Thomas Corsten lässt nicht locker. Der Althistoriker von der Universität Wien hat in einer Pressekonferenz anlässlich der Beendigung seiner Petition "Deutsch als FWF-Antragssprache", die fast 3000 Unterschriften erzielte, seine Forderung wiederholt, Deutsch als FWF-Antragssprache – zumindest für die geisteswissenschaftliche Forschung - wieder zuzulassen.
Sekundiert wurde er dabei dabei von Oliver Schmitt, Professor am Institut für südosteuropäische Geschichte. Während sich beide Forscher vom Deutschnationalismus distanzierten („wir nehmen die Unterstützung aus dieser Ecke zur Kenntnis, haben aber damit überhaupt nichts zu tun“), sieht Schmitt eine kulturpolitische europaweite Debatte über Wissenschaftssprachen für notwendig an und Corsten eine Änderung der FWF-Praxis aus Gründen der Qualität für unumgänglich. „Es kann nicht sein, dass Gutachter, die nur Englisch sprechen, Anträge aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich beurteilen. Wir würden solche Personen wegen ihrer mangelhaften Sprachkenntnisse nicht einmal zu einem Doktoratsstudium in unseren Fächern zulassen.“
Immer wieder komme es daher bei Gutachtern zu Problemen, so Corsten, - auch in technischen Fragen, da sie über die Standards in den jeweiligen geisteswisssenschaftlichen Fächern keine Ahnung hätten.
Deutschkenntnisse Qualitätskennzeichen für internationale Forschercommunity
Die beiden Geisteswissenschaftler betonen, dass Multilingualität in ihren Fachgebieten internationaler Standard sei, und vor allem Deutsch noch immer eine prominente Stellung einnehme, was eine Reihe von Stellungnahmen internationaler Forscher beweisen würden. „Wenn ein internationaler Gutachter einen deutschen Antrag lesen und verstehen kann, dann ist das ein Zeichen von Qualität“, sagt Corsten.
Mangelnde Sprachenkenntnisse hätte aber – vor allem in den USA – dazu geführt, dass Wissen, dass es nur in europäischen Sprachen wie Französisch, Deutsch oder Italienisch gebe, nicht mehr rezipiert werden würde, und dadurch das Ei des Kolumbus gleich mehrmals neu erfunden worden wäre.
Geisteswissenschaften haben nationale Orientierungsfunktion
Schmitt wies darauf hin, dass das Problem nicht nur in Österreich bestünde. So war er von einer serbischen Förderstelle eingeladen worden, einen Antrag zu beurteilen, der sich mit der serbischen Geschichte auseinandersetzte. Da dieser aber in einem etwas unsicheren Englisch abgefasst war, forderte er den Text auf serbisch an, worauf er keine Antwort mehr vom serbischen Wissenschaftsministerium erhielt, was er schade findet. Schmitt meint, Projekte, die sich auf die Erforschung von nationalen Fragestellungen beziehen, nur noch in Englisch zu publizieren, sei grober Unfug, da die Geisteswissenschaften in den jeweiligen nationalen Gesellschaften eine Orientierungsfunktion für die jeweilige Gesellschaft haben und daher ihre Bücher auch weiterhin in ihren Landessprachen publizieren sollten.
Antrag auf Richtlinienänderung wir offiziell beim FWF eingebracht werden
Corsten kündigten an, die Petitionsforderung nach Deutsch als FWF-Antragssprache nun auch beim FWF offiziell als Antrag auf Richtlinienänderung einzureichen. Nach aller Erfahrung, die man mit dem FWF bisher gemacht habe, sei die Aussicht auf Erfolg aber gering. "Man hat uns nicht gehört und Einwände auch 2008 bei der Umstellung auf Englisch vom Tisch gewischt." Ob man auch auf internationaler Ebene, etwa bei Anträgen bei ERC-Grants, Deutsch und eben auch alle anderen Sprachen zulassen sollte oder nicht, darauf wollten die Forscher keine eindeutige Antwort geben. „Damit habe ich mich noch nicht befasst“, sagt Corsten. „Zuerst aber gehört einmal hierzulande alles in Ordnung gebracht.“
"FWF: Sprachpolizei und pädagogische Einrichtung für schwer erziehbare Wissenschaftler"
Im übrigen sparte Corsten nicht mit Spott auf den FWF, der zur Pressekonferenz von ihm zwar eingeladen war, aber in einer verteilten Stellungnahme festhielt, dass alle Personen verhindert gewesen seien, beziehungsweise eine Pressekonferenz nicht der geeignete Ort einer Auseinandersetzung für diese Frage sei. Für Corsten, der nach Abschluss der Petition für Deutsch als FWF-Antragssprache knapp 3000 Unterschriften erreichte und von einem „vollen Erfolg“ sprach, stelle sich der FWF als eine Institution dar, die alle Forschungsrichtungen über einen Kamm scheren wolle, dabei aber als „Sprachpolizei“ auftrete , und damit einen großen Einfluss auf die jungen ForscherInnen nehme. Der Grund: der FWF sei in der besonderen Situation, dass er, anders als vergleichbare Institutionen in der Schweiz oder Deutschland, quasi eine nationale Monopolstellung in der Grundlagenforschungsförderung habe und mit seinem Deutsch-als-Antragssprache-Verbot viel stärker auf die geisteswissenschaftliche Forschung Einfluss nehme, als Förderstellen anderswo. Für Corsten geriere sich der FWF durch die rein englischsprachige Antragspraxis daher wie "eine pädagogische Einrichtung für schwer erziehbare Wissenschaftler".
Dass die Einführung von Englisch als FWF-Antragssprache aber zu keinen Rückgang der geisteswissenschaftlichen Forschungsförderung geführt hat, sondern im Gegenteil einen Aufschwung erlebte, bestritt Corsten gar nicht. Aber es sei dennoch darauf zu achten, dass auch Gutachter der Forschungsanträge eine hohe Qualität vorweisen können. Das bestritt Corsten aber.
Im übrigen habe die englischsprachige Praxis des FWF für die Geisteswissenschaften eher eine Einschränkung gebracht, da man selbst - auch auf Kongressen - immer multilingual unterwegs sei. Man spreche, so Corsten, Französisch, Italienisch, Deutsch oder auch Englisch, aber könne sich mit Italienern häufig auf Französisch besser unterhalten, oder man spreche eben in der jeweiligen Landessprache und antworte ebenfalls in seiner eigenen. "Es gibt immer einen Weg, wie man sich in einem multilingualen Umfeld verständigen könne."
Der FWF hatte bereits in einer im Mai abgegebenen Stellungnahme eine Wiedereinführung von Deutsch abgelehnt und auch in der Beantwortung der parlamentarischen FPÖ-Anfrage durch Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner Ende Juni 2015 wird Englisch als FWF-Antragssprache nicht in Frage gestellt, zumal erstens überdurchschnittlich viele ERC-Grants durch Geisteswissenschaftler gewonnen wurden und es für bestimmte Bereiche - wie Germanistik oder Sprachwissenschaften - ohnedies Ausnahmeregelungen gebe.
Links:
Petition: Mehr Deutsch bei FWF-Anträgen