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Interview

„Daten sind das neue Öl“

© Fotos: Jakob Glaser BKA/Christopher Dunker, Florian Tursky, 34, ist seit Mai 2022 Staatssekretär im BMF und da besonders für den neuen Bereich Di-gitalisierung zuständig. Zuvor war der Tiroler Büroleiter bei Landeshauptmann Günther Platter und in der Privatwirtschaft etwa als CEO der 3D Ele-ments GmbH tätig. Er hat an der Donau-Universität Krems das Masterstudium PR & integrierte Kommunikation sowie anschließend einen MBA abgeschlossen.

Staatssekretär Florian Tursky vom BMF über aktuelle Digitalisierungsprojekte, Österreichs Vorreiterrolle im E-Government, die international gefragte Lösung „ID Austria“, vereinte Datenzugriffe und die europäische Gaia-X-Initiative sowie neue Cybersecurity-Forschungsprojekte.

AI: Sie leiten seit Mai 2022 als Staatssekretär im BMF auch den neuen Bereich Digitalisierung und Telekommunikation. Was waren Ihre ersten Erfahrungen bei dieser neuen Aufgabe?
Florian Tursky:
Für die Digitalisierung zuständig zu sein, ist für mich eine spannende Aufgabe. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Digitalisierung nicht bei allen Menschen positive Assoziationen auslöst. Mein Ziel ist es daher, den Menschen in Österreich die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung aufzuzeigen und sie bei der Reise in die Zukunft mitzunehmen. Bereits zu Beginn meiner Tätigkeit durfte ich tolle österreichische Unternehmen kennenlernen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Österreich wesentlich besser in der Digitalisierung ist, als viele denken.

AI: Eine Erfolgsgeschichte in der österreichischen Verwaltung hatte das BMF schon zuvor mit FinanzOnline gemacht. Wie sehen Sie die bisherige Entwicklung in Österreich im Bereich E-Government?
Tursky:
Österreich ist und war im E-Government immer schon Vorreiter. Beispielsweise wurden bereits 2003 rund 250 Mio. Erklärungen und Anträge bei FinanzOnline eingebracht. Erst letztes Jahr im Oktober haben wir den digitalen Führerschein gestartet, der erste digitale Ausweis Österreichs und sind damit gleichzeitig Vorzeigeland für unsere EU-Mitgliedsstaaten. Der digitale Führerschein wurde alleine in den ersten drei Monaten über 200.000-mal aktiviert, was zeigt, dass die digitale Verwaltung auch von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird. Klar ist auch, bei der Digitalisierung gibt es immer ein „besser, höher, schneller“, daher ist es mein Anspruch, bis 2024 fast alle Behördenwege auch digital anzubieten.

AI: Das Projekt „ID Austria“, das das BMF gemeinsam mit BMI durchführt, wurde im Herbst 2022 in Berlin beim 21. eGovernment-Wettbewerb als „Bestes Projekt zum Einsatz innovativer Technologien und In-frastrukturen 2022“ ausgezeichnet. Wie hat sich das Projekt weiterentwickelt?  
Tursky:
Die „ID Austria“ ist unser Schlüssel für zahlreiche E-Government-Anwendungen und hat vergangenes Jahr die bisherige Handy-Signatur abgelöst. An unserer Lösung haben bereits Kanada, die Niederlande und Deutschland Interesse bekundet, mit allen Ländern sind wir im regen Austausch. Auch hier zeigt sich, dass wir sehr gut unterwegs sind, denn eine Lösung wie wir sie haben, ist in Deutschland so nicht umsetzbar, da sie hinsichtlich der Datenverfügbarkeit vor großen Herausforderungen stehen.

AI: Was ist im Verwaltungsbereich weiters geplant?
Tursky:
Wir haben einige Projekte in der Pipeline. Beispielsweise arbeiten wir aktuell daran, möglichst alle Ausweise, die sie heute in ihrer Geldbörse haben, zukünftig auch in ihrer eAusweise-App zu integrieren. Darüber hinaus ist es mir ein großes Anliegen, die guten Datenstände, die wir in Österreich haben, miteinander zu vernetzen. So setzen wir für die Bürgerinnen und Bürger das Once-Only-Prinzip um, sodass sie ihre Daten nur noch bei einer Behörde eingeben müssen und nicht von einer Behörde zur anderen „tragen“ müssen.

AI: Die Digitalisierung ist für Innovationen in der Wirtschaft sehr wichtig. Wie können hier mehr innovative Projekte und Start-ups unterstützt werden?
Tursky:
In erster Linie denke ich, dass das Mindset von großer Bedeutung ist. Israel gilt beispielsweise als Start-up-Powerhouse, da die Fehlerkultur dort eine gänzlich andere ist – mit einer Idee zu scheitern gehört dort zum Alltag, denn nur so kann man daraus lernen, während die Vorstellung des Scheiterns bei uns sehr negativ verhaftet ist. Aktuell arbeiten wir auch an einer neuen Gesellschaftsform, um einen effizienten und modernen Rahmen für Start-ups und innovative KMU zu bieten.

AI: Die Basis für die Digitalisierung ist eine gut ausgebaute Infrastruktur. Wie erfolgreich war die erste Breitband-Milliarde?
Tursky: Als Bundesregierung haben wir es uns zum Ziel gemacht, ganz Österreich bis ins Jahr 2030 flächendeckend mit festen und mobilen Gigabitanschlüssen zu versorgen. Alleine mit der ersten Breitbandmilliarde wurden bereits Investitionen von insgesamt 2,5 Mrd. Euro ausgelöst und der Breitbandausbau in über 1.300 Gemeinden erreicht. Um unser ambitioniertes Ziel zu erreichen und den Digitalisierungsschub zu nutzen, haben wir letztes Jahr 300 Mio. Euro vorgezogen und somit alleine 2022 900 Mio. Euro in den Breitbandausbau investiert. Klar ist, dass jeder investierte Euro in digitale Infrastruktur eine Investition in unsere Zukunft, Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit darstellt.

AI: Anfang 2023 haben Sie weitere 400 Millionen Euro für den Breitbandausbau bis 2026 angekündigt. Wo gibt es noch die größten Defizite?  
Tursky:
Natürlich ist es so, dass wir den Breitbandausbau in den ländlichen Regionen weiter verstärken müssen. Durch gute digitale Infrastruktur können wir die Chancengleichheit in den Regionen herstellen und die Chancen der Digitalisierung besser nutzen, was auch für einen attraktiven Wirtschaftsstandort von großer Bedeutung ist. Die weiteren 400 Millionen Euro helfen dabei, damit wir am Ende des Tages zu den Digitalisierungs-Gewinnern gehören.

AI: Beim Umstieg auf Glasfaseranschlüsse gibt es offensichtlich noch Hindernisse. Sie hatten kürzlich betont, dass bereits 57 Prozent der Haushalte potenziell ans Glasfaser-Internet angeschlossen seien, aber erst 19 Prozent diese Möglichkeit nutzen. Woran liegt das?
Tursky:
Österreich ist traditionell sehr gut im Bereich des Mobilfunks aufgestellt. Das bedeutet, dass es für Haushalte bisher einfach war, sich durch einen Internet-Cube eine gute Internetverbindung über den Mobilfunk aufzubauen. In Zeiten der Pandemie haben diese Haushalte jedoch gesehen, dass sie mit ihrer Internetverbindung an ihre Grenzen stoßen, wenn beispielsweise zwei Leute im Homeoffice arbeiten und Videotelefonate führen und vielleicht noch eine dritte Person im Haushalt einen Streaming-Dienst nutzt. Es ist mir ein großes Anliegen, dass sich jede Österreicherin und jeder Österreicher den Arbeitsplatz-Standort und Wohnort selbst entscheiden kann – diese Chancengleichheit in den Regionen geht nur mit einer guten digitalen Infrastruktur, die wir sukzessive erweitern.

AI: Das Thema digitale Kompetenz ist generell ein wichtiges Thema, besonders auch, damit Österreich im globalen Wettbewerb in der Wirtschaft und im Bereich Innovation mithalten kann bzw. in einigen Bereichen sogar Vorbild wird. Wie kann diese gestärkt werden?  
Tursky:
In unserer heutigen modernen Gesellschaft verändern sich die Arbeitswelt und das private Umfeld rasant und es bedarf neuer Kompetenzen, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Da digitale Fähigkeiten der Weg zum Erfolg sind, egal ob jung oder alt oder ob im Unternehmen oder Privatleben, ist mein Fokus ganz klar der massive Aufbau der digitalen Kompetenzen. Dazu haben wir gemeinsam mit dem BMKOES, BMF, BMBWF und BMAW die „Digitale Kompetenzoffensive für Österreich“ gestartet. Bis 2030 wollen wir alle Österreicherinnen und Österreicher digital-fit machen. Die Maßnahmen reichen von der Finanzierung der künftigen Schulungen und Weiterbildungen für alle Interessierten bis hin zu einem einheitlichen Kompetenzstufen- und Zertifizierungssystems.

AI: Heute gibt es schon sehr gute digitale Lösungen für viele Bereiche. Bei der Verknüpfung der Systeme und Daten gibt es aber oft Probleme, wie sich besonders in der Corona-Pandemie, im Gesundheitswesen und öfters auch bei Forschungsvorhaben gezeigt hat. Was ist hier vorgesehen, um diese vielen Einzelsysteme sicher und datenschutzgerecht zu vernetzen?   
Tursky:
Österreich hat eine sehr gute Datenlage, beispielsweise unser zentrales Melderegister ist hier hervorzuheben. Ein solches hat Deutschland beispielsweise nicht und steht oftmals vor großen Herausforderungen. Wir arbeiten gerade daran, die einzelnen „Datensilos“ der Ministerien datenschutzgerecht miteinander zu verknüpfen, um so beispielsweise dem Once-Only-Prinzip gerecht zu werden. In Zukunft werden die Bürgerinnen und Bürger ihre Daten nur noch einmalig bei einer Behörde eingeben müssen.

AI: Durch den Trend zum Cloud-Computing stellt sich auch die Frage, wo die Daten liegen und wie und von wem sie kontrolliert werden können. Wie kann die Abhängigkeit von den großen Playern wie Amazon, Google und Co. minimiert werden?
Tursky:
Daten sind das neue Öl, der Rohstoff, aus dem unsere moderne Gesellschaft geschaffen ist, aber auch was Monopole betrifft. Rund 80 Prozent aller Daten Europas werden in den USA gespeichert und immer mehr auch in Asien. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

AI: Bedarf es hier noch mehr Regulierungen und Eingriffe seitens der Staaten?
Tursky:
Hier wird auf europäischer Ebene bereits einiges getan, wie beispielsweise der Digital Markets Act. Dieser ergänzt das Wettbewerbsrecht und beschränkt die Macht marktbeherrschender Digitalkonzerne. Die EU-Kommission stellt darin einen Verhaltenskodex für große Digitalunternehmen auf, indem es Barrieren für Unternehmen beseitigt, die Online-Geschäfte tätigen möchten, und sicherstellt, dass Verbraucher in ganz Europa dieselben Rechte und Schutzmaßnahmen haben.

AI: Eine wichtige Initiative für Europa ist Gaia-X. Wie weit ist sie schon gediehen?
Tursky:
Mit Gaia-X sollen Organisationen, Unternehmen sowie Nutzerinnen und Nutzer Daten effizient und ökonomisch verarbeiten und untereinander teilen können, aber dennoch weiterhin die Kontrolle über diese Daten behalten. Nicht nur darüber, wo diese gespeichert werden, sondern auch darüber, wer die Daten zu welchem Zweck nutzen darf. Derzeit hat sich der Gaia-X-Hub konstituiert und seine Aufgaben aufgenommen. Im März wird mit der „Market Conference & Expo“ das erste internationale Event in Österreich ausgerichtet.

AI: Cyber-Angriffe und Cyber-Kriminalität haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Was ist hier im Bereich der Forschung  vorgesehen?
Tursky:
Durch das vermehrte Aufkommen von Daten und die zunehmende Vernetzung von Technologien nimmt auch das Risiko von Cyberangriffen zu. Alleine durch das Internet der Dinge (Internet of Things) werden bis 2025 mehr als 75 Milliarden Geräte weltweit mit dem Internet verbunden sein. In der aktuellen Ausschreibung der Sicherheitsforschungsprogramme KIRAS und FORTE haben wir daher neuerdings auch den eigenen Cybersicherheitsschwerpunkt „Kybernet-Pass“ geschaffen, der mit 5 Mio. Euro dotiert ist. Somit steht für die Ausschreibung, die aktuell noch bis 17. März geht, eine Rekord-Fördersumme von 19 Mio. Euro zur Verfügung.

AI: Im Bereich Digitalisierung und Breitbandausbau wurden viele Initiativen gestartet. Kann Österreich im Bereich Digitalisierung einen Platz im internationalen Spitzenfeld erreichen?
Tursky:
Absolut. Österreich ist hier schon sehr gut, beispielsweise sind wir im EU-weiten DESI-Ranking (Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft) zum zweiten Mal unter den Top 10, wollen aber natürlich noch besser werden. Unser Ziel ist es, bis 2025 unter die Top 5 des Rankings zu kommen.


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