04/2024 News mittlere Spalte Wirtschaft
© Canva
© Canva

Brisanz am Strommarkt (Interview)

Einsparungspotenzial Stromkosten: Austria Innovativ im Gespräch mit Harri Mikk, lange Jahre Berater sowie Energieexperte in Estland und mittlerweile Geschäftsführer von Spotty Energy, über aktuelle Herausforderungen und Möglichkeiten.

von: Marion Breiter-O‘Donovan

Austria Innovativ: Was sind aus Ihrer Sicht die größten zukünftigen Herausforderungen für den öster-reichischen, aber auch europäischen Strommarkt? Welche Trends und Entwicklungen erwarten Sie?

Harri Mikk: Die größten zukünftigen Herausforderungen für den österreichischen und europäischen Strommarkt sehe ich im wachsenden Anteil erneuerbarer Energien. Diese Entwicklung erfordert eine flexible und intelligente Steuerung der Erzeugung, aber vor allem des Stromverbrauchs, um mit Schwankungen in der Energieerzeugung umzugehen. Die größte Herausforderung für Österreich liegt im Energiedaten-Management. Das ist nicht minder wichtig als der Netzausbau. Die Preisbildung wird zunehmend durch Spotpreise und dynamische Tarife bestimmt, die eine flexible Anpassung des Verbrauchs an die Erzeugung ermöglichen.

Wie unterscheidet sich Strom, den Kunden zu Börsenpreisen kaufen können, von herkömmlichem Strom, der zu festen Tarifen angeboten wird? Wie funktioniert das Modell?

Der Strom, den Kunden zu Börsenpreisen kaufen können, unterscheidet sich von herkömmlichem Strom zu festen Tarifen durch die stündliche Anpassung der Preise, basierend auf Angebot und Nachfrage am Spotmarkt. Kunden profitieren von günstigeren Preisen insbesondere in Zeiten hoher erneuerbarer Energieeinspeisung. Das Spotpreis-Modell ermöglicht es zusätzlich, die Verbrauchskosten durch intelligente Steuerung der Nutzung in preisgünstige Zeiten zu verlagern oder sogar Strom zum Nulltarif zu beziehen.

Welche Vorteile haben private bzw. Geschäftskunden dabei gegenüber traditionellen Fixpreisangeboten? Gibt es Nachteile?

Der Kauf von Strom zu Börsenpreisen bietet privaten und Geschäftskunden den Vorteil, direkt von niedrigeren Preisen in Zeiten hoher erneuerbarer Energieeinspeisung zu profitieren, was besonders in Zeiten großer Marktschwankungen kosteneffizient ist. Spotpreise schwanken zwar, haben sich aber langfristig als stabil erwiesen, was für unsere Kunden entscheidend ist. Innerhalb eines Tages bewegen sich die Preisunterschiede oft im Bereich von 0 bis 15 Cent/kWh, und 2023 lagen die Börsenpreise häufig nahe null, besonders an sonnigen Wochenenden. Ein möglicher Nachteil ist die Preisvolatilität, die dazu führen kann, dass der monatliche Rechnungsbetrag schwankt, jedoch zeigt sich, dass Kunden mit Spotpreisen langfristig günstiger fahren. Ein weiterer Vorteil der Spotpreise sind die sogenannten „Negativpreise“. Diese entstehen, wenn das Stromangebot die -nachfrage übersteigt. Spotty gibt diese Preise an seine Kund:innen weiter. Sie können dadurch ihren Stromverbrauch in die Zeiten von Negativpreisen verlagern, um so das Einsparungspotenzial weiter zu erhöhen. Stromverbrauch wird damit sozusagen sogar belohnt.

Welche Rolle hat der Smart Meter Ausbau in Österreich für eine erfolgreiche Energiewende?

Der Smart-Meter-Ausbau ist unverzichtbar für die Realisierung der Energiewende. Smart Meter erfassen den Energieverbrauch in Echtzeit und ermöglichen eine effiziente Nutzung und Verteilung von Energie. Verbraucher können ihren Verbrauch auf günstigere Zeiten verlagern, was Zeit und Kosten spart. Aussagekräftige Daten sind die Grundlage für präzise Prognosen und effektives Energiemanagement, was eine stabile Netzbalance und die Integration erneuerbarer Energien ermöglicht. Ohne Smart-Meter-Ausbau und ein effizientes Energiedatenmanagement ist eine Energiewende nicht möglich. Stichwort Stromverbrauch intelligent nutzen: Wie funktioniert das? Intelligente Nutzung des Stromverbrauchs bedeutet, Geräte zu Zeiten einzuschalten, in denen Strom günstiger ist, beispielsweise in Zeiten hoher erneuerbarer Energieeinspeisung. Mit unserem Smart Charging Service können Elektrofahrzeuge automatisch zu den günstigsten Zeiten geladen werden, was rund 50% der Kosten im Vergleich zu dem durchschnittlichen Spotpreis (der ohnehin sehr niedrig ist) sparen kann. Bei Spotty Smart Charging handelt sich um ein innovatives Ladesystem, das per Smartphone-App gesteuert wird und aktuelle Marktdaten in Echtzeit verwendet, um die optimalsten Ladezeiten für Elektrofahrzeuge zu bestimmen und den Ladevorgang entsprechend anzupassen. E-Autofahrer:innen legen einfach fest, wann ihr Fahrzeug geladen sein soll, und überlassen den Rest Spotty. Nach nur einer Minute zeigt die App an, wann das Auto voll geladen ist und zu welchem günstigen Strompreis. Ähnlich können Wärmepumpen oder Kühlgeräte so programmiert werden, dass sie während dieser kostengünstigen Zeiten laufen. Dies optimiert nicht nur die Kosten, sondern unterstützt auch die Netzstabilität.

Die österreichische Regierung hat die Strompreisbremse eingeführt, um Verbraucher vor stark schwankenden Strompreisen zu schützen. Wie bewerten Sie die Relevanz und die Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf den Markt?

Die Strompreisbremse hat Konsumenten geschützt, Strom zu Fixpreisen zu kaufen. Denn die Fixpreise, mit einer durchschnittlichen Bindung von zwölf Monaten, waren Ende 2022 ex-trem hoch. Die Strompreisbremse wurde 2022 eingeführt – ein Jahr, in dem der Unterschied zwischen den gängigen Fixpreisverträgen und dem laufenden Spotpreis besonders krass war. Leider gibt es keine genauen Statistiken, aber ich schätze, dass die Konsumenten im Schnitt dreimal mehr für den Strom bezahlt haben, als er auf dem Spotmarkt tatsächlich gekostet hat. In diesem Fall hat die Strompreisbremse den Konsumenten, aber auch großen Energieversorgern geholfen. Wenn die Mehrheit der Konsumenten Strom zu Börsenpreisen bezogen hätte, dann wäre die Strompreisbremse nicht notwendig gewesen und der Staat hätte das Geld sparen können. Konsumenten, die in den letzten zwei bis drei energiewirtschaftlich schwierigen Jahren durchgehend Strom zu Spotpreisen bezogen haben, sind viel günstiger ausgestiegen als Kunden, die immer wieder neue Fixpreisverträge abschließen.

Ad Personam

Harri Mikk ist Geschäftsführer und Gründer von Spotty Smart Energy Partner GmbH. Er studierte in Tartu sowie in Hamburg Rechtswissenschaften und arbeitete im estnischen Justizministerium als auch als Berater des estnischen Präsidenten Lennart Meri. Seit 2001 ist er in der Energiebranche tätig, zunächst als Vorstand beim staatlichen Versorger Eesti Energia, dann bei Danpower, einer Tochter der Stadtwerke Hannover. Seit 2018 ist er CEO von Spotty Smart Energy Partner GmbH und setzt sich intensiv mit den Herausforderungen und Chancen der Energiewende auseinander. Spotty Energy ist ein Energieanbieter in Österreich, der Strom zum Börsenpreis anbietet. Energie wird an den Börsen gehandelt, an denen auch Lieferanten den Strom einkaufen. Beim Börsenpreis werden die Preise anhand des aktuellen Stromangebots und der aktuellen Nachfrage festgelegt. Diesen Marktpreis gibt Spotty zuzüglich geringer Gebühren an seine Kund:innen weiter. Die Strompreisentwicklung in Österreich zeigt, dass der Börsenpreis zwar immer variiert, aber man damit langfristig gesehen den günstigsten Strompreis bezieht.     


Green Energy Lab visualisiert die Energiezukunft

Der Umstieg auf nachhaltige und zukunftssichere Energielösungen ist zentraler Faktor im Kampf gegen den Klimawandel. Das Innovationslabor Green Energy…

Weiterlesen

Grüne Synergien in Mobilität, Industrie und Energieversorgung

Die nachhaltige Transformation - Das primäre Ziel der Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power and Gas, kurz WIVA P&G, ist, die…

Weiterlesen

8. Wiener Innovationskonferenz

„In Zeiten des Umbruchs bestehen - Transformation mit Innovation“ - Die 8. Wiener Innovationskonferenz widmet sich den aktuellen Umbrüchen am…

Weiterlesen

FlexModul – Saisonale Speicherung von Solarenergie

© Barbara Krobath

Die Volatilität (Schwankungen) von erneuerbaren Energien bringt einen hohen Bedarf an Energiespeichern mit sich. Nur so kann auch zu Zeiten geringer…

Weiterlesen

Zum dekarbonisierten, leistbaren Wohnraum

© Canva/Illionaire

Die Weiterentwicklung von privaten Zinshäusern zu vertraglich abgesicherten Gemeinschaftsprojekten samt baubehördlicher Genehmigung für die umfassende…

Weiterlesen

Patricia Neumann: Neue Vorstandsvorsitzende der Siemens AG Österreich

© Siemens

Mag. Patricia Neumann (51) ist seit Anfang Mai 2023 Vorstandsvorsitzende der Siemens AG Österreich. Die neue CEO ist für die Dauer von fünf Jahren…

Weiterlesen

Aktuelle Ausgabe

Abonnement und Mediadaten

Sie wollen die führende österreichische Fachzeitschrift kennen lernen?
Sie wollen sich über Erscheinungstermine, Schwerpunkte und Werbemöglichkeiten informieren?

Hier sind Sie richtig.  

Abonnement

Mediadaten