Bei „Klangschalen“ denkt man zwar automatisch zuerst an asiatische Musikinstrumente, bei der eine Metallschale mittels Klöppel zum Schwingen und Klingen gebracht wird. Das Prinzip der Schwingungserzeugung wird aber nicht nur für musikalische Wohlfühltherapien verwendet, sondern auch für die präzisesten Werkstoffvermessungen, die derzeit möglich sind.
Für die Linzer Forscher vom Research Center for Non-Destruc-tive Testing (RECENDT) war das „Klangschalen“-Prinzip denn auch der Ausweg, mit dem sie eines der kniffligsten Probleme der derzeitigen Kernfusions-Forschung am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien lösen konnten. Dort hatte man nach jahrzehntelanger Forschung mit der „National Ignition Facility“, einer stadiongroßen Laseranlage, 2022 das Kunststück zuwege gebracht, dermaßen hohe Tempera-turen zu erzeugen, dass in einer pfefferkorngroßen Brennstoffkammer Wasserstoffplasma erzeugt und eine Kernfusion ausgelöst werden konnte.
Zwar verschmolzen in dem Hochtemperaturplasma schwere Wasserstoffatome aus Deuterium und Tritium nur für einen winzigen Bruchteil von einer Sekunde und es konnten auch nur kleine Energieüberschüsse erzeugt werden (und das auch nur dann, wenn man die Energie für die Laserstrahlproduktion nicht miteinrechnete). Das NIF-Team konnte aber dennoch weltweit erstmals zeigen, dass ihr Fusionsprinzip funktioniert – eine Sensation, die international weit über die Forschungscommunity hinaus für großes Aufsehen sorgte.
Brennstoffkammern aus perfekten Hohlkugeln
Bei der nachfolgenden Analyse der Fusionsversuche kam dann aber ein überraschendes Ergebnis zu Tage: Ob eine Fusion überhaupt eintrat und, wenn ja, wie hoch die Energieausbeute werden konnte, war von einem entscheidenden Faktor abhängig: Die Experimente funktionierten nur dann, wenn die Brennstoffkammern aus geometrisch nahezu perfekten Hohlkugeln bestanden. Die „Targets“, auf die 196 Laserstrahlen ihre gebündelte Energie abfeuern, bestehen aus 0,08 Millimeter dünnen Hohlkugeln aus synthetischem Diamant.
Die Analysen zeigten, dass erst dann, wenn dieses Material so gut wie ohne Verunreinigungen und noch dazu „kugelrund“ war, die Brennstoffkammer durch den Laserbeschuss zuerst explodieren und dann, quasi im selben Moment, durch die hohe Energieeinbringung perfekt in Richtung Mittelpunkt implodieren konnte. Oder anders formuliert: Erst eine perfekte Geometrie der Hohlkugeln ließ es zu, dass genügend Energie auf den Hotspot übertragen wurde, um im entstehenden Wasserstoffplasma Kernfusionen anzuregen.
Zwar haben die Fusionsforscher seit 2022 erfolgreiche Fusionsereignisse bereits mehrmals wiederholen können. Für größere Energieausbeuten reichte es aber nicht. Nun wurden zwar Methoden gefunden, um geometrisch mitunter makellose Hohlkugeln anfertigen zu können. Das Problem dabei war allerdings: Um die winzigen Kügelchen auf ihre Makellosigkeit überprüfen zu können, fehlten die Messgeräte.