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Foto: BMLRT Paul Gruber
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Nachhaltigkeit

Am Puls der Zeit

Foto: BMLRT Paul Gruber
Elisabeth Köstinger, startete ihre politische Karriere als Obfrau der Österreichischen Jungbauernschaft, die ihr 2009 den Weg ins Europäische Parlament ebnete. 2017 wurde sie in den österreichischen Nationalrat und am 9. November zur Nationalratspräsidentin gewählt. Noch im Dezember 2017 erfolgte die Angelobung zu Österreichs ersten Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus. Am 29. Jänner 2020 übernahm sie das BMLRT.
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Die Corona-Pandemie definiert derzeit viele Spielregeln neu. Für Elisabeth Köstinger bieten sich daraus ganz neue Chancen für unser Land, vor allem in ihrem Zuständigkeitsbereich, der sich von Landwirtschaft, Nachhaltigkeit, Regionen, Wasser- und Forstwirtschaft sowie Tourismus bis hin zu Breitbandausbau oder Sicherheits- und Verteidigungsforschung spannt.

von: Harald Hornacek

Frau Bundesministerin, in Ihrem Ressort sind praktisch alle Agenden des ländlichen Raums gebündelt: von der Landwirtschaft, der heimischen Lebensmittelproduktion, der regionalen Wertschöpfung in der Forstwirtschaft und dem Bergbau bis hin zum Wirtschaftsmotor Tourismus und der Regionalpolitik. Wie schaffen Sie es, ein solch breites Themenfeld zu verwalten, aber vor allem auch weiterzuentwickeln?

Elisabeth Köstinger: Die Klammer über allem ist die Bedeutung des regionalen Raums und die weitere positive Entwicklung der Gebiete außerhalb der großen Ballungszentren. Wir sehen aktuell vor allem aufgrund der Corona-Pandemie, dass das Leben außerhalb der großen Ballungsräume aus verschiedensten Gründen an Attraktivität gewinnt: die Nähe zur Natur, die bessere Leistbarkeit von Wohnraum, hohe schulische Standards oder einfach das Gefühl, zur Ruhe zu kommen – das sind Aspekte, die für eine wachsende Bedeutung der ländlichen Regionen sprechen. Letzten Endes ist es das Zusammenspiel vieler Faktoren, das den Reiz des Lebens ­außerhalb der Städte ausmacht – regionale Versorgung mit Produkten der Landwirtschaft, gesunde Wälder als Quelle der Entspannung, aber auch als Wirtschaftsfaktor, sauberes ­Wasser, Erhalt und Schutz von Artenvielfalt und Naturlandschaften. All das sind Themen, die vielen Menschen unmittelbar sehr wichtig sind und die auch direkte Auswirkungen auf die weitere Entwicklung im touristischen Bereich haben.

Wenn die Corona-Pandemie einmal vorüber ist, werden unsere Gäste die vielen Naturschätze unseres Landes noch mehr zu schätzen lernen. Und wir haben ja in den letzten Monaten gesehen, wie bedeutend der Tourismus für unser Land ist.

AI: Nun zählen auch die Bereiche Bergbau sowie Zivildienst und Ehrenamt zu Ihren Agenden. Wo liegen hier die großen Herausforderungen?

EK: Bergbau hat in Österreich eine jahrhundertelange Tradition. Wenn wir heute von der Notwendigkeit einer Versorgungssicherheit sprechen oder auch von Autonomie in gewissen Bereichen, dann ist es nötig, sich auch konzentriert den Ressourcen zu widmen, die unser Land bietet. Unsere Gesellschaft ist nun einmal existenziell von einer funktionierenden Rohstoffversorgung abhängig – aber natürlich gepaart mit dem Wunsch nach Integrität von Natur und Umwelt. Wir sind daher bestrebt, den österreichischen Bergbau nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit zu gestalten, gleichzeitig aber die volkswirtschaftlich beste Bereitstellung von Energieträgern und Roh-
stoffen unter Bedachtnahme auf Versorgungssicherheit, Kostengünstigkeit und Umwelt- sowie Sozialverträglichkeit zu ermöglichen.

Was den Bereich Zivildienst & Ehrenamt betrifft, so ist dies eine der wohl am meisten unterschätzten Stärken unseres Landes. Es ist ein Beleg für den großen Zusammenhalt, wenn wir bedenken, dass sich fast die Hälfte aller Öster­reicherinnen und Österreicher ehrenamtlich in gemeinnützigen Organisationen, Vereinen oder in der Nachbarschaftshilfe engagiert. Das ist ein wesentlicher Faktor zur Bildung von Zusammengehörigkeitsgefühl, von gelebter Integration, von Eigenverantwortung. Ich bin sehr stolz darauf, dass so viele Menschen sich ­unterschiedlich engagieren. Auch für den ­Zivildienst trifft das zu: So haben fast 15.000 junge ­Männer im Jahr 2019 einen Zivildienst absolviert und damit einen wichtigen Beitrag zur Leistungsfähigkeit im Rettungs­wesen oder in der Sozial- und Behindertenhilfe geleistet.

AI: Mit dem Inkrafttreten der Novelle zum Bundesministeriengesetz 2020 sind auch die Bereiche Breitbandausbau, Telekom und Post hinzugekommen. Welche Pläne ver­folgen Sie hier konkret?

EK: Ich freue mich, hier gemeinsam mit den Expertinnen und Experten unseres Hauses einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsorientierten Entwicklung des ländlichen Raums und für starke, lebendige Regionen zu leisten. Denn eines hat die Corona-Pandemie deutlich vor Augen geführt: Die Digitalisierung ist nicht mehr aufzuhalten. Themen wie Home Office oder Home Schooling funktionieren aber nur, wenn es entsprechende Ressourcen dazu gibt – sprich: Netzinfrastruktur. Daher ist es wichtig, dass schnelle Glas­faserverbindungen immer näher zu den Haushalten kommen oder auch mit hybriden Technologien – der Verbindung aus Mobilfunk und Festnetz – für schnelles Internet gesorgt ist.

AI: Hier geht es vor wohl besonders auch um den Ausbau des 5G-Netzes?

EK: Wir sind mitten in einem technologischen Transformationsprozess, wir stehen an der Schwelle zum großflächigen 5G-Netz, das superschnelle Verbindungen mit geringsten Latenzzeiten mit sich bringen wird. Es gibt bereits lokal beschränkt erste 5G-Netzinfrastrukturen, die zeigen, dass hier ganz neue Anwendungsmöglichkeiten offenstehen – beispielsweise eine Verteilung des Datenaufkommens im Netz auf unterschiedliche Ebenen binnen kürzester Zeit. Dieses „Network Slicing“ ist auch eine wichtige Basis für die künftige Automatisierung des Verkehrs. Das Ziel ist eine nahezu ­flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit ultra­schnellen Breitband-Hochleistungszugängen. Daran arbeiten wir. Dazu haben wir beispielsweise auch ein „5G Gemeindeservice“ ins Leben gerufen, mit dem wir die Gemeinden ­unterstützen, den immer wieder geäußerten Sorgen der ­Bevölkerung rund um 5G mit fundierten Informationen zu begegnen.

AI: Die Digitalisierung ist ein zentraler Faktor für die Weiterentwicklung des Standortes Österreich. Welchen Beitrag leistet dazu Ihr Ministerium? Und gibt es ein
„digitales Ziel“, eine „digitale Vision“, die Sie selbst ver­folgen?

EK: Arbeiten im Büro oder im Homeoffice, zu Hause lernen, mit Verwandten und Bekannten chatten, Streamen – all das benötigt schnelles Internet. Dabei sehen wir aber oft nur den privaten Aspekt superschneller Verbindungen. Wir müssen auch bedenken, dass Industrie und Wirtschaft ebenfalls solche Anbindungen benötigen. Wenn wir heute von Machine-to-Machine-Kommunikation, vom Internet of Things oder von Mensch-Maschine-Interaktion sprechen, dann sind das Themen, die hochsichere, superschnelle und zuverlässige Verbindungen benötigen. Mittels „Smart Farming“, also der Anwendung von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien in der Landwirtschaft, wird die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung noch nachhaltiger und effizienter. Insofern sehe ich den Breitbandausbau als ­wesentlichen Baustein zur digitalen Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes. Mit einem starken Breitband- bzw. 5G-Netz liefern wir dazu die wichtigste Basis. Mit der zuneh-
menden Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt wird dies noch bedeutender: Regionen, die über starke Internet- und Breitbandverbindungen verfügen, können zu den Gewinnern der Corona-Pandemie gehören. Die logische Folge sind etwa neue Betriebsansiedelungen oder eine ­Reduktion der Landflucht.

AI: Welche konkreten Digitalisierungsprojekte laufen bereits?

EK: Durch die entsprechende Ausrichtung der Förderprogramme meines Ressorts unterstützen wir Digitalisierung z. B. in der Land- und Forstwirtschaft oder im Tourismus. Ein paar Beispiele: Die von uns im Rahmen des Programms zur ländlichen Entwicklung geförderte „Innovation Farm“ liefert anschauliche Ergebnisse für die Praxis. Durch die Einbindung von Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und durch Beratungsarbeit kann das Wissen schnell in die Praxis gebracht werden und damit können Kompetenzen für verschiedene Technologien aufgebaut werden.

AI: Wie kann die Digitalsierung noch stärker in den ländlichen Raum gebracht werden?

EK: Künftig wollen wir auch ländliche Innovationsräume und ländliche Innovationspartnerschaften nach dem Multiactor Prinzip durch das Zusammenwirken von agrarischen und ­außeragrarischen Akteuren unterstützen. Derzeit sammeln wir diesbezüglich Erfahrungen im Rahmen eines FFG-Pilotprojektes „Regional.Digital.Innovativ“ mit dem von den ­Regionen gewünschten Thema „Wir gestalten die neuen ­Arbeits- und Begegnungsräume am Land“. Schwerpunkte sind hier Arbeitsplätze am Land, speziell für Frauen, Digitalisierung, Vernetzung sowie Überregionalität.

Sehr positive Erfahrungen haben wir mit diesem Prinzip schon im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit gemacht, die eine gemeinsame Bearbeitung von Herausforderungen von Praxis, Wissenschaft, Beratung sowie relevanten Partnern fördert.

In der Zukunft wollen wir auch im Rahmen des smart Village Konzeptes (smarte Gemeinde), umgesetzt im Rahmen von LEADER, den Gemeinden die Unterstützung und Begleitung geben, im Bereich der Digitalisierung einen großen Schritt vorwärts zu machen, um die Herausforderungen noch effi­zienter und bürgernäher zu bewältigen.

AI: In Ihrem Ministerium sind auch Programme aus der ­Sicherheits- und Verteidigungsforschung verankert. Welchen Stellenwert räumen Sie diesen Themen persönlich ein?

EK:  Wir sehen hier viele spannende Projekte mit hoher ­Innovationsqualität. Manches, was wir heute anstoßen, könnte künftig eine große Auswirkung haben. Die Stabsstelle „Sicherheitsforschung und Technologietransfer“ betreibt mit ihrem kompetenten Team das auch in Europa hoch anerkannte österreichische Sicherheitsforschungsprogramm ­KIRAS sowie in enger inhaltlicher Abstimmung mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung das nationale Verteidigungsforschungsprogramm FORTE. Mit diesen zwei Programmen besitzt mein Haus noch eine Klammer, die ­Sicherheitsklammer, zur optimalen Aufstellung und Abwicklung umfassender Sicherheitsforschung auf Bundesebene. Aufbauend auf dieser soliden staatlichen Basis ­können wir auch unsere Verantwortung der Vertretung ­Österreich auf EU-Ebene in der Sicherheitsforschung bestmöglich wahrnehmen.

AI: Welchen Nutzen gewinnt die Bevölkerung aus diesen Programmen?

EK: Ich bin davon überzeugt, dass es sehr wichtig ist, gerade in unsicheren Zeiten Innovationen im Bereich der Sicherheit ganz bewusst zu forcieren. Wichtig ist dabei, und das ist eine Stärke dieser Programme, dass wir damit bewusst ein weites Themenfeld abdecken. Die Projekte, die im Rahmen von KIRAS und FORTE gefördert werden, sind am Puls der Zeit. Sie können eine wesentliche Rolle dabei spielen, den Technologiestandort Österreich im internationalen Wettbewerb zu stärken. Ich sehe hier sehr viele Chancen für industrielle Nutzung und Kooperationen. Die Projekte tragen aber auch dazu bei, die Resilienz unseres Landes und ­unserer Gesellschaft zu verbessern: Sicherstellung von Nahrungsmittelproduktion und -logistik via Blockchain, Intelligentes Lageinformationsportal zur Unterstützung im Katastropheneinsatz, Schutz kritischer Infrastrukturen durch Netzsicherheit, Bekämpfung von Menschenhandel und Verhinderung illegaler Migration, aber auch Bekämpfung von Hass im Netz oder der Einsatz von ­unbemannten Fahrzeugen im Rettungseinsatz – schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie umfassend und bedeutend die Themenstellungen sind.


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