06/2024 News mittlere Spalte Wirtschaft
© Alexander Mueller
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr
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Ausblick 2025: Wie kommt die Zuversicht?

Um im nächsten Jahr aus der Rezession herauszukommen, müssten private Haushalte mehr konsumieren. Die aber sparen derzeit lieber. Die neue Regierung muss ihr Vertrauen zurückgewinnen. Aber wie?

von: Norbert Regitnig-Tillian

Im September konnte man ihn gerade noch umgehen. Jetzt ist es schlagend. Der Brief aus Brüssel ist wahrscheinlich schon unterwegs. Österreich wird trotz eines krisenhaften Umfelds von der Europäischen Union in naher Zukunft dazu aufgefordert werden, sich an die Maastricht-Kriterien zu halten. Neue Prognosen zeigen, dass die Neuverschuldung deutlich über der Grenze von drei Prozent liegt und im nächsten Jahr gegen vier Prozent vom Bruttoinlandsprodukt steigen wird – und das in Zeiten der längsten Rezession der zweiten Republik.

Die Hartnäckigkeit, mit der sich die Rezession in Österreich auch im zweiten Jahr hielt, überraschte auch die Wirtschaftsforscher. „Österreich befindet sich in einem Wirtschaftsloch“, sagte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr bei der Präsentation der gemeinsamen Herbstprognose mit dem IHS Anfang Oktober. Im Sommer waren die Wirtschaftsforscher:innen noch von einer leichten Erholung im Herbst ausgegangen. Entgegen den Erwartungen schrumpfe aber gerade der Industriesektor doppelt so stark, wie noch im Sommer erwartet, und auch die Warenexporte lagen um 3,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Erwartet wird nun auch ein Anstieg der Arbeitslosenquote von 7 auf 7,2 Prozent, ebenfalls um einen halben Prozentpunkt mehr als noch im Sommer prognostiziert.

Ein Lichtblick: Zumindest bei der Teuerung bewegen sich die Werte in die richtige Richtung. Nach einer Inflationsrate von drei Prozent im Jahr 2024 erwartet man 2025 eine Rate von knapp über zwei Prozent, womit sich der Abstand zur Eurozone langsam schließt. Aber auch diese an sich positive Entwicklung sei noch nicht genug, erklärt Felbermayr. „Eigentlich bräuchten wir im nächsten Jahr eine deutlich niedrigere Inflationsrate als in der Eurozone.“ Denn nur so könnte der akkumulierte Preisnachteil der letzten Jahre mit Inflationsraten, die um mehrere Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt lagen, wieder aufgeholt werden.

Warnung vor massiven Sparpaketen

Was also tun? Ein Sparpaket zu schnüren, um in der EU als Sparefroh zu reüssieren, scheint den Wirtschaftsforschern derzeit als der falsche Weg. Da auch andere EU-Länder, darunter große Länder wie Frankreich und Italien, über den Maastricht-Kriterien für die Neuverschuldung liegen und gleichzeitig unter einer schwächelnden Konjunktur leiden, sei ein eiserner Sparkurs kontraproduktiv, heißt es von den Expert:innen. Die Rüge aus Brüssel wird daher wohl eher milde ausfallen. „Jetzt ist nicht die Zeit für ein massives Sparpaket, aber für Strukturreformen“, so der WIFO-Chef. „Fiskalpolitisch in die Eisen zu steigen, wäre gegen alle Empfehlungen der klassischen Volkswirtschaftstheorie“, ergänzt er. Der Grund: Wenn alle sparen und eine harte Austeritätspolitik umsetzen, werde nur noch weniger konsumiert und investiert. Das aber würde den zarten Wirtschaftsaufschwung, der sich in ersten Indikatoren für 2025 abzeichnet und auch auf eine Erholung der österreichischen Exportwirtschaft hinweist, zunichte machen.

Sparen aus Mangel an Zuversicht

Die Herausforderung, die viele Volkswirtschaften weltweit beschäftigt: Die schwächelnde Konjuktur in Industrie und am Bau geht nicht nur einher mit einer hohen Verschuldungsqoute des Staats, sondern auch mit einer deutlich erhöhten Sparquote der Privathaushalte. Obwohl Kollektivvertragsverhandlungen Lohnerhöhungen brachten, die über der Inflationsrate lagen, ist der Konsum nicht wie erwartet angesprungen. „Angstsparen“ nennen es die einen, „Mangel an Zuversicht“ die anderen. Trotz Zinssenkungen wird mehr gespart. Die Sparquote liegt bei 11,5 Prozent – das sind um vier Prozentpunkte mehr als in anderen Schwächephasen. Das neue Auto kann warten, ebenso wie die neue Heizung oder die Wohnungsrenovierung. Genug Geld wäre dafür eigentlich vorhanden, so Felbermayr: „Aber es herrscht ein Mangel an Zuversicht.“

Gerade diese Zuversicht gelte es nun zu hegen und zu pflegen. Denn auch wenn aus individueller Sicht das Sparen in unsicheren Zeiten der Polykrisen durchaus sinnvoll sein kann – wer weiß schon, ob der Arbeitsplatz erhalten bleibt – volkswirtschaftlich bringe das gerade das Gegenteil. Die Nachfrage bleibt dadurch schleppend, die Lager bleiben voll und neue Investitionen sind ebenfalls gering.

Was also tun? Für die Wirtschaftsexpert:innen scheint es klar: Die neue Regierung muss das Kunststück zuwege bringen, einerseits das Budget nicht kurz-, aber mittelfristig auf Maastricht-Kurs zu bürsten und andererseits die Wirtschaft schnell in die Gänge zu bringen.

„left foot braking“

Gemütlich wird das nicht. Um das Budget auf Kurs zu halten und die Wirtschaft zu beleben, muss die Regierung gleichzeitig sparen und investieren – ein Ansatz ähnlich dem „left foot braking“ im Rallyefahren. Dabei wird bei einer Kurveneinfahrt, statt Gas und Bremse abwechselnd zu benutzen, mit dem linken Fuß gebremst (ein Tabu im normalen Alltagsverkehr), während der rechte das Gas hält. Gleichzeitig wird das Auto mit einer ruckartigen Bewegung in die Kurve gelenkt, damit die Hinterachse kontrolliert ausbricht und so mit hohem Tempo durch die Kurve gedriftet werden kann.

Die neue Regierung wird sich also als geschickte Rallyefahrerin auszeichnen müssen, um mit gezielten Einsparungen und gleichzeitigen Investitionen in zukunftsgerichtete Projekte stabil und mit hohem Tempo aus der Rezessionskurve herauszukommen.

Gelinge könnte es, meinen die Wirtschaftsforscher:innen – den politischen Willen, Geschick und wohl auch ein bisschen Glück (Stichwort: internationale Krisen) vorausgesetzt. Im volkswirtschaftlichen Werkzeugkasten finden sich jedenfalls genügend Instrumenta-rien, dass die Wirtschaft mit Sparen und gleichzeitigen Investitions- und Kaufanreizen wieder an Fahrt gewinnt.

Streichungskandidat Klimabonus

Erster Kandidat, der einer Ralley-Strategie zum Opfer fallen könnte, um Geld für Investitionen freizuschaufeln, ist der Klimabonus. Das Einsparungspotential von zwei Milliarden Euro pro Jahr, die durch die Abschaffung des Klimabonus frei werden würden, wird den nächsten Finanzminister wohl nicht kalt lassen. Denn damit wäre bereits ein guter Teil der jährlichen Einsparungen für die 3-Prozent-Maastricht-Regel, die sich je nach Rechenart zwischen 2,5 bis 5 Milliarden Euro jährlich bewegen, erledigt.

4 Prozent Forschungsquote

Ein Beispiel für zukunftsgerichtete Investitionen: Die Erhöhung der Forschungsqoute von derzeit 3,2 auf 4 Prozent des BIP. Diese Maßnahme wird auch weithin von der Industrie bis zu den Universitäten unterstützt. Allerdings dürfe die Erhöhung nur mit Auflagen passieren, meint Felbermayr. „Mehr Geld allein reicht nicht. Die Forschung muss auch mehr Innovationen liefern.“ Gleichzeitig sollte auch verstärkt in Schlüsseltechnologien, Bildung und Infrastruktur  investiert werden, weil damit die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt würde.

Teuerere Fossilenergie

(Höhere) Vermögensteuern als neue Einnahmequellen haben wohl so gut wie keine Chance, auch die von Felbermayr vorgeschlagene Erhöhung der Grundsteuer, durch Anhebung der Einheitswerte, wird wohl am Widerstand der Landwirte und Großgrundbesitzer, wie schon in den letzten Jahrzehnten, scheitern. Wie auch immer man es dreht und wendet: Mit großer Wahrscheinlichkeit wird wohl das Tanken an Österreichs Zapfsäulen wieder teurer werden. Verhandlungsmasse ist auch das „Dieselprivileg“, wodurch  die MöSt für Diesel (schwefelfrei und Bio-Anteil: 0,397 Euro pro Liter) um 8,5 Cent unter dem MöSt-Satz für Benzin (0,482 Euro pro Liter) liegt. Wesentlich günstigere MöSt-Sätze gibt es derzeit auch noch für Heizöl (0,09 Euro pro Liter) und Erdgas (0,055 Euro pro Kubikmeter). Inwieweit die Teuerung nun unter dem Ettiket der klimapolitischen CO2-Bepreisung oder einer fiskalpolitischen Erhöhung der „MöSt“ oder von beiden erfolgen wird, wird in Koalitionsverhandlungen wohl noch ausgiebig und heftig diskutiert werden. Leichter argumentierbar wäre die Einführung einer Zucker- oder die Erhöhung der Tabaksteuer. Sie könnten als Public-Health-Maßnahmen verkauft werden und ebenfalls Geld für Zukunftsprojekte freischaufeln.

Günstigere erneuerbare Energie

Die Verteuerung fossiler Energie und die Durchforstung aller Budgetposten nach weiteren klimaschädlichen Subventionen würden die langfristigen Klimaziele unterstützen. Zuversicht und Vertrauen würden sie aber wohl erst dann geben, wenn im Sinne einer „Ralley“-Strategie gleichzeitig Investitions- und Kaufanreize für die Anschaffung von klimafreundlichen Heizungs- und Kühlsystemen, E-Autos und -Bikes geschaffen werden und gleichzeitig auch noch massiv in den Ausbau der Netze und der Energietransformation investiert wird.

Für die Industrie ist der günstige Ausstieg aus Erdgas und Heizöl übrigens bereits in die Wege geleitet: So wurde im Umweltförderungsgesetz (UfG) nicht nur ein milliardenschweres Investitionsförderprogramm verankert, sondern auch festgeschrieben, dass Unternehmen, die ihre Produktionsprozesse von fossilen auf erneuerbare Technologien umstellen, sowohl ihre Investitions- als auch ihre laufenden Kosten gefördert bekommen, wenn die Energiepreise der erneuerbaren über denen fossiler Energieträger liegen. Erste Ausschreibungen dafür sind ab 2025 geplant.   

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