Am größten ist diese bei Paaren, bei denen der Mann aus Österreich stammt und die Frau eine andere Herkunft hat – das ist ein Ergebnis, das für mich besonders interessant war.“ Bildung verhilft Frauen zwar zu höherem Vermögen, offenbar jedoch nicht im selben Ausmaß wie Männern. Schneebaum: „Die Frau braucht einen wirklich wesentlich höheren Bildungsgrad, um die Vermögenslücke innerhalb der Beziehung auszugleichen und zum männlichen Partner aufzuschließen.“
Teil des Surveys sind auch Umfragedaten, die für Österreich ein Sample von etwa 1.500 befragten Paaren aufweisen. Punkto Entscheidungsmacht geben zwei Drittel davon an, dass die Entscheidungsmacht zwischen den Partner:innen ausgeglichen sei. Ein Drittel sieht dagegen einen großen Unterschied. Dort, wo mehr Vermögen vorhanden ist, haben Männer eher die Entscheidungsmacht. „Dabei ist immer auch zu beachten, dass das Ergebnisse sind, die auf eigenen Angaben und Selbsteinschätzungen der Bürger:innen basieren“, betont die Ökonomin.
Rollenverteilung in gleichgeschlechtlichen Ehen
In einer weiteren Studie hat sich die Ökonomin angesehen, wie die Rollenverteilung in gleichgeschlechtlichen Beziehungen aussieht, wobei hier allerdings US-Daten zugrunde lagen. „Die Untersuchung entstand vor dem Hintergrund der besseren gesetzlichen Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren in den USA, was ihnen beispielsweise den Vorteil einer gemeinsamen Besteuerung brachte“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Das Ergebnis zeigt, dass es mit der Zeit selbst hier zu einer gewissen Arbeitsteilung innerhalb der Beziehung kommt.“ Ein:e Partner:in konzentriert sich vielleicht mehr auf bezahlte Arbeit als der:die andere – was sich laut Schneebaum aber nicht durch lenkende Einflussgeber wie Adoption eines Kindes, Steuersituation oder Ähnliches erklären lasse.
„Zu der Arbeitsteilung führt offenbar allein die Ehe“, betont die Volkswirtschaftlerin. Für mögliche Ungleichheiten sind also nicht ausschließlich männliche und weibliche Rollenbilder verantwortlich, sondern auch die Institution Ehe. Wenn die Ehe zerbricht, hat die Person, die nicht mehr so stark der Erwerbstätigkeit nachging, das Nachsehen – beispielsweise das Pensionsvermögen betreffend. „Heirat macht etwas mit uns“, schließt die Ökonomin daraus. „Ganz abgesehen vom eigenen Geschlecht sollten Heiratswillige also bedenken, dass sie mit der Ehe auch neue Rollenbilder annehmen, die finanzielle Auswirkungen haben können.“
Normen für Frauen, Männer und Ehepartner:innen, die durch Sozialisierung immer wieder reproduziert werden, lassen sich nur schwer ändern. Welche Ratschläge würde Schneebaum der Politik geben? „Ich glaube, dass mehr Finanzbildung für junge Menschen und besonders für Mädchen extrem wichtig wäre“, sagt die Ökonomin. „Genauso wie technische MINT-Fächer sollten auch Geldthemen offensiver an Mädchen herangetragen werden. Gleichzeitig sollten die Buben dafür sensibilisiert werden, dass sich auch die künftige Partnerin in einer Beziehung um Finanzangelegenheiten kümmern kann.“
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