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© Foto: Martin Kugler

Technologiegespräche Alpbach

Die große Grüne Transformation

Das Forum Alpbach startete heuer neu durch – mit Publikum und neuem Präsidenten. Bei den Technologiegesprächen ging es besonders um die große grüne Transformation, die Lehren aus der Covid-Pandemie, grüne Technologien, Quantencomputer und Intelligenz.

von: Von Alfred Bankhamer

Heuer durften sie wieder live dabei sein – die Gäste des Europäischen Forum Alpbach. Seit 1945 findet es im Tiroler Bergdorf Alpbach statt und hat letztes Jahr auch den Höhepunkt der Corona-Pandemie in virtueller Form überstanden. Vom 24. August bis 3. September startete die hochkarätige Veranstaltung nicht nur mit dem neuen Präsidenten Andreas Treichl, sondern auch wieder mit – wegen der Sicherheitsmaßnahmen – reduziertem Publikum. Der Höhepunkt für die Forschungscommunity und FTI-Politik waren wieder die vom AIT und Ö1 organisierten Alpbacher Technologiegespräche. Die großen Empfänge zum ungezwungenen Austausch der Ideenfindung und der Pflege von Netzwerken fielen leider bis auf dem Patente-Cocktail des Österreichischen Patentamt aus, dafür war dieses Jahr wieder die Online-Beteiligung an dieser einzigartigen Veranstaltung mit neun Plenarsitzungen, acht Breakout Sessions und einigem mehr sehr hoch.

So vernetzten sich beispielsweise spontan 50 hoch motivierte Studierende, die sich in der Regel zuvor nicht kannten, virtuell in internationalen Teams, um beim TU Austria Innovation Marathon in 24 Stunden gemeinsam komplexe Problemstellungen von Unternehmen wie den Bau von Minispektralkameras oder Mobilitätsstrategien mittels virtueller Zusammenarbeit zu lösen.

Falling Walls

Ein weiterer Höhepunkt für junge forschende Unternehmer*innen war die Vergabe des zweiten Österreich-Tickets zum Falling Walls Lab Event in Berlin. Wolfgang Knoll, dem Scientific Managing Director am AIT, liegt diese Veranstaltung in Alpbach besonders am Herzen. „Hier können junge Leute ihre Projekte, Ideen und Träume präsentieren“, so Knoll. Beim Publikums-Online-Voting konnte unter drei zuvor ausgewählten Projekten schließlich Sebastian Vogler, der an der BOKU Wien studiert und das Start-up Beetle ForTech gegründet hat, mit seinem Projekt „Breaking the Wall of Regenerative Timber Sourcing“ überzeugen. Vogler darf nun am Falling Walls Science Summit teilnehmen, der vom 7. -9. November in Berlin stattfindet, um sein Projekt für nachhaltige Holz-Lieferketten wie in Alpbach in nur drei Minuten zu erklären. „Wir hoffen, heuer wenigstens 100 Finalisten aus der ganzen Welt nach Berlin bringen zu können“, sagte Jürgen Mlynek, Chairman der Falling Walls Foundation. Doch nun zu den großen Themen bei den Alpbacher Technologiegesprächen. Die handelten von der grünen Transformation, der Forschung nach Covid-19, Bildung, den Wissenschaften fürs Leben, der Revolution durch die Quantentechnologie sowie Künstlicher und Natürlicher Intelligenz und vielem mehr. Eine Session befasste sich auch mit der Rolle der Kunst in Zeiten eines radikalen Wandels.

FTI-Talk

Eröffnet wurden die Technologiegespräche vom neuen Präsidenten des Europäischen Forums Alpbach, Andreas Treichl, sowie AIT-Geschäftsführer Wolfgang Knoll. Treichl betonte dabei, dass hier besonders auch konkrete Lösungen für die großen Herausforderung Europas gesucht werden.
Dann startete die Veranstaltung wie alle Jahre mit dem prominent besetzten FTI-Talk. Und da ging es um die seit Jahren heißdiskutierte Frage, wie Österreich in die europäische Liga der „Innovation Leaders“ aufsteigen könne – besonders in Zeiten wie diesen. „Das letzte Jahr hat gezeigt, wie wichtig Wissenschaft und Forschung für die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft sowie für das Bildungssystem gewesen ist“, eröffnete Barbara Weitgruber vom BMBWF die Diskussion. Dass die Pandemiebekämpfung nur durch die einzigartige weltweite Kooperation und das extreme Engagement im Bereich Forschung und Entwicklung möglich war, darüber gab es keine Zweifel. Weitgruber sieht aber in Krisen auch Chancen. Diese zu nutzen, um Strukturen und Denkweisen und ganze Systeme zu erneuern, das sei das Gebot der Stunde. Auch darüber herrschte Einigkeit in Alpbach.

„Jeder Euro, den wir in Forschung und Entwicklung investiert haben, hat sich ausgezahlt“, betonte auch Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck. Die hohe Bedeutung der Grundlagenforschung zeigte sich dann besonders auch in der Session „Sience for life“. Am Podium waren neben dem Technologiegespräche-Doyen Hannes Androsch und Michaela Fritz, Vizerektorin für Forschung und Innovation an der Medizinischen Universität Wien, auch Christoph Huber, Mitbegründer von BioNtech, dem Entwickler des ersten Covid-19-Impfstoffes auf Basis der mRNA-Technologie, der über die rasche Impfstoffentwicklung und jahrzehntelange Grundlagenforschung berichtete. BioNtech hat sich gleich nach der Offenlegung der Virussequenz ganz auf die Impfstoffentwicklung konzentriert. „Das war ein kühnes Unterfangen, so etwas als kleine Firma in Angriff zu nehmen“, gesteht Huber. In der Regel dauert es sehr lange, um aus biomedizinischen Forschungsergebnissen anwendbare Produkte zu machen. „Mut und die richtigen regulatorischen Rahmenbedingen“ sind dafür laut Fritz notwendig. Die Expert*innen drängten darauf, um künftig in der internationalen Forschung mithalten zu können, ein Innovationsumfeld mit klaren rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um etwa auch rasch Studien durchführen zu können. 

Sofortiges Handeln

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler sprach im FTI-Talk besonders über die Bewältigung der Klimakrise, die eindeutig eine historische Aufgabe für diese Generation sei. Die Technologien, um die Erwärmung einzudämmen, seien schon zu 80 Prozent in der Anwendung. „Es geht also nun um das Tun“, so Gewessler. Der Green Deal der EU diene dabei als Rahmen und Ziel. In Österreich wurde schon die Förderlandschaft auf Klimaschutz ausgerichtet. Gefördert werden besonders die Bereiche Mobilitätswende, Energiewende und Kreislaufwirtschaft mit einem zusätzlichen Budget von 100 Millionen Euro. Mittlerweile ist ja auch die ökosoziale Steuerreform durch. Um den nötigen Wandel ging es dann besonders in der Plenary Session „The complexity of great green transformations“. Hier konfrontierte die Aktivistin Katharina Rogenhofer von „FridaysForFuture“ die Teilnehmenden mit dringenden Fragen zum Zustand unserer Welt. „Es wird die größte Transformation der Menschheit sein, sofern sie uns gelingt. Doch bevor wir das Richtige tun, müssen wir damit aufhören, das Falsche zu tun, wie zum Beispiel weiterhin Öl- und Gasheizungen einzubauen und Verbrennungsmotoren zu nutzen“, so Roggenhofer. Die Diskussion ging dann auf die Kreislaufwirtschaft, CO2-Besteuerung, das neue Lieferkettengesetze, erneuerbare Energien und alternative Transportsysteme ein. Klimaschutzministerin Gewessler: “Was am Ende zähle, seien die Ergebnisse, und dafür gebe es in der aktuellen Phase nur mehr genau einen Versuch.“ Rudolf Zrost vom Zementhersteller Leube ergänzte, dass wir das Klima nur dann retten können, wenn alle mitmachen – Europa als einziger Akteur reiche nicht aus.

Große Chancen

EFA-Präsident Andreas Treichl ging unter anderem auf das Thema Green Washing und Standards im Finanzwesen ein und betonte, dass die Dekarbonisierung neben dem Frieden das wichtigste Ziel sei, das wir auf der Welt haben. „Das bringt zwar Risiken mit sich, aber auch unheimliche Chancen“, so Treichl. Stefan Thurner vom Complexity Science Hub Vienna, wünschte sich, dass wir schon vor 30 oder 40 Jahren mit dem Klimaschutz begonnen hätten. „Heute stehen wir vor der großen Herausforderung, alles ungeheuer schnell machen zu müssen“, so Thurner. In der Forschung sei es nun wichtig, die vielen Ergebnisse der unterschiedlichen Zweige der Grundlagenforschung zusammenzubringen, um sie dann an den richtigen Stellen zu nutzen.

Vertieft wurden viele der Themen in den Break Out Sessions. So etwa in der von Forschung Austria gesponserten und von Siegfried Reich von Salzburg Research geleitetem Arbeitskreis „Fridays for Future and Thursdays for Research? Applied Research for `The Great Transformation’“. Welche Rolle kann also die angewandte Forschung bei der großen Transformation spielen? Da ging es auch um disruptive Innovationen und „Leapfrogging“, womit das Überspringen gewisser Technologiestufen gemeint ist. Ein Diskussionspunkt war aber auch die Sharing-Economy sowie das Öffnen von Organisationsgrenzen und Innovationsprozessen. 

Europa im Wettbewerb

„Europa ist schon in vielen Bereichen gegenüber den USA und China zurückgefallen. Wir sind es den kommenden Generationen schuldig, schneller die großen Herausforderungen anzugehen“, sagte dazu der ehemalige Forschungsrat Hannes Androsch. Gerade im Bereich Dekarbonisierung könne laut Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Europa und die Industrie eine große Rolle spielen. Die Chance müsse man nutzen. Während der Pandemie wurde viel in F&E investiert. Das rechne sich nun, wie man in der wirtschaftlichen Entwicklung sehe.

Mit der Entwicklung des FTI-Systems nach der Covid-Pandemie beschäftigte sich eine hochkarätig besetzte Plenary Session, an der Detlef Günther von der ETH Zürich, Jürgen Mlynek von der Falling Walls Foundation, Helga Nowotny vom Austrian Council for Research and Technology Development, Peter Schwab von der voestalpine AG und Andrew Wee von der National University of Singapore teilnahmen. Hier ging es vor allem um die „Learnings“. Sehr gut war, dass durch die rasche Entwicklung von Covid-Impfstoffen die Wissenschaft ins Scheinwerferlicht gerückt wurde. Es hat sich vor allem gezeigt, was in kurzer Zeit möglich ist, wenn wirklich alle wollen und genug Geld da ist. Zugleich wurden die Erwartungen an die Möglichkeiten von Forschung und Wissenschaft teils zu hoch. „Wir haben zu wenig erklärt, wie Wissenschaft funktioniert. Hypothese-Gegenhypothese- Verwerfung, und das fand plötzlich in der Öffentlichkeit statt“, meinte dazu unter anderem Detlef Günther, der sich auch die Einrichtung wissenschaftlicher Gremien vorstellen kann, die permanent an Zukunftsfragen arbeiten. Das Thema Politikberatung war ein weiterer wichtiger Punkt in Alpbach. Jürgen Mlynek könnte sich hier künftig, in Anlehnung an das angelsächsische Modell, einen „Chief Scientific Advisors“ vorstellen, der direkt am Kabinettstisch sitzt, um laufend die neuen Informationen zu bewerten und Entscheidungsgrundlagen für die Politik aufzubereiten. Andrew Wee ging wiederum auf das Thema Resilienz ein. Peter Schwab, der auch der neue Aufsichtsrat des AIT ist, ging auf die Klima-krise ein, die ein weitaus komplexeres Problem als die Pandemie sei.. „Um diese in den Griff zu bekommen, sind ein x-faches an finanziellen Mitteln erforderlich“, so Schwab.


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