05/2024 Forschung
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China: „New Three Industries“

Mit vermeintlich „Grünen Technologien“ verfolgt China ganz andere Ziele als die Transformation in Sachen Umwelt– und punktet wie nebenbei sicherheits- und industriepolitisch.

von: Berhard Seyringer

Seit dem Nationalen Volkskongress im März dieses Jahres gelten die „New Three Industries“ – Solarpaneele, Batterien und Elektroautos – offiziell als die zentralen Leitindustrien der chinesischen Wirtschaft. Diese „Grünen Technologien“ werden in China aber vor allem aus dem Blickwinkel der Sicherheits- und Industriepolitik betrachtet. Klimapolitische Überlegungen sind hier nur nachrangig. Die EU-Staaten haben die Führungsrolle in diesen Bereichen bereitwillig aufgegeben. Die technologiepolitische Bilanz der letzten Dekade ist verheerend.

Der Erfolg der chinesischen Solarindustrie geht auf die frühen 1990er- Jahre zurück, als man versuchte, periphere Regionen auf diesem Weg mit Strom zu versorgen. Zu einer Exportindustrie wurde sie erst, als man in Peking die staatlichen Fördermaßnahmen in unterschiedlichen OECD-Ländern erkannte. Innerhalb von nur einer Dekade wurde China sowohl zum größten Markt als auch zum weltweit größten Hersteller von Solarmodulen. Ende 2023 gab es eine Solarkapazität von 610 GW (Vergleich: EU 263 GW) am Stromnetz des Landes. Der Anteil chinesischer Produktion wuchs von 14,7 Prozent im Jahr 2006 auf fast 80 Prozent im Jahr 2023. Zusätzlich kontrolliert Peking alle zur Herstellung notwendigen Rohstoffe.

Das Sicherheitsrisiko aus europäischer Sicht liegt natürlich nicht bei den Modulen, sondern bei den Umrichtern, also jenen Geräten, die den von den Modulen erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom umrichten, damit dieser ins Netz eingespeist werden kann. Die Umrichter transportieren dabei auch sensible Daten oder können als Einfallstor für Cyberangriffe in Smart Grids genützt werden. Von den Top-10-Anbietern sind acht aus China. Mit einem Marktanteil von 30 Prozent führt Huawei dieses Ranking unangefochten an. 60 Prozent aller europäischen Neuinstallationen werden mit Umrichtern chinesischer Anbieter ausgestattet.

Chinesische Batterien sind ein Supply-Chain-Risiko

Die Batterieindustrie folgte dem Entwicklungspfad der Solarindustrie. In den frühen 2000er-Jahren startete ihre Expansion, als vor allem japanische und südkoreanische Unternehmen die Vorteile der neu entstehenden Industriecluster an der chinesischen Küste für ihre Produktion zu nützen begannen. Aktuell werden ungefähr 30 Prozent der Batterien in Elektroautos (EA), die in der EU verkauft werden, von chinesischen Herstellern produziert. Sie dominieren die gesamte Wertschöpfungskette von den Rohstoffen bis zur Endfertigung und stellen damit ein deutliches Supply-Chain-Risiko dar. Bedingt durch die geopolitischen Entwicklungen planen chinesische Hersteller ihre Produktionsanlagen vermehrt in Europa: Zwischen 2018 und 2022 haben Unternehmen wie CAITL oder Gotion High Tech mehr als 18 Milliarden in Europa investiert.

„E-Mobilität“ als „leapfrog“-Technologie

Der Markt für Elektromobilität unterscheidet sich von den anderen „Grünen Technologien“. Die chinesische Industrie hat Mitte der 2000er-Jahre erkannt, dass sie bei Verbrennungsmotoren kaum jemals wettbewerbsfähig werden wird. Somit wurde „E-Mobilität“ als „leap-frog“-Technologie (also Technologie, bei deren Entwicklung einzelne Schritte bewusst ausgelassen werden) identifiziert, mit der China international wettbewerbsfähig werden kann. Allerdings sollte zuerst ein starker Heimmarkt mit stabiler Nachfrage geschaffen werden: das heißt, mittels überwiegend erzwungenen Technologietransfers die Forschung zu entwickeln sowie eine Zulieferindustrie und Fertigung aufzubauen.

Die EA-Industrie wurde sowohl in den mittel- und langfristigen Entwicklungsplan von 2006 bis 2020 wie auch in die „Strategic Emerging Industries“-Initiative von 2010 aufgenommen. Einer Schätzung eines US-Think Tanks folgend, hat Chinas EA-Industrie seit 2009 fast 50 Milliarden Euro an direkten und indirekten Förderungen wie Steuererleichterungen oder äußerst günstigen Krediten erhalten.

Zunahme der Elektroauto-Exporte um 851 Prozent

Von 2020 bis 2023 sind Chinas EA-Exporte um 851 Prozent angestiegen. Davon gingen fast 40 Prozent nach Europa. Chinas Autohersteller produzieren aktuell 21 Prozent aller Pkw der Welt, bereits mehr als 60 Prozent der EA (inklusive ausländischer Hersteller) und fast 80 Prozent der dafür notwendigen Batterien. Im Jahr 2023 waren 39 Prozent der aus China exportierten EA von Tesla, von Joint Ventures zwischen europäischen und chinesischen Herstellern stammen ungefähr zehn Prozent. Chinesische Unternehmen zeichnen also für ungefähr die Hälfte der Exporte verantwortlich.

Elektromobilität ist für China von höchster strategischer Relevanz. Denn einerseits bedeutet eine Zunahme ganz einfach ein Mehr an Energieunabhängigkeit – das Land importiert fast 80 Prozent seines -Ölbedarfs. Andererseits ist es dadurch gelungen, Chinas Industrie nicht nur wettbewerbsfähig zu machen, sondern auch in eine führende Rolle zu katapultieren. Aus der Sicht von Peking ist das also durchaus sinnvoll.

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