In der Studie wurde ein „Risikoprofil“ erstellt – was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Wiedenhofer:Anhand einer umfassenden Analyse der aktuellen Literatur wurde eine Übersicht über globale Dynamiken von Ressourcen-Extraktion und Umweltproblemen erstellt, in der soziale und umweltbezogene Risiken zusammengefasst wurden. Fossil-Energieträger erzeugen in beiden Risiko-Dimensionen die meisten Probleme, nicht nur bezüglich der Klimakrise, sondern auch aufgrund von toxischen Emissionen, der Verletzung von Menschenrechten sowie geopolitischen Risiken und hohen Abhängigkeiten, etwa von Russland. Rohstoffe, die für die Klimawende benötigt werden, haben generell niedrigere Risiken, jedoch ist mit einem sehr starken Wachstum der Produktion und Nachfrage zu rechnen.
Wo wird es die größten Zuwächse geben – wie können diese am besten gehandhabt werden?
Haberl: Es ist damit zu rechnen, dass Photovoltaik als auch Batterien und Strom-Netzwerke weiter rasant ausgebaut werden. Thema ist hier einerseits die Speicherung von Elektrizität, andererseits die Umwandlung in speicherbare Brennstoffe wie Wasserstoff und Methanol. Letztere sind mit höheren Energieverlusten verbunden als der direkte Einsatz von Elektrizität. Daher sollte Elektrifizierung die erste Priorität haben und grüner Wasserstoff oder grünes Methanol erst die zweite.
Dem wachsenden Bedarf an kritischen Materialien kann durch nachfrageseitige Strategien gegengesteuert werden. Das ist möglich, indem zentrale Versorgungssysteme, die für ein gutes Leben nötig sind, also Mobilität, Ernährung, Hygiene, Bildung, Gesundheit usw., in hoher Qualität, aber mit niedrigem Ressourcenbedarf erbracht werden. Ein Umsteuern ist sofort möglich und nötig.
Wiedenhofer:Etablierte Politikinstrumente versuchen, Kostenwahrheit durch die Bepreisung von Ressourcen- und Energieverbrauch sowie von Treibhausgasen zu schaffen. Hier ist zusätzlich ein rascher Abbau umweltschädlicher Subventionen notwendig – Stichwort steuerfreies Kerosin für Flugzeuge sowie die Pendlerpauschale. Das notwendige Wissen ist vorhanden und vielfach belegt, etwa durch den Weltklimarat oder den Weltbiodiversitätsrat. Hier geht es neben Klima- und Umweltzielen auch um eine Verringerung der Abhängigkeiten von problematischen Handelspartnern wie Russland sowie eine Verbesserung der europäischen Kapazitäten und des Know-hows.
Neuere Strategien wie die Kreislaufwirtschaft mit beispielsweise höheren Effizienzstandards von Produkten, einem verbesserten Recycling und auch das Renaturierungsgesetz sind hier äußerst hilfreich und notwendig, um den Ressourcenverbrauch generell nachhaltiger zu gestalten. Dafür braucht es klare Regeln und Ziele sowie eine rasche Umsetzung.
Unterm Strich: Sind wir – Ihrer Meinung nach – mit erneuerbaren Energietechnologien im Sinne der Klimawende auf dem richtigen Weg?
Haberl: Dass in Österreich in den letzten Jahren der Ausbau von Windkraft, Solarenergie und Geothermie massiv gesteigert werden konnte, ist ein wichtiges Hoffnungszeichen. Ebenso dass Treibhausgas-Emissionen in Österreich, auf hohem Niveau gestartet, langsam sinken. Auch einige Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs und – in manchen, viel zu wenigen – Bereichen die Förderung des Radfahrens sind positiv. Hingegen geht es aber etwa beim Bodenverbrauch, bei der Zersiedelung und den Emissionen aus der Mobilität, speziell des Autofahrens und Fliegens, nach wie vor rasant in die falsche Richtung. Hier ist rasches Umsteuern gefragt.
Wiedenhofer:Die zügige Reduktion der Nutzung fossiler Energieträger hat höchste Priorität. Die Energiewende benötigt zwar zusätzliche Ressourcen, deren Umweltfolgen sind jedoch um einiges geringer als die von Öl, Gas und Kohle. Es braucht ein verbindliches Klimagesetz, welches bereits beschlossene europäische Ziele umsetzt.
Lesen Sie dieses Interview ab Seite 40 der aktuellen Ausgabe 4-24 oder am Austria Kiosk!